Parlament

Abschließende Beratungen ohne Aussprache

Der Bundestag hat am Donnerstag, 1. Dezember 2022, über eine Reihe von Vorlagen ohne Debatte abgestimmt: 

Energiesteuer: Gegen die Stimmen von AfD und Linke nahm der Bundestag einen von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf „zur Änderung des Energiesteuer- und des Stromsteuergesetzes zur Verlängerung des sogenannten Spitzenausgleichs“ (20/3872, 20/4343, 20/4639 Nr. 1) an. Der Finanzausschuss hatte zur Abstimmung eine Beschlussempfehlung (20/4694) und der Haushaltsausschuss einen Bericht gemäß Paragraf 96 der Geschäftsordnung zur Finanzierbarkeit (20/4743) vorgelegt. Angesichts der hohen Preise sollen die rund 9.000 energieintensiven Unternehmen um rund 1,7 Milliarden Euro entlastet werden. Unternehmen, die von diesem Spitzenausgleich profitieren, sollen nach den Vorgaben des Entwurfs Maßnahmen ergreifen, um den Verbrauch der Energie zu reduzieren. In dem Gesetzentwurf heißt es, durch die Verlängerung werde die Energiepreissteigerung gedämpft, einer weiter zunehmenden Inflation entgegengewirkt und damit die Wettbewerbsfähigkeit energieintensiver und im internationalen Wettbewerb befindlicher Unternehmen des produzierenden Gewerbes in Deutschland weiterhin gewährleistet. Auf einen konkreten Wert zur Erreichung des Ziels zur Reduzierung der Energieintensität des produzierenden Gewerbes soll für das Jahr 2023 verzichtet werden. Es habe in früheren Jahren eine deutliche Übererfüllung des Zielwerts gegeben. Jetzt sei davon auszugehen, dass die Wirtschaft in emissionsarme Techniken und Energieeffizienz investiert habe. Die CDU/CSU legt darüber hinaus einen Entschließungsantrag (20/4696) zu dem Gesetzentwurf vor, der abgestimmt werden soll. Darin fordert die Fraktion unter anderem die Bürgerinnen und Bürger sowie die Wirtschaft mit den Mitteln aus dem EEG Förderkonto bei den Stromkosten zu entlasten. Keine Mehrheit fanden hingegen ein Änderungsantrag der AfD-Fraktion (20/4697), der unter anderem eine Steuerentlastung durch den Spitzenausgleich im Rahmen einer Gesamtstrategie bis mindestens 2025 forderte und ein Entschließungsantrag der Unionsfraktion (20/4696). Beide Vorlagen wurde mit den Stimmen aller übrigen Fraktionen abgelehnt. 

Statistikregister: Mit den Stimmen aller Fraktionen außer der Linken, die sich enthielt, stimmte das Parlament darüber hinaus einem Gesetzentwurf zur „Änderung des Statistikregistergesetzes und weiterer Gesetze“ in der Ausschussfassung zu (20/4225), den die Bundesregierung eingebracht hatte. Der Wirtschaftsausschuss hatte eine Beschlussempfehlung zur Abstimmung (20/4698) vorgelegt. Durch EU-Vorgaben der sogenannten EBS-Verordnung (European Business Statistics) sind Anpassungen des Statistikregistergesetzes (StatRegG) sowie des Verwaltungsdatenverwendungsgesetzes (VwDVG) notwendig geworden, schreibt die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf. Der Entwurf sieht zudem vor, Anpassungen am Gesetz über die Preisstatistik (PreisStatG), am Bundesstatistikgesetzes (BStatG) sowie am Unternehmensbasisdatenregistergesetzes (UBRegG) vorzunehmen. Bislang würden im StatRegG ausschließlich die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten aus dem Unternehmensregister übermittelt. Mit der Änderung des Gesetzes sollen künftig auch die Zahlen zu den abhängig Beschäftigten und den geringfügig entlohnten Beschäftigten übermittelt werden können. „Die vollständige Abbildung aller Beschäftigungsverhältnisse ist für die Beobachtung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung von Städten und Gemeinden von zentraler Bedeutung“, heißt es im Entwurf.

Telematik-Infrastruktur: Auf Grundlage einer Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses (20/4701) lehnte der Bundestag einen AfD-Antrag mit dem Titel „Neubewertung der Notwendigkeit des Austausches der Konnektoren zur Anbindung an die Telematik-Infrastruktur wegen Ablauf des Krypto-Zertifikats“ (20/4322) ab. Derzeit seien rund 130.000 Kliniken und Arztpraxen in Deutschland an die Telematik-Infrastruktur angeschlossen, deren Krypto-Zertifikate in diesem beziehungsweise den nächsten Jahren ausgetauscht werden müssten, hieß es in dem Antrag. Die Kosten dafür würden mit bis zu 300 Millionen Euro angesetzt. Da für die Anbindung an die TI 2.0 ab 2025 keine Konnektoren mehr notwendig seien, stelle sich die Frage, ob tatsächlich alle Konnektoren ausgetauscht werden müssten oder ob die Krypto-Zertifikate kostengünstig verlängert werden könnten. Die zuständige Gematik GmbH solle nach Ansicht der Abgeordneten zu einer Neubewertung der Situation und einer Alternativprüfung zum Konnektorentausch veranlasst werden.

Impfung: Ebenfalls gegen das Votum der Antragsteller wies das Parlament zwei Anträge der AfD zurück, mit denen die Fraktion zum einen die „einrichtungsbezogene Impfpflicht gegen Covid-19 aufheben“ will (20/1507) und zum anderen „Impfnebenwirkungen aufklären und ernst nehmen“ (20/2567) möchte. Der Gesundheitsausschuss hatte zur Abstimmung eine Beschlussempfehlung abgegeben (20/4429).

Agrardieselrückerstattung: Keine Mehrheit fand auch ein weiterer AfD-Antrag mit dem Titel „Spürbare Entlastung der heimischen Landwirtschaft durch eine Verdopplung der Agrardieselrückerstattung“ (20/3699). Demnach solle der Betrag von derzeit 21,48 Cent/Liter auf 42,96 Cent/Liter steigen, die Maßnahme solle auf zwei Jahre befristet sein. Zur Begründung heißt es, dass „die seit mehr als einem Jahr massiv steigenden landwirtschaftlichen Betriebsmittekosten, insbesondere für Energie, Dünge- und Futtermittel, zu Liquiditäts- und Cashflow-Problemen im Agrarsektor führen“. Der völkerrechtswidrige Krieg Russlands gegen die Ukraine habe starke Auswirkungen auf die internationalen Agrarmärkte, verursache weltweite Lebensmittelverknappung sowie eine drohende Hungersnot in der Welt. Die Sicherung der heimischen Produktion und von bezahlbaren Lebensmitteln sei daher von enormer Wichtigkeit für die Bundesrepublik Deutschland und trage zur globalen Problemlösung bei. Auf Grundlage einer Beschlussempfehlung des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft (20/3985) lehnten alle übrigen Fraktionen die Vorlage ab.

Petitionen: Das Parlament stimmte darüber hinaus Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses zu Petitionen zu, die beim Bundestag eingegangen und vom Petitionsausschuss beraten worden waren. Es handelte sich um die Sammelübersichten 202 bis 2011 (20/460220/460320/460420/460520/460620/460720/460820/460920/461020/4611).

Petition zur Mietschuldenfreiheitsbescheinigung

Darunter befand sich auch eine Petition mit der Forderung nach einem gesetzlichen Anspruch auf Erhalt einer Mietschuldenfreiheitsbescheinigung. Dazu soll aus Sicht des Petenten in das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) ein Anspruch des Mieters aufgenommen werden, vom Vermieter eine Mietschuldenfreiheitsbescheinigung verlangen zu können. In der Begründung zu der öffentlichen Petition (ID 127209) wird darauf verwiesen, dass Vermieter von ihren Wohnungsbewerbern eine solche Bescheinigung verlangen würden. Der bisherige Vermieter sei aber zu deren Ausstellung aktuell nicht verpflichtet. Zur Gewährung der Freizügigkeit im Bundesgebiet nach Artikel 11 Grundgesetz sei es notwendig, eine solche Bescheinigung für Bewerbungszwecke vorzuweisen, weil Arbeitsverträge und Kontoauszüge keine hinreichende Auskunft gäben, ob vom Mieter eine Mietminderung erklärt worden sei, heißt es in der Eingabe.

Die vom Petitionsausschuss in der Sitzung am 23. November 2022 verabschiedete Beschlussempfehlung an den Bundestag sieht nun vor, die Petition dem Bundesministerium der Justiz (BMJ) mit dem zweithöchsten Votum „zur Erwägung“ zu überweisen. Den Verfahrensgrundsätzen des Petitionsausschusses zu Folge bedeutet die Erwägungsüberweisung, dass die Petition „Anlass zu einem Ersuchen an die Bundesregierung gibt, das Anliegen noch einmal zu überprüfen und nach Möglichkeiten der Abhilfe zu suchen“.

Bundesgerichtshof lehnt generelle Verpflichtung ab

Wie der Petitionsausschuss in der Begründung zu seiner Beschlussempfehlung schreibt, können Vermieter und Mieter die Erteilung einer Mietschuldenfreiheitsbescheinigung bereits im Mietvertrag vereinbaren. Falls das nicht erfolgt sei, sich aber in einem Gebiet eine Verkehrssitte - also ein ganz allgemein am örtlichen Wohnungsmarkt praktiziertes Verfahren der Erteilung einer Mietschuldenfreiheitsbescheinigung - herausgebildet haben, sei die Erteilung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als vertragliche Nebenpflicht anzusehen. Die generelle Verpflichtung zur Erteilung einer Mietschuldenfreiheitsbescheinigung überschreite nach der Auffassung des Bundesgerichtshofs jedoch den Rahmen dessen, „was dem Vermieter billigerweise an Rücksichtnahme auf die Interessen des Mieters zuzumuten ist“, heißt es in der Vorlage.

Ungeachtet dessen unterstreichen die Abgeordneten „mit Nachdruck“, dass in Regionen mit angespannten Wohnungsmärkten, wie dies insbesondere, jedoch nicht ausschließlich in den Ballungsräumen der Fall ist, „der Abschluss eines Mietvertrages ohne Vorlage einer Mietschuldenfreiheitsbescheinigung faktisch unmöglich ist“. Selbst Personen mit höheren Einkommen in diesen Regionen werde zumeist noch nicht einmal die Möglichkeit gegeben, ohne Vorlage einer Mietschuldenfreiheitsbescheinigung eine Wohnung zu besichtigen. Aus diesem Grund hält es der Petitionsausschuss zur Wahrung einer Ausbalancierung der Vermieter- und Mieterinteressen für erforderlich, eine generelle Pflicht des Vermieters auf Erteilung einer Mietschuldenfreiheitsbescheinigung gesetzlich einzuführen. Dies müsse für den Mieter kostenlos erfolgen, heißt es in der Begründung.

(irs/hau/ste/01.12.2022)

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