Gesundheitsetat schrumpft auf 22 Milliarden Euro
Der Bundestag hat am Donnerstag, 8. September 2022, in erster Lesung eineinhalb Stunden lang den Etatentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit erörtert. Der Einzelplan 15 des Bundeshaushalts 2023 (20/3100) umfasst Ausgaben von 22,06 Milliarden Euro gegenüber 64,36 Milliarden Euro in diesem Jahr. Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) kann mit Einnahmen von 104,17 Millionen Euro rechnen (2022: 104,52 Millionen Euro).
Minister kündigt Krankenpflegeentlastungsgesetz an
Bundesgesundheitsminister Lauterbach erklärte zu Beginn der Debatte die Schrumpfung des Gesundheits-Haushaltes von 64,36 Milliarden Euro auf nunmehr 22,06 Milliarden Euro mit der Erwartung, die Corona-Pandemie werde Deutschland im kommenden Jahr nicht mehr vor „teure und unlösbare Probleme“ stellen. In diesem Herbst sei noch mit Schwierigkeiten zu rechnen. „Darauf sind wir aber sehr gut vorbereitet“, betonte der Minister. Lauterbach kündigte zahlreiche Projekte zur Modernisierung des Gesundheitswesens an, die mit dem vorgelegten Haushalt verfolgt würden. Um die Pflege als Arbeitsplatz wieder interessanter zu machen, werde es ein Krankenpflegeentlastungsgesetz geben. Damit, so Lauterbach, werde der Pflegenotsituation entgegengewirkt.
Reformen seien auch mit Blick auf die Fallpauschalen bei Krankenhäusern angedacht. Bei Kinderkliniken würden diese Fallpauschalen komplett entfallen und das Prinzip der Kostendeckung greifen, sagte der Gesundheitsminister. Ökonomische Aspekte dürften keinen Einfluss auf die Therapieentscheidung haben, betonte er. Vorankommen wolle er auch bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens, wo Deutschland im europäischen Vergleich derzeit wie ein Entwicklungsland dastehe.
CDU/CSU fordert mehr Hausarztpraxen auf dem Land
„Ideenlos, kraftlos und mutlos“ sei der Haushaltsentwurf, befand Sepp Müller (CDU/CSU). Lauterbach, so seine Forderung, müsse aus dem Modus des Ankündigungsministers herauskommen und zum „Mach-Minister“ werden. „Verlassen Sie die Corona-Pandemie und kümmern Sie sich um unser Gesundheitssystem“, sagte Müller. Er kritisierte das Regierungsvorhaben, deutschlandweit 1.000 sogenannte Gesundheitskioske als Beratungsangebote für Patientinnen und Patienten in sozial benachteiligten Regionen aufbauen zu wollen. Stattdessen brauche es gerade im ländlichen Raum mehr Hausarztpraxen.
Der Unionsabgeordnete warf Lauterbach zudem vor, im Haushalt das Problem der seltenen Erkrankungen nicht abzubilden. Zu Multiple-Sklerose-Erkrankungen, der „Volkskrankheit Alzheimer“ aber auch der Zukunft der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung finde sich im Haushalt nichts.
Grüne: Regierung muss Fehler der Vorgänger ausbaden
Dr. Paula Piechotta (Bündnis 90/Die Grünen) verteidigte den Gesundheitsminister. Die jetzige Regierung müsse die Fehler der Vorgängerregierung ausbaden, sagte sie. Der ehemalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU/CSU) habe nicht aufs Geld geschaut. Dieses Geld fehle jetzt an allen Ecken und Kanten. Piechotta wies darauf hin, dass der Etat im Vergleich zu den Vorjahren zwar sinke, noch immer aber über dem Vorkrisenniveau liege.
Mit dem Haushaltsentwurf steige die Bundesregierung in die sogenannten Pandemie-Bereitschaftsverträge ein, sagte sie. Mit diesem neuen Instrument würden Herstellern hohe dreistellige Millionenbeträge an die Hand gegeben, damit sie Kapazitäten für die Impfstoffproduktion vorhalten, „falls es nochmals zu einer endemischen oder pandemischen Lage kommt“. Weitergeführt würden auch die Beratungs-Hotlines für Patienten – „eine Errungenschaft der Pandemie“, wie die Grünenabgeordnete sagte.
AfD kritisiert geplante Corona-Impfstoffkäufe
Mehr als zwei Milliarden Euro plane der Minister für neue Corona-Impfstoffkäufe, während vorhandene Überbestände vom Verfallsdatum bedroht seien, kritisierte Wolfgang Wiehle (AfD). Und das, wo doch andere Länder längst zur Normalität zurückgekehrt seien. „Deutschland wird immer mehr zum gesundheitspolitischen Geisterfahrer“, befand Wiehle.
Eine nachdenklich stimmende Konstante aber habe der Haushalt, so der AfD-Abgeordnete. Die Pharmaindustrie profitiere „mit zehnstelligen Beträgen“. Nicht nur durch die Impfstoffbeschaffung, sondern auch durch die angesprochenen Pandemie-Bereitschaftsverträge.
FDP nimmt die Bundesländer in die Pflicht
Karsten Klein (FDP) forderte die Bundesländer auf, Kosten, die der Bund im Rahmen der Corona-Krise übernommen habe, die aber in der Zuständigkeit der Länder lägen, künftig selbst zu stemmen.
Die Länder müssten die entsprechenden Strukturen aufbauen, ihre Gesundheitsämter auf Vordermann bringen und die Digitalisierung dort einführen. „Ich gehe davon aus, dass die Länder 2023, im Falle, dass es nochmal ernst wird, auf eigenen Füßen stehen“, sagte der FDP-Abgeordnete.
Klein machte auf Defizite der Länder im Bereich der Krankenhausinvestitionen aufmerksam. Der Bundesrechnungshof habe festgestellt, dass die Länder jährlich bis zu fünf Milliarden Euro zu wenig in die Krankenhäuser investierten, sagte er. Daher komme die Digitalisierung nicht voran und würden die Arbeitsbedingungen in den Krankenhäusern nicht verbessert.
Linke: Erhöhung der Krankenkassenbeiträge ist „Abzocke“
Dr. Gesine Lötzsch (Die Linke) warnte vor einer Erhöhung der Krankenkassenbeiträge. Das sei eine „dreiste Abzocke“, sagte sie. Die Alternative sei die Bürgerversicherung, über die die SPD nun schon seit 18 Jahren rede. „Wo bleibt sie“, fragte Lötzsch.
Zugleich kritisierte sie SPD und Grüne, vor der FDP in die Knie gegangen zu sein, als es um die Abschöpfung der „Traumgewinne“ der Pharmaindustrie während der Pandemie ging. „Das darf so nicht weitergehen.“ Positiv bewertete die Linken-Abgeordnete, dass ein erster Schritt zur Abschaffung der Fallpauschalen gegangen werden solle. Schlussendlich müssten diese aber generell abgeschafft werden.
SPD verweist auf Steigerung des Etats
Svenja Stadler (SPD) machte deutlich, dass der Umfang des aktuellen Haushalts über dem von 2019 – dem letzten Jahr vor Corona – liege.
„Die Steigerung um 6,8 Milliarden Euro zeigt, dass es uns wichtig ist, etwas zu verändern“, sagte Stadler. Gehandelt werden müsse dort, wo es notwendig ist.
Zuschuss an den Gesundheitsfonds
Zuweisungen und Zuschüsse bilden das Gros des Gesundheitsetats mit 20,26 Milliarden Euro (2022: 63,49 Milliarden Euro) vor den Investitionen mit 1,06 Milliarden Euro (2022: 82,17 Millionen Euro). Die „pauschale Abgeltung der Aufwendungen der Krankenassen für gesamtgesellschaftliche Aufgaben“, die Zuführung an den Gesundheitsfonds, umfasst wie in den Vorjahren 14,5 Milliarden Euro. Hinzu kommt allerdings ein ergänzender Bundeszuschuss von zwei Milliarden Euro. Neu eingestellt ist ferner ein überjähriges Darlehen an den Gesundheitsfonds von einer Milliarde Euro.
Dagegen entfallen im nächsten Jahr die Zahlungen des Bundes an den Gesundheitsfonds für Belastungen aufgrund der Sars-CoV-2-Pandemie, die in diesem Jahr noch 30,03 Milliarden Euro betragen.
Pflegevorsorge und Impfstoff-Beschaffung
Die Ausgaben für Pflegevorsorge und sonstige soziale Sicherung schlagen mit 1,08 Milliarden Euro zu Buche (2022: 3,28 Milliarden Euro. Darin enthalten ist wie 2022 die pauschale Beteiligung des Bundes an den Aufwendungen der sozialen Pflegeversicherung in Höhe von einer Milliarde Euro.
Für die Prävention und für die Gesundheitsverbände sind insgesamt 2,59 Milliarden Euro in den Etat eingestellt gegenüber 9,57 Milliarden Euro 2022. Darin enthalten sind Zuschüsse zur Bekämpfung des Ausbruchs des neuen Coronavirus in Höhe von 119,4 Millionen Euro (2022: 1,9 Milliarden Euro). Die Zuschüsse zur zentralen Beschaffung von Impfstoffen gegen Sars-CoV-2 summieren sich auf 2,03 Milliarden Euro (2022: 7,09 Milliarden Euro). (pk/vom/08.09.2022)