Aktuelle Stunde

Aussprache zur Reform des Staats­angehörig­keitsrechts

Der vom Bundesinnenministerium veröffentlichte Gesetzentwurf zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts in Deutschland ist am Donnerstag, 25. Mai 2023, in einer Aktuellen Stunde des Bundestages bei der CDU/CSU- wie bei der AfD-Fraktion auf klare Ablehnung gestoßen. Vertreter der Koalitionsfraktionen wiesen in der Debatte ebenso wie Ressortchefin Nancy Faeser (SPD) die Kritik an den Plänen mit Nachdruck zurück, während Die Linke trotz grundsätzlicher Zustimmung zu dem Reformvorhaben Nachbesserungsbedarf anmeldete.

Faeser wirbt für Akzeptanz von Mehrstaatigkeit

Dem Gesetzentwurf zufolge soll unter anderem Mehrstaatigkeit zugelassen werden und eine Einbürgerung in der Regel nach einem Aufenthalt von fünf statt bisher nach acht Jahren möglich sein, bei besonderen Integrationsleistungen auch nach drei Jahren. Faeser betonte, dass sich derzeit nur ein Bruchteil der Einbürgerungsberechtigten auch tatsächlich einbürgern lasse. Ein Grund dafür sah die Ressortchefin darin, dass Deutschland verlange, sich bei einer Einbürgerung für eine Staatsangehörigkeit zu entscheiden. Es sei daher „höchste Zeit“, dass Deutschland ebenso wie die überwiegende Zahl der EU-Staaten Mehrstaatigkeit akzeptiere. 

Sie hob zugleich hervor, dass mehr als zehn Millionen Menschen in der Bundesrepublik nicht über die deutsche Staatsangehörigkeit verfügten. Mehr als die Hälfte davon lebe bereits seit mehr als zehn Jahren in Deutschland, arbeitete hier, zahle hier Steuern und sei hier zuhause, aber könne sich nicht an politischen Entscheidungsprozessen beteiligen. Dies sei „nicht gut für unsere Demokratie“.

„Meilenstein hin zu modernem Einwanderungsland“

Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Benjamin Strasser (FDP), wertete die Reform als „echten Meilenstein hin zu einem modernen Einwanderungsland“. Künftig werde der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit schneller gehen, aber teilweise auch schwieriger werden.

Wer sehr gute Sprachkenntnisse habe oder sich ehrenamtlich besonders engagiere, solle schon nach drei Jahren eingebürgert werden können. Eine Einbürgerung solle aber nur dann möglich sein, wenn die Menschen von ihrer eigenen Arbeit leben können. Der Bezug von Sozialleistungen solle eine Einbürgerung im Regelfall ausschließen.  

Union: Weitere Anreize für ungesteuerte Zuwanderung

Andrea Lindholz (CDU/CSU) kritisierte, die Regierung lege mitten in einer „schweren Migrationskrise“ einen Gesetzentwurf vor, der die Voraussetzungen für die Einbürgerung absenke und weitere Anreize für eine ungesteuerte Zuwanderung schaffe. Auch müsse eine Einbürgerung am Ende einer gelungenen Integration stehen und nicht am Anfang.

Entschieden wandte sich Lindholz gegen die von der Ampelkoalition geplante generelle Zulassung des „Doppelpasses“. „In einer Zeit, in der weniger als die Hälfte der Weltbevölkerung in Demokratien lebt, ist der generelle Doppelpass nicht modern“, argumentierte sie. Modern wäre hingegen, „mit Staaten, die unsere grundlegenden Werte teilen, gegenseitig die Akzeptanz der doppelten Staatsangehörigkeit zu vereinbaren“.

Grüne: Stärkt Deutschland als attraktives Einwanderungsland

Filiz Polat (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, die Einbürgerungsquote in Deutschland liege im EU-Durchschnitt im unteren Drittel. Mit der Verkürzung der Einbürgerungsfristen folge man einem internationalen Trend. Wer die Voraussetzungen erfülle, solle sich auch früher einbürgern lassen können. Dies stärke auch Deutschland als attraktives Einwanderungsland.

Mit der Reform werde auch die Lebensleistung der Generation der sogenannten Gastarbeiter und Vertragsarbeiter gewürdigt, indem ihre Einbürgerung erleichtert werde. Dies sei ein „längst überfälliger Schritt“. Polat mahnte zugleich, die Reform dürfe beispielsweise nicht Alleinerziehende überproportional schlechter stellen. Daher wolle ihre Fraktion in den Beratungen „aus einem guten ein noch besseres Gesetz“ machen.

AfD warnt vor „Verramschung der Staatsbürgerschaft“

Dr. Gottfried Curio (AfD) monierte, trotz einer „Rekordzuwanderung“ setze die Regierungskoalition mit ihrem Reformvorhaben „neue Anreize“. So solle die deutsche Staatsangehörigkeit „samt allen Aufenthalts- und Anspruchsrechten“ schon nach fünf oder drei Jahren erworben werden können, obwohl sie „allenfalls Abschluss einer gelungenen Integration“ sein dürfe.

Von der Ampel werde aber der „Preis für etwaige Anstrengungen vorab verschleudert“. Dies sei der falsche Weg. Dabei wollten zwei Drittel der Deutschen keine Vereinfachung der Einbürgerung. Mit einer „noch früheren Verramschung der Staatsbürgerschaft“ solle fehlende Integration vertuscht und Statistiken „frisiert“ werden.  

Linke fordert Rücknahme von Verschärfungen

Gökay Akbulut (Die Linke) begrüßte, dass im Gesetzentwurf Mehrstaatigkeit grundsätzlich akzeptiert und die Wartezeiten verkürzt würden. Sie bemängelte zugleich, dass die Einbürgerungsvoraussetzung, selbst für seinen Lebensunterhalt aufkommen können zu müssen, mit dem Entwurf „drastisch verschärft“ werde.

Bisher sei ein unverschuldeter Bezug von Transferleistungen kein Hindernis bei der Einbürgerung gewesen. Solche Ausnahmen würden mit dem Entwurf bis auf wenige Ausnahmen zusammengestrichen. Es dürfe aber nicht sein, dass eine Einbürgerung „abgelehnt wird, weil jemand alleinerziehend ist und deshalb auf Transferleistungen angewiesen ist“. Solche Verschärfungen müssten zurückgenommen werden.             

SPD: Doppelte Staatsbürgerschaft nichts Außergewöhnliches

Hakan Demir (SPD) unterstrich, dass die doppelte Staatsbürgerschaft schon jetzt nichts Außergewöhnliches sei. So sei im vergangenen Jahr bei 69 Prozent der Fälle Mehrstaatigkeit bereits akzeptiert worden.

Jetzt gehe es um die Ausnahmen, die man abschaffen wolle, und es würde in der Gesellschaft auch nicht verstanden, dies bei den restlichen 30 Prozent nicht zu machen.

FDP verweist auf Arbeitskräftemangel

Konstantin Kuhle (FDP) wandte sich gegen Kritik, dass die Reform zu mehr Einwanderung nach Deutschland führen könne. Der Arbeitskräftemangel in der Bundesrepublik sei „mit Händen zu greifen“, und „natürlich brauchen wir Menschen, die in den Arbeitsmarkt einwandern“, betonte er.

Die Reform sende das Signal aus, das man in Deutschland „mit Fleiß und Arbeit“ auch schneller dazugehören könne. Dies sei „genau der richtige Weg“.  (sto/25.05.2023)

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