Geschichte

Vor 60 Jahren: Bundestag ratifiziert den Élysée-Vertrag

Bundeskanzler Konrad Adenauer während seiner Rede vor dem Bundestag am 16.05.1963 in Bonn.

Bundeskanzler Konrad Adenauer während seiner Rede vor dem Bundestag am 16. Mai 1963 in Bonn. (picture alliance / Kurt Rohwedder)

Vor 60 Jahren, am Donnerstag, 16. Mai 1963, ratifizierte der Bundestag den Vertrag über die deutsch-französische Zusammenarbeit, den sogenannten Élysée-Vertrag. Mit großer Mehrheit nahm das Parlament den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf „zu der Gemeinsamen Erklärung und zu dem Vertrag vom 22. Januar 1963 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über die deutsch-französische Zusammenarbeit“ (4/1157, 4/1252) an.

Damit besiegelten die einstigen „Erbfeinde“ ihre Aussöhnung, legten den Grundstein für ihre Freundschaft – und für den dauerhaften Frieden in Europa. Der Abstimmung über das Ratifikationsgesetz war im Plenum eine allgemeine Aussprache vorausgegangen, in der Abgeordnete die Bedeutung der freundschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Nachbarländern betonten und auch Bundeskanzler Dr. Konrad Adenauer (1876-1967, CDU) das Wort ergriff. 

„Unerlässlicher Schritt für vereinigtes Europa“

Der Vertrag gilt als Meilenstein in der deutsch-französischen Verständigungspolitik nach dem Zweiten Weltkrieg. In der von Adenauer und dem französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle (1890-1970, UNR) im Pariser Élysée-Palast unterzeichneten einleitenden Erklärung heißt es, die Versöhnung zwischen dem deutschen und dem französischen Volk stelle „ein geschichtliches Ereignis“ dar, das ihr Verhältnis zueinander von Grund auf neugestalte. Die Verstärkung der Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern bedeute „einen unerlässlichen Schritt auf dem Wege zu dem vereinigten Europa“, welches das Ziel beider Völker sei.

Das Abkommen selbst forderte außer regelmäßigen Treffen von Regierungsvertretern beider Länder und Absprachen für eine möglichst gemeinsame Außen, Europa- und Verteidigungspolitik auch ein deutsch-französisches Austauschwerk für Jugendliche.

Einwände im Auswärtigen Ausschuss

Dem Élysée-Vertrag ging eine Reihe wichtiger Annäherungsschritte zwischen Deutschland und Frankreich voraus, die mit dem sogenannten Schuman-Plan 1950 begonnen hatten. Adenauers Annäherung an Frankreich fand dabei innenpolitisch nicht nur Anhänger: Manche Abgeordnete betrachteten das Zweierbündnis als Gefahr für multilaterale Verträge und zeigten sich besorgt um die atlantische Partnerschaft und die europäische Zusammenarbeit.

Auch im Auswärtigen Ausschuss äußerten Parlamentarier ihre Einwände, wie aus einem Bericht hervorgeht, den das Gremium zu dem Ratifikationsgesetz der Bundesregierung einbrachte. Die Bedenken entstünden in erster Linie aus der Frage, ob das Vertragswerk mit den Verpflichtungen der Bundesrepublik aus den Verträgen über die Europäischen Gemeinschaften und die Nato zu vereinbaren sei, hieß es darin.

„Die Verträge bleiben unberührt“

Auf Vorschlag des Ausschusses beschlossen die Abgeordneten des Bundestages deshalb, die Einleitung der Gesetzesvorlage um eine Präambel zu ergänzen und darin die Bedeutung der Beziehungen mit den USA, Großbritannien und der Nato zu bekräftigen. In der Plenardebatte vor der Abstimmung stellte Berichterstatter Dr. Hans Furler (CDU/CSU) klar: „Diese Präambel befasst sich zunächst – das darf nie außeracht gelassen werden, bei aller Diskussion – mit dem Kernpunkt, nämlich mit der Aussöhnung, der Freundschaft, der Zusammenarbeit mit Frankreich als dem grundlegenden, entscheidenden Ziel dieses Vertrages.“

Daneben, so Furler weiter, beschäftige sie sich allgemein mit der Frage, ob das Abkommen mit früher geschlossenen multilateralen Verträgen vereinbar sei. Er betonte: „Die Präambel besagt: Diese Verträge bleiben unberührt.“ Bundeskanzler Adenauer merkte seinerseits an, es habe „niemals jemand von uns daran gedacht, dass der deutsch-französische Vertrag die in der Präambel genannten Verträge irgendwie beeinträchtigen solle“.

Große Zustimmung im Parlament

Während seiner Rede zeigte sich der Kanzler optimistisch, dass das Ratifikationsgesetz seiner Regierung auf große Zustimmung im Parlament stoßen werde. Nur wenn der Vertrag „von der ganz großen Mehrheit“ des Bundestages getragen werde, „können wir erwarten, dass dieser Vertrag die Wirkungen haben wird, die wir von ihm erhoffen und die in eine weite, weite Zukunft hineinreichen sollen“, so Adenauer.

Er sollte Recht behalten und der Entwurf nach der Debatte „gegen einige Stimmen bei einigen Enthaltungen mit sehr großer Mehrheit angenommen“ werden, wie Bundestagsvizepräsident Dr. Jaeger das Abstimmungsergebnis zusammenfasste. (irs/16.05.2023)

Marginalspalte