Befragung der Bundesregierung

Bundesministerin Lemke: Natur- und Arten­schutz statt Atomkraftnutzung

Die Moorschutzstrategie der Bundesregierung sieht vor, trockengelegte Moore wieder zu vernässen und sie langfristig klimaverträglich zu nutzen. Darauf hat Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Bündnis 90/Die Grünen) in der Regierungsbefragung des Bundestages am Mittwoch, 9. November 2022, hingewiesen. Das Bundeskabinett hatte die Strategie am selben Tag verabschiedet. Moore seien für 7,5 Prozent der Kohlendioxidemissionen verantwortlich, sagte die Ministerin. Für entwässerte, derzeit land- und forstwirtschaftlich genutzte Moorböden stünden im Rahmen des Bundesprogramms Natürlicher Klimaschutz finanzielle Anreize für freiwillige Wiedervernässungsmaßnahmen zur Verfügung.

Lemke erinnerte angesichts des Jahrestages des Mauerfalls an die Umweltbewegung in der DDR. Viele hätten sich für saubere Luft und gegen den Braunkohletagebau eingesetzt. Ihr Impuls aus der Wendezeit sei heute überall im Land zu spüren.

Streckbetrieb von Atomkraftwerken

Der CDU-Abgeordnete Steffen Bilger sprach einen Prüfvermerk des Umweltministeriums vom 7. März 2022 hinsichtlich eines Weiterbetriebes von Atomkraftwerken aufgrund des russischen Angriffskrieges in der Ukraine an. Unterlagen würden belegen, so Bilger, dass der Vermerk nicht fachlich, sondern politisch erstellt worden sei. Er wollte wissen, weshalb die Strompreisentwicklung keine Rolle gespielt habe. 

Lemke wies die „Vorwürfe auf das Entschiedenste“ zurück. Sie habe um Informationen über einen potenziellen Weiterbetrieb gebeten. Die Diskussion über eine Laufzeitverlängerung habe im politischen Raum bereits vorher begonnen. Es sei ihre Pflicht, so die Ministerin, abzuwägen, was die Bedingungen seien und was dagegen spräche. Wochenlang seien nukleare Sicherheit, für die sie zuständig sei, und Energiesicherheit abgewogen worden. In die Abwägung seien alle Informationen eingeflossen, den Vorwurf von Intransparenz und „Vertuschen“ weise sie zurück. Bereits im März habe sie mit den Kraftwerksbetreibern gesprochen, um deren Expertise miteinzubeziehen, so Lemke auf eine Frage des AfD-Abgeordneten Dr. Rainer Kraft.

„Die Nutzung der Atomkraft nicht fortsetzen“

Der CSU-Abgeordneten Dr. Anja Weisgerber, die ihr den Verzicht auf die klimafreundliche Kernenergie vorgehalten hatte, erwiderte die Ministerin, die Abschaltung der letzten Atomkraftwerke zum Jahresende sei geltende Rechtslage, die von der früheren schwarz-gelben Bundesregierung beschlossen worden sei. „Wir sollten die Nutzung der Atomkraft nicht fortsetzen“, betonte Lemke.

Der Umweltausschussvorsitzende Christoph Ebner (Bündnis 90/Die Grünen) wies auf Risse in französischen Atomkraftwerken hin. Die Ministerin versicherte, man sei im Austausch mit Frankreich über die Sicherheit der Anlagen, vor allem in den Grenzregionen. Sie ließ keinen Zweifel daran, dass die Kraftwerksbetreiber in Deutschland die Sicherheit der noch verbliebenen Meiler gewährleisteten. Der SPD-Abgeordneten Jakob Blankenburg wies darauf hin, dass die Betreiber kein Interesse hätten, das wirtschaftliche Risiko über einen Streckbetrieb bis Mitte April 2023 hinaus zu tragen. Eine Haftungsübernahme für die Betreiber müsse sie ausschließen, sagte die Ministerin: „Das wäre kein Weg.“

Klimaschutzkonferenz und Artenschutzkonferenz

Steffi Lemke kündigte an, zur laufenden Weltklimaschutzkonferenz in Ägypten zu reisen, was den AfD-Abgeordneten Stephan Brandner nach dem CO2-Ausstoß der Reise fragen ließ. Die internationalen Konferenzen seien sinnvoll, trotz des negativen Klimabeitrags, entgegnete die Ministerin. Internationale Verständigung sei notwendig, wenn die Menschheit überleben wolle. Sie richtete den Blick auf die im Dezember anstehende Weltnaturschutzkonferenz im kanadischen Montreal.

Dem SPD-Abgeordneten Carsten Träger versicherte sie, die Bundesregierung werde das Thema globaler Gesundheit („One-health-Ansatz“) in Montreal adressieren. Schon heute seien Hitzewellen verstärkt eine Todesursache bei vulnerablen Gruppen.

Zoonosen und gefährdete Tierarten in Afrika

Prof. Dr. Armin Grau (Bündnis 90/Die Grünen) fragte nach der Bedeutung des Artenschutzes für die menschliche Gesundheit. Zoonosen, das Überspringen von Viren vom Tier auf den Menschen, seien eine extreme Bedrohung, betonte die Ministerin. Die Wissenschaft erwarte, dass diese künftig häufiger auftreten würden. Die weitere Naturvernichtung erhöhe das Risiko, deshalb brauche man Naturschutz und Artenschutz.

Nach einem möglichen Austritt Deutschlands aus dem Internationalen Rat zur Erhaltung der Jagd und des Wildes (International Council for Game and Wildlife Conservation), einer internationalen Nichtregierungsorganisation, erkundigte sich der FDP-Abgeordnete Dr. Christoph Hoffmann und wollte wissen, ob damit nicht einer neokolonialen Politik Vorschub geleistet würde. Lemke sagte, die Bundesregierung habe noch keine abschließende Meinung. Man wolle aber nicht aus Deutschland heraus den Eindruck erwecken, man wisse es besser, was den Schutz gefährdeter Tierarten angeht. Deutschland sei im Naturschutz in afrikanischen Staaten engagiert und werde sich positionieren.

Fließgewässer- und Grundwasserschutz

Ralph Lenkert, Abgeordneter der Linken, erkundigte sich nach dem Schutz von Süßwasserfischen. 55 Prozent der Arten seien vom Aussterben bedroht, zehn Arten bereits ausgestorben. „Wir werden erstmals Geld zur Hand haben, um bedrohte Fließgewässer zu schützen“, sagte die Ministerin. Für kleinere Wasserkraftwerke wolle man die Förderung nicht fortsetzen.

Lenkerts Fraktionskollege Matthias W. Birkwald fragte nach dem Grundwasserschutz. Die Wasserstrategie der Bundesregierung befinde sich in der Ressortabstimmung, sagte Lemke und kündigte einen Kabinettsbeschluss bis Mitte 2023 an.

Wolf und Weidetierhaltung

Der AfD-Abgeordnete Andreas Bleck und andere thematisierten das Ausmaß der Wolfspopulation und deren Nachteile für die Weidetierhalter. Lemke sagte, das Töten von Wölfen sei bereits erlaubt, wenn nachweislich Weidetiere gerissen worden sind. Sie nehme die Sorgen der Weidetierhalter ernst und habe sich dafür eingesetzt, dass diese eine Prämie erhalten. Der Herdenschutz vor Ort sollte ernst genommen werden, bekräftigte die Ministerin. Dem CDU-Abgeordneten Klaus Mack hielt sie entgegen, der Wolf sei streng geschützt. Man werde den Schutz von Großtieren in Afrika nicht einfordern können, „wenn wird den Wolf nicht weiterhin schützen“.

Aus Sicht des Grünen-Abgeordneten Dr. Jan-Niclas Gesenhues hat es die Union zu verantworten, dass die Weidetierhaltung zurückgegangen ist. Den Wolf dafür verantwortlich zu machen, sei populistisch. Lemke räumte ein, dass die ökonomische Situation der Weidetierhalter prekär sei, die Weidetierprämie bleibe daher ein wichtiges Element, um die ökonomische Basis zu erhalten und die Wanderschäferei zu unterstützen. Sie widersprach auch dem AfD-Abgeordneten Kraft, der behauptete, den Schafhaltern bleibe nur der Weg in die Illegalität und die Wölfe zu schießen. Es sei falsch, dass die Regierung zur Wilderei treibe: „Es muss möglich sein, darauf hinzuweisen, dass Herdenschutz betrieben wird.“ (vom/09.11.2022)

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