Auswärtiges

Experten äußern sich zu Möglichkeiten der Klimafinanzierung

Wie dringend Verluste und Schäden mit internationaler Hilfe kompensiert werden müssen, die weltweit in zahlreichen armen Ländern durch den Klimawandel verursacht wurden, darin waren sich die Sachverständigen in der öffentlichen Sitzung des Unterausschusses Internationale Klima- und Energiepolitik am Mittwoch, 19. Oktober 2022, einig. Über Möglichkeiten der Klimafinanzierung und die Lage der Menschenrechte im Gastgeberland der Klimakonferenz im November, Ägypten, sprachen die Mitglieder des Unterausschusses mit Experten aus drei Ländern und Vertretern der Bundesregierung. 

Auswirkungen aktueller Krisen

Die zahlreichen aktuellen Krisen minderten vor allem die Möglichkeiten der Entwicklungsländer, sagte Dr. Axel Michaelowa von der Universität Zürich, mit öffentlichen Mitteln dem Klimawandel zu begegnen. Während sich die entwickelten Länder gerade um einen Anstieg der Ausgaben für den Klimaschutz bemühten. 

Im Pariser Klimaschutzabkommen sei die Staatengemeinschaft bereits Verpflichtungen eingegangen, den CO2-Ausstoß zu senken. Vor allem für kostspieligere Maßnahmen, die darüber hinaus gingen, würden nun aber zusätzliche Mittel benötigt. „Dafür müssen wir eine Mischfinanzierung hinbekommen aus effizient genutzten öffentlichen Geldern und Einnahmen aus dem CO2-Markt.“ Zudem gelte es nun auch Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel in den Blick nehmen, die in der Klimafinanzierung zuletzt noch in den Hintergrund gedrängt worden seien. Und auch, wie die Kosten von Verlusten und Schäden (Loss and Damage) getragen werden können, die von durch den Klimawandel verursachten Ereignissen herbeigeführt worden seien. 

Integrierte Klimafinanzierungslösungen

Da sei die Einführung von Versicherungen der beste Weg. Die Frage stelle sich jetzt, wieviel von den Prämien für diese Versicherungen durch öffentliche Subventionen getragen werden müsse. Michaelowa empfahl, Deutschland solle bei der bevorstehenden Klimakonferenz in Ägypten den Wunsch der Entwicklungsländer nach einer „Loss-and-Damage-Fazilität“ unterstützen und den Gedanken von Versicherungslösungen voranbringen. 

Die Finanzmechanismen des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCCC) sollten aus einer Mischung aus öffentlichen Mitteln und Erträgen aus dem Emissionshandel bestehen. Regierungen sollten ermutigt werden, integrierte Klimafinanzierungslösungen einzuführen. Und bei den Apassungsmaßnahmen an den Klimawandel, sollte man ein von der Logik der „Saved wealth-saved health“ getriebenes Konzept anvisieren. 

„Mehr private Mittel mobilisieren“

Mit einem angekündigten Beitrag von 6 Milliarden Euro zur Klimafinanzierung habe sich die Bundesregierung gut aufgestellt, sagte Heike Henn vom Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit. Es sei aber nicht absehbar, dass die international gemeinsam angestrebten insgesamt 100 Milliarden US-Dollar erreicht werden. 

Nun gelte es, mehr private Mittel zu mobilisieren, die vor allem dem globalen Süden zugute kommen müssten. Da müsse man noch mehr Anreize schaffen, bei der Gestaltung der Rahmenbedingungen bis hin zur Risikominimierung. Vor allem die Weltbank und regionale Entwicklungsbanken seien jetzt gefragt. Klimaschutz sei schließlich auch ein öffentliches Gut. Beim Thema von „Loss and Damage“ wolle sich die Bundesregierung als aktiver Akteur und Brückenbauer positionieren. „Wir müssen hier noch mehr tun.“ Man wolle das Thema auf dem Verhandlungstisch haben, mehr Mittel mobilisieren und auch selber konkrete Angebote machen um mehr Mittel in den globalen Süden zu bekommen. Das sei eine Frage der Glaubwürdigkeit, Klimagerechtigkeit und Solidarität.

„Angebot eines Schutzschirms im Gepäck“

„Nur wenn wir in diesem Bereich glaubwürdig agieren, bekommen wir die Kombination mit CO2-Reduzierung hin, die immer noch der beste Schutz gegen Verluste und Schäden ist“, sagte Henn. Es gelte, bestehende politische und wissenschaftliche Formate dazu aufzuwerten, die Finanzinstrument im Rahmen des UNFCCC nutzen. Darüber hinaus könne auch ein neues Instrument geschaffen werden. Wichtig sei, dass man den schnellsten Weg auftue, um den vulnerabelsten Menschen rasche Hilfe anzubieten. 

Die Bundesregierung habe für die Konferenz das „Angebot eines Schutzschirms“ im Gepäck, der ganz auf vulnerable Länder zugeschnitten sei. „Schutzlücken“ in einzelnen Ländern könnten damit identifiziert und gefüllt und beispielsweise soziale Sicherungssysteme und Versicherungen aufgebaut werden, verbunden mit dem Instrument der Prämiensubventionierung.

Hitzewellen, Stürme und Überflutung

Mitten in einer Zeit von Loss and Damage befänden wir uns bereits, mahnte Harjeet Singh vom Climate Action Network International. Diese Zerstörung mache nicht an nationalen Grenzen halt. Hitzewellen, Stürme und Überflutung habe man dieses Jahr bereits in allen Erdteilen gesehen, bis hin zu der nie dagewesenen Zerstörung in Pakistan. „Wir stecken bereits tief in der Klimakrise, weltweit.“ Die Entwicklungsländer jedoch hätten nur wenig Zugang zu zeitnaher Unterstützung zum Wiederaufbau. 

Die maßgeblichen Verschmutzer aber verschmutzten weiter, die Verantwortlichen verweigerten sich, ihren Anteil zur Lösung der Probleme beizutragen. Beim Glasgow Klimadialog hätten alle Parteien anerkannt, dass das Thema Loss and Damage noch nicht genug Aufmerksamkeit erhält. Die Kosten für Verluste und Schäden aber würden künftig  in schwindelerregende Höhen steigen. 

Vorschlag für eine Loss-and-Damage-Fazilität

Singh unterstrich den Zusammenhang zwischen CO2-Reduktion, Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel und der Finanzierung der Kosten von Verlusten und Schäden. Es sei bislang nicht gelungen, die CO2-Emissionen signifikant zu senken. Man lasse auch weiterhin die Menschen vor allem in Entwicklungsländern im Stich, mit den Folgen des Klimawandels zurechtzukommen. 

Dass die entwickelten Länder nun Versicherungen als Lösung anböten sei inadäquat, da man es bereits mit einer Fülle von Klimaereignissen zu tun habe. Versicherungsunternehmen versicherten ja keine Schäden, die bereits eingetreten seien. Und Versicherungsunternehmen kalkulierten ihre Prämien anhand von Wahrscheinlichkeiten, und rechnen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit, dass ein Schadensfall nicht eintrete, „aber bei dem Klimawandel liegt ja die Wahrscheinlichkeit bei 100 Prozent“. „Es gibt in der derzeitigen Klimafinanzarchitektur keine Mittel, um Verluste und Schäden zu finanzieren“, sagte Singh. „Wir brauchen jetzt ein neues Finanzinstrument in den Vereinten Nationen, das in der Lage ist, betroffenen Gemeinschaften schnell zu helfen.“ Seine Organisation habe Verschläge gemacht, wie eine neue Loss-and-Damage-Fazilität aussehen könnte. Die COP27-Konferenz müsse da ein signifikantes Ergebnis liefern. Deutschland solle dort für die Sache der Klimagerechtigkeit verhandeln. „Die Betroffenen brauchten jetzt Hilfe, da gibt keine andere Möglichkeit.“

Situation in Ägypten

Leslie Piquemal vom Cairo Institute for Human Rights Studies vermittelte den deutschen Abgeordneten ein aktuelles Bild der Menschenrechtslage im Gastgeberland der COP27-Klimakonferenz, die vom 7. bis 18. November in Ägypten stattfinden soll, und appellierte an die Parlamentarier, bei der Konferenz Menschenrechtsfragen und die Teilnahme von Aktivisten anzusprechen sowie sich nicht auf die von ägyptischen Regierung forcierte künstliche Trennung von Klima- und Menschenrechtsthematik einzulassen. 

Es bestehe großer Bedarf, Druck auf die Regierung in Kairo auszuüben, nachhaltige Reformen herbeizuführen. Ägypten befinde sich in einer schweren Menschenrechtskrise. Das Land habe eine der weltweit höchsten Exekutionsraten. Die Gefängnisse seien ein gefährlicher Ort, es werde gefoltert. „Hinter ihren Mauern befinden sich Zehntausende politische Gefangene.“ Die demokratischen Errungenschaften des Arabischen Frühlings seien allesamt wieder kassiert worden. Für eine friedliche Opposition und gesellschaftliche Teilhabe an staatlichen Angelegenheiten gebe es keinen Raum mehr. 

Politischer Druck von außen

Die Behörden gingen massiv gegen Oppositionelle und Andersdenkende vor, darunter Menschenrechts- und Klimaaktivisten. Kritiker der Regierung müssen entweder ausreisen oder würden zum Schweigen gebracht. Die für die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen und Aktivisten so wichtigen Grundrechte seien eingeschränkt worden, es gebe zahlreiche Behinderungen, es herrsche ein Klima der Angst. Von der Klimakonferenz seien Organisationen wie ihre komplett ausgeschlossen, der Zugang für die Zivilgesellschaft werde erschwert. 

Man habe die begründete Befürchtung, dass Aktivisten, die nun ihre Stimme erheben, nach der Konferenz, wenn sich die internationale Aufmerksamkeit wieder abwende, ins Visier der Staatsmacht gerieten und verfolgt würden. Es seien bereits Freigelassene mit „Re-Arrest“ bedroht worden, sollten sie kein Wohlgefallen zeigen. Politischer Druck von außen sei hilfreich, auch wenn er bisher nur in wenigen Fällen zu Freilassungen geführt habe. 

Der Unterausschuss „Internationale Klima- und Energiepolitik“ ist ein Unterausschuss des Auswärtigen Ausschusses. Es befasst sich mit der Schnittstelle zwischen der Klima- und Energiepolitik und der Außen- und Sicherheitspolitik. (ll/20.10.2022)

Zeit: Mittwoch, 19. Oktober 2022, 18.30 Uhr bis 20.30 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal E.800

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