Aktuelle Stunde

Strategische Souveränität Deutschlands durch eine neue China­strategie beraten

Über die Abhängigkeiten kritischer Infrastrukturen in Deutschland von China und eine Neujustierung der Beziehungen mit dem Wettbewerber und, laut EU-Definition, „systemischen Rivalen“ hat der Bundestag am Donnerstag, 10. November 2022, in einer Aktuellen Stunde debattiert: Diese war auf Verlangen der Unionsfraktion mit dem Titel „Deutschlands strategische Souveränität - neue Chinastrategie“ auf die Tagesordnung gesetzt worden. 

Union: Regierung hat keine Position zu China

Dr. Johann David Wadephul (CDU/CSU) kritisierte, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit seiner Reise nach Peking vergangene Woche dem Anspruch einer europäisch und transatlantisch abgestimmten und kohärenten Chinapolitik in keiner Weise gerecht geworden sei. Nicht einmal auf die europäische Position, dass China den russischen Krieg gegen die Ukraine weder dulden noch gar fördern dürfe, habe Scholz aufmerksam gemacht.

Die Bundesregierung lasse nicht erkennen, was ihre gemeinsame Position gegenüber China ist, sagte Wadephul. Stattdessen kritisiere Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) den eigenen Bundeskanzler aus dem Ausland heraus: Es sei gute Sitte, dass noch nicht mal die Opposition das tue. Die Regierung erlaube sich „Zänkereien“, die zum „außenpolitischen Fremdschämen“ seien. 

SPD lobt Chinabesuch des Kanzlers

Michael Müller (SPD) entgegnete, dass Scholz in Peking die deutsche Position in Sachen Menschenrechte deutlich gemacht habe, „deutlicher“ als in 16 Jahren Kanzlerschaft Angela Merkels (CDU). Die SPD brauche hier auch keine Nachhilfe von der Union: Das Lieferkettengesetz, das Menschenrechtsstandards in den Blick nehme, habe man gegen die Blockade der Union durchsetzen müssen.

Dass Chinas Staatschef Xi Jinping russische Atomwaffendrohungen so klar zurückgewiesen habe, sei ein Ergebnis des Scholz-Besuchs. Diese Abgrenzung gegenüber Russland sei eine „neue Qualität“, die man nicht kleinreden solle.  

AfD: China nicht zum Feind erkiesen

Petr Bystron (AfD) sagte, dass es keinen Grund für Deutschland gebe, wie die USA China zum Feind zu erkiesen und als Bedrohung aufzubauen. China sei Deutschlands größter Handelspartner: „Wir brauchen den Handel, wir brauchen den Austausch.“

Deutsche Unternehmen wie Hapag Lloyd und Fraport hätten Hafen- beziehungsweise Flughafenbeteiligungen auf der ganzen Welt, sagte Bystron mit Blick auf den viel diskutierten Einstieg des chinesischen Staatsunternehmens Cosco bei einem Hamburger Hafenterminal. „Was wir im Ausland in Anspruch nehmen, das müssen wir unseren Partner hier in Deutschland auch ermöglichen.“ 

Grüne: Fehler mit Russland nicht wiederholen

Agnieszka Brugger (Bündnis 90/Die Grünen) warnte davor, den gleichen Fehler wie in der „alten Russlandpolitik“ Deutschlands noch einmal zu machen, Abhängigkeiten zu vergrößern und gleichzeitig Alarmsignale in den Wind zu schlagen.

Wenn ein Staat wie China, der nicht in seiner Sicherheit gefährdet sei, immens militärisch aufrüste und seine Nachbarn bedrohe, dann tue er dies nicht mit einem friedlichen Ziel. Dass die Außenministerin eine neue Chinastrategie ausarbeite, die Schluss mache mit „Merkel-Business as usual“, sei Ausdruck von „kluger Weitsicht“. 

Linke: Kritische Infrastruktur in öffentliche Hand

Amira Mohamed Ali (Die Linke) warf der Außenministerin hingegen vor, gegenüber China verbal in die „Mottenkiste des Kalten Krieges zu greifen“. Die umfassenden Menschenrechtsverletzungen in China seien seit Jahren bekannt. Wer strikte Abschottung wolle, begebe sich auf einen gefährlichen Kurs, an dessen Ende ein Machtblock stehe, der von China über Indien, Russland und den Iran reiche.

Es sei richtig, kritische Infrastruktur nicht an chinesische Firmen zu verkaufen, sagte Ali. „Sie gehört allerdings gar nicht verkauft, sondern in öffentliche Hand.“ 

FDP wirbt für „China-Stresstest“

Johannes Vogel (FDP) warf der Union eine „bisschen Chuzpe“ vor: Sie sei vor wenigen Jahren erst mit „brutalem“ Druck dazu zu bewegen gewesen, ein chinesisches Unternehmen wie Huawei „aus dem Kern unseres Mobilfunknetzes“ herauszuhalten.

Vogel warb für einen „China-Stresstest“, mit dem ermittelt werde, wo Abhängigkeiten von China bei der sicherheitsrelevanten Infrastruktur bestehen, um diese abzubauen und zu vermeiden. Begleitet werden müsse dieser Prozess von einer noch engeren Zusammenarbeit und Freihandelsinitiativen mit „marktwirtschaftlichen Demokratien“. (ahe/10.11.2022)

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