Aktuelle Stunde

Fraktionen bewerten Proteste in China und die deutsche China-Politik unterschiedlich

Abgeordnete verschiedener Fraktionen im Bundestag haben ihre Solidarität mit den Protesten in China ausgedrückt und sich gegen die rigide Pandemie-Politik der Kommunistischen Partei gewandt. In einer Aktuellen Stunde mit dem Titel „Proteste in China und deutsche Chinapolitik“, die auf Verlangen der Koalitionsfraktionen am Mittwoch, 30. November 2022, auf die Tagesordnung gesetzt wurde, kamen Vertreter von SPD, Grünen und FDP sowie der Union auf die Grenzen von autoritären Systemen und Diktaturen zu sprechen und traten für die Verringerung von Abhängigkeiten von China ein. Die Kritik von AfD und Linken richtete sich gegen den Umgang mit der Pandemie hierzulande.

Grüne: China ist auf Dauer kein verlässlicher Markt mehr

Jürgen Trittin (Bündnis 90/Die Grünen) bezeichnete Chinas „Zero Covid“-Politik als gescheitert: „Es sind zu wenige Menschen geimpft, und gegen Omikron hilft es eben nicht wegzusperren.“ Die Ursachen der Unzufriedenheit, die sich in den Protesten artikuliere, reichten aber viel tiefer: Eine Immobilienblase sei geplatzt, Lieferketten seien gestört, das Wirtschaftswachstum schwach, Millionen Wanderarbeiter und ein Fünftel der Jugendlichen Chinas arbeitslos.

All das zeige, dass China auf Dauer kein verlässlicher Markt mehr sei und Deutschland seien Abhängigkeiten verringern müsse, sagte Trittin.

CDU/CSU: Es fehlt eine kohärente Chinapolitik

Für Dr. Johann David Wadephul (CDU/CSU) zeigten die Proteste, dass „dieses Regime auf tönernen Füßen“ stehe. Der Bundesregierung fehle in dieser Situation eine kohärente Chinapolitik, wie die Reise von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach Peking gezeigt habe: „Eine Reise der verpassten Chancen, des Weiter-so, eine Reise des Business as usual.“

China verändere sich im Augenblick massiv, wandle sich zu einem diktatorischen System, das internationale Regeln nicht achte. Scholz erkenne die Zeichen der Zeit nicht, kritisierte Wadephul: Statt für mehr Unabhängigkeit von China zu sorgen, ermögliche der Kanzler dem chinesischen Staatskonzern Cosco eine Beteiligung an kritischer Infrastruktur im Hamburger Hafen.

SPD: Menschen werden eingesperrt, überwacht, drangsaliert

Dagmar Schmidt (SPD) wies darauf hin, dass in China so viele Menschen protestierten wie seit 1989 nicht mehr: Sie wendeten sich gegen eine Corona-Politik, „die keine Exitstrategie hat, die Menschen einsperrt, überwacht, drangsaliert“. Schmidt erinnerte daran, dass bereits zu Beginn der Covid-Pandemie die Systemfrage gestellt worden sei, China anfangs von der Weltgesundheitsorganisation noch Erfolge bei der Eindämmung attestiert wurden.

Die chinesische Führung habe aber auch dann noch an der eigenen „Überlegenheitserzählung“ festgehalten, als das Virus mutierte und sich die eigenen Impfstoffe als weniger wirksam erwiesen als westliche.

AfD kritisiert die Corona-Politik

Jürgen Braun (AfD) warf der Bundesregierung und der Vorgängerregierung vor, sich in der Pandemie so verhalten zu haben, wie es die KP Chinas nach wie vor tue – mit rigiden Verboten und der Verbreitung von Angst.

Kritiker dieser Zustände seien als „Aluhüte“ und „Rechtextremisten“ diffamiert und bekämpft worden. „Nahezu alle von Ihnen haben mitgemacht“, sagte Braun und wandte sich an die übrigen Fraktionen. „Wogegen sich jetzt mutige Chinesen wenden, wurde hier jahrelang praktiziert.“

FDP: Diktaturen scheitern an ihren Ansprüchen

Alexander Graf Lambsdorff (FDP) sagte, dass sich in China ebenso wie in Russland und im Iran zeige, dass Diktaturen am Anspruch scheiterten, „ihren Bürgerinnen und Bürgern eine besseres Leben in Freiheit, Wohlstand und Würde zu garantieren“ – im Gegensatz zu dem von ihnen „so geschmähten und angeblich verachteten Westen“.

In der Geschichte gebe es kein Gesellschaftsmodell, das die Unverletzbarkeit der menschlichen Würde in so hohem Maß gewährleiste wie die freiheitliche Demokratie.

Linke kritisierte Doppelmoral

Sevim Dagdelen (Die Linke) kritisierte hingegen ein Doppelmoral, bei der Deutschland inzwischen eine „weltmeisterliche Spitzenposition“ einnehme: Während hierzulande nach Lockdowns, Schulschließungen und Impfpflichten gerufen worden sei und die Proteste dagegen unisono als rechts oder als „Schwurbler“ denunziert worden seien, würden nun alle diejenigen, die in China gerechtfertigt gegen die strenge Zero-Covid-Politik protestierten, zu „Freiheitskämpfern“ erhoben. (ahe/30.11.2022)

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