Die AfD-Fraktion fordert die Bundesregierung auf, eine Friedensinitiative mit Sicherheitsgarantien für die Ukraine und Russland zu ergreifen – stößt mit ihrem Antrag (20/5551) im Bundestag aber auf verbreitete Ablehnung. In einer von Zwischenfragen, Kurzinterventionen und Ordnungsrufen geprägten turbulenten Debatte warfen die übrigen Fraktionen der AfD am Donnerstag, 9. Februar 2023, vor, sich zum Sprachrohr der russischen Seite und ihrer Aggression gegenüber der Ukraine zu machen. Nach der Aussprache überwiesen die Abgeordneten den Antrag in die Ausschüsse. Die Federführung bei den Beratungen übernimmt der Auswärtige Ausschuss.
AfD fordert Abkehr von militärischer Logik
Dr. Alexander Gauland (AfD) bemängelte, dass die westliche Annahme, Russland sei zu Verhandlungen nicht bereit, nie einem ernsthaften Test unterzogen worden sei. Es sei aber Zeit, dies endlich zu tun, „statt auf einer schiefen Ebene immer stärker in Richtung eines europäischen Krieges oder gar einer atomaren Auseinandersetzung zu rutschen“.
Gauland forderte eine Abkehr von der militärischen Logik: „Weg von einem Sieg der einen und der Niederlage der anderen Seite.“
SPD wirft AfD Verlogenheit vor
Dr. Ralf Stegner (SPD) nannte den AfD-Antrag eine „schlechte Trump-Kopie mit dem Slogan ‚Unser Land zuerst‘“. Dass sich ausgerechnet die AfD als Friedenspartei inszeniere, sei „verlogen und perfide“: Ihre Vertreter seien Gast des Lukaschenko-Regimes in Belarus und träten in russischen Propaganda-Talkshows auf, in denen ungeniert zum Mord an der deutschen Außenministerin aufgerufen werde.
„Eine rechtsradikale Partei braucht uns nichts zu erzählen über Frieden“, sagte Stegner. „Frieden ohne Demokratie und ohne Freiheit endet auf Soldatenfriedhöfen. Das ist die Lehre des 20. Jahrhunderts.“
Union nennt Antrag eine „Anmaßung“
Knut Abraham (CDU/CSU) nannte den Antrag eine „Anmaßung“, mit Verantwortung für Europa habe er nichts zu tun. Er enthalte „kein Wort des Mitgefühls“ mit den Opfern des russischen Angriffskrieges, selbst die Völkerrechtswidrigkeit der Aggression werde relativiert und vernebelt, der EU die Schuld an diesem Krieg unterstellt.
Es brauche den „Friedensplan“ der AfD nicht, denn es gebe bereits einen, so Abraham: „Die Charta von Paris“ von 1990 und „das Budapester Memorandum“ von 1994. „Diese Verträge gelten.“ Aus dem Papier der AfD sprächen „Putins Moskau und dessen Berliner Hilfstruppen“.
Grüne: Gerechter Frieden setzt Wehrhaftigkeit voraus
Jürgen Trittin (Bündnis 90/Die Grünen) warf den Antragstellern „Geschichtsvergessenheit“ und Umkehrung der Tatsachen vor, wenn sie behaupteten, Deutschland stelle sich mit Panzerlieferungen an die Ukraine in die Tradition des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg. Wo habe im vergangenen Jahr „denn der Angriffskrieg stattgefunden?“
Trittin argumentierte, dass ein „gerechter Frieden“ mehr bedeute als die „Abwesenheit von Krieg“ und „Wehrhaftigkeit“ mit voraussetze. „Es ist notwendig, die Ukraine so auszustatten, dass sie nicht von einem imperialistischen Aggressor in der Tradition von Eroberungskriegen überrannt wird.“
Linke: Deutschland macht sich zunehmend zur Kriegspartei
Auch Ali Al-Dailami (Die Linke) wandte sich gegen den Antrag der AfD. Eine Partei, die den Nationalsozialismus als „Vogelschiss der Geschichte“ bezeichnet habe, sollte die Worte Frieden und historische Verantwortung nicht in den Mund nehmen.
Al-Dailami kritisierte andererseits die Bundesregierung für ihren Fokus auf eine „rein militärische Logik“. Deutschland mache sich mit Waffenlieferungen und Ausbildung ukrainischer Soldaten zunehmend zur Kriegspartei, „und das nenne ich verantwortungslos“.
FDP: Russland lässt kein Interesse an „Frieden auf Augenhöhe“ erkennen
Ulrich Lechte (FDP) befand, dass Russland kein Interesse an einem „Frieden auf Augenhöhe“ erkennen lasse. „Die Russische Föderation beschießt die Kraftwerke, bombardiert Krankenhäuser und zerstört die Wohnungen jener Menschen, die von Moskau immer als historisches Brudervolk bezeichnet wurden.“
Wenn Russland so mit seinen vermeintlichen Freunden umgehe, könne man sich vorstellen, wie es mit seinen vermeintlichen Gegnern verfahren werde, „falls Putin diesen Krieg gewinnt“.
Antrag der AfD
Die Bundesregierung wird in dem AfD-Antrag aufgefordert, „sich mit Nachdruck für die Entsendung einer internationalen Friedensdelegation unter Leitung eines Repräsentanten der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) nach Kiew und Moskau einzusetzen und mit beiden Seiten einen sofortigen Waffenstillstand zu vereinbaren“.
Angestrebt werden solle eine Feuerpause für die Dauer von mindestens 90 Tagen, eine zeitnahe Entflechtung der beteiligten Truppen in einem Streifen von 30 Kilometern sowie die Überwachung von Feuerpause und Truppenentflechtung durch die OSZE.
Privilegierte EU-Partnerschaft für die Ukraine
Als Komponenten für ein Friedensabkommen bringt die AfD unter anderem die Schaffung von Mandatsgebieten der Vereinten Nationen in den vier Oblasten Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson ins Spiel sowie einen „schrittweisen Rückzug der russischen Streitkräfte aus dem ukrainischen Staatsgebiet auf den Stand vor dem 24. Februar 2022 bei gleichzeitiger schrittweiser Reduzierung der militärischen Unterstützung für die Ukraine seitens der EU-Mitgliedsstaaten, Großbritanniens und den USA sowie die schrittweise Aufhebung der gegen die Russische Föderation gerichteten Sanktionen“.
Angestrebt werden solle schließlich eine privilegierte EU-Partnerschaft für die Ukraine, „unter der gleichzeitigen Bedingung, dass die Ukraine kein Nato- und kein EU-Mitglied wird. Außerdem sollten auf dem Staatsgebiet der Ukraine keine Atomwaffen gelagert, Raketen oder ausländische Truppen stationiert werden“. (ahe/09.02.2023)