Pistorius: Dauerhaft zwei Prozent für Verteidigung sind gut angelegt
Die Bundesregierung steht nach den Worten von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) der Ukraine so lange „unverrückbar“ zur Seite, wie dies nötig ist. In der Regierungsbefragung des Bundestages am Mittwoch, 24. Mai 2024, betonte der Minister aber auch, dass die eigene Sicherheit verteidigt werden müsse. Gebraucht werde eine einsatzfähige Bundeswehr, in die investiert werden müsse und die Personal gewinnen müsse. Das werde Geld kosten.
Mit dem Sondervermögen sei bereits eine wichtige Weiche gestellt, doch reiche das nicht. Man werde dauerhaft mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausgeben müssen: „Das ist gut angelegtes Geld.“ Das Beschaffungswesen müsse beschleunigt, die Personalgewinnung und -entwicklung überprüft werden, sagte Pistorius. Die Bundeswehr leiste großartige Arbeit, was sie zuletzt bei der Evakuierungsmission im Sudan bewiesen habe. Sie brauche den Rückhalt des Parlaments.
Lauterbach: Ukraine-Hilfe und Pflegekräfte-Mangel
Neben dem Verteidigungsminiser stellte sich auch Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) den Fragen der Abgeordneten. Er verwies darauf, dass der Ukraine mit Prothesen, der Versorgung von Schwerstverletzten und bei der Chirurgenausbildung geholfen werde, auch beim Aufbau ziviler Krankenhausstrukturen arbeite man mit.
In Deutschland gebe es zu wenige Pflegekräfte, so Lauterbach, die Anerkennungsverfahren für ausländische Interessenten seien nicht angemessen, geprüft werden müssten die praktischen Fähigkeiten. Die Regierung wolle die Pflege digitalisieren.
Arzneimittelversorgung und Krankenhaus-Eckpunkte
Beim Gesetz zur Unterstützung und Entlastung in der Pflege, das der Bundestag am 26. Mai verabschieden will, habe man einen guten Kompromiss gefunden, sagte Lauterbach. Zur Arzneimittelversorgung gab der Minister an, 450 Medikamente seien nicht lieferbar, was ein „nicht hinnehmbarer Zustand“ sei. Das Arzneimittel-Lieferengpass-Gesetz, in dem auf Festbeträge und Rabattverträge verzichtet werden soll, gehe heute in die erste Lesung.
Lauterbach kündigte eine Entökonomisierung und Entbürokratisierung an und äußerte die Hoffnung, bis zur parlamentarischen Sommerpause ein Eckpunktepapier zur geplanten Krankenhausreform vorlegen zu können. Noch in der Sommerpause solle dann ein Referententwurf erarbeitet werden. Mit den Ländern sei man dabei auf dem richtigen Weg.
Mali-Einsatz und Zwei-Prozent-Ziel
Vom Verteidigungsminister wollte der CSU-Abgeordnete Florian Hahn wissen, weshalb der Minusma-Einsatz der Bundeswehr in Mali noch einmal um ein Jahr verlängert werden soll. Die Soldaten könnten ihren Auftrag in dem westafrikanischen Land nicht mehr erfüllen, die UN-Mission habe insgesamt bereits 185 Todesopfer gefordert. Pistorius sagte, die Zeit werde benötigt, um das Material geordnet aus dem Land zu bringen. Mit den Vorbereitungen dazu habe man bereits begonnen.
Dem CDU-Abgeordneten Dr. Johann David Wadephul versicherte der Minister, sein Ziel bleibe es, das von der Nato vorgegebene Zwei-Prozent-Ziel bei den Verteidigungsausgaben im Querschnitt der nächsten Jahre zu erreichen. Im Haushalt seines Ministeriums sei ein Fehlbedarf von 9,1 Milliarden Euro ermittelt worden, vor allem aufgrund erhöhter Betreibskosten.
Personalgewinnung und Frauenquote
Sara Nanni (Bündnis 90/Die Grünen) wollte wissen, wie der Minister Personal für die Bundeswehr gewinnen will. Pistorius sagte, erforderlich sei eine bessere öffentliche Präsenz der Bundeswehr. Es gehe darum, junge Leute zu halten und die Möglichkeiten für eine längere Bindung zu verbessern. Die Frauenquote liege unter zehn Prozent. „Wir brauchen mehr Frauen, mehr Menschen mit Migrationsgeschichte“, hob der Minister hervor.
Dem FDP-Abgeordneten Alexander Müller, der auf lange Wartezeiten für Bewerber hingewiesen hatte, erwiderte Pistorius, es gehe darum besser zu werden und die zu binden, die Interesse am Dienst in der Bundeswehr haben. Das Sondervermögen hat Einfluss auf den Verteidigungshaushalt, entgegnete Pistorius dem FDP-Abgeordneten Dr. Marcus Faber.
Ziel sei es, das Sondervermögen schnell ablfließen zu lassen. Nach der Steigerung der Einsatzbereitschaft der Truppe erkundigte sich Dr. Kristian Klinck (SPD). Pistorius sagte, die Beschaffungsprozesse müssten durch Zeitvorgaben beschleunigt werden, am Markt verfügbare Produkte sollten Vorrang erhalten vor Entwicklungslösungen.
Waffenlieferungen und Duldung von Covid-Impfungen
Der fraktionslose Abgeordnete Robert Farle warf dem Minister vor, gegen das Grundgesetz zu verstoßen und sich strafbar zu machen, indem Deutschland durch die Lieferung von Kampfpanzern immer mehr zur Kriegspartei werde. Ohne deutsche Unterstützung könne die Ukraine den Krieg nicht weiterführen. Ein Stopp der Waffenlieferungen wäre das Ende der Ukraine, stellte der Minister klar: „Das können Sie wollen, wir nicht.“
Rüdiger Lucassen (AfD) fragte nach der Pflicht zur Duldung der Covid-19-Impfung in der Bundeswehr. Pistorius verwies auf die Verantwortung für die Gesundheit der Soldatinnen und Soldaten, die nicht gefährdet werden dürfe. Er schloss aber nicht aus, diese Duldungspflicht irgendwann aufzuheben.
Dem Linken-Abgeordneten Andrej Hunko, der nach einer Foto-Veröffentlichung von Leopard-2-Panzern mit Fahnen des „rechten Sektors“ auf der Internetseite des ukrainischen Verteidigungsministeriums gefragt hatte, erwiderte der Minister, dies sei ihm nicht bekannt, er werde sich aber damit beschäftigen.
Übersterblichkeit und Corona-Impfungen
Martin Sichert (AfD) wollte vom Bundesgesundheitsminister wissen, was die Regierung unternimmt, um die Ursachen der Übersterblichkeit in der Bevölkerung im vergangenen Jahr zu ermitteln. Es seien 58.000 Menschen mehr gestorben, also zu erwarten gewesen wäre. Lauterbach sagte, man sei im Austausch mit der Wissenschaft und dem Expertenrat zu Coronafragen. Sobald Untersuchungsergebnisse vorlägen, würden sie mitgeteilt.
In der Corona-Zeit seien Krebs- und Herz-Kreislauf-Vorsorgetermine nicht wahrgenommen und Operationen verschoben worden. Der Minister verwahrte sich gegen die Unterstellung, dass Nebenwirkungen der Covid-Impfungen ursächlich für die Übersterblichkeit gewesen seien. Hunderttausende Menschenleben seien durch die Impfungen gerettet worden.
Arzneimittelproduktion und Rabattverträge
Kathrin Vogler (Die Linke) erkundigte sich nach der Rückholung von Arzneimittelproduktion in die EU. Die Rabattverträge hätten wesentlich dazu beigetragen, so Lauterbach, dass die Generika-Preise erschwinglich geblieben seien. Wer einen Rabattvertrag bekomme, müsse garantieren, dass ein Lieferengpass überbrückt wird, dazu sei eine dreimonatige Lagerhaltung vorgesehen. Wer ein Los für die Antibiotika-Herstellung in Europa anbiete, dem sei der Vertrag sicher, sagte Lauterbach.
Sein Ziel sei es, einen Großteil der Produktion nach Deutschland zurückzuholen. Zu der von Vogler für zu niedrig befundenen Honorierung der Apotheker mit 50 Cent für die Bereitstellung von Alternativmedikamenten sagte Lauterbach, über die präzisen Summen werde noch beraten.
Energiehilfen für die Krankenhäuser
Nach den hohen Energiepreisen in Kliniken fragte der CSU-Abgeordnete Stephan Pilsinger. Lauterbach habe 600 Millionen Euro als Hilfe versprochen. Auch habe er versprochen, dass keine Klinik schließen müsse. Dazu sagte der Minister, das Kabinett habe 2,5 Milliarden Euro für direkte Energiehilfen bereitgestellt. Jetzt sei es Sache des Bundestages, zum Abschluss zu kommen. Die 2,5 Milliarden Euro seien zusätzliches Geld, die Sachkosten würden eingerechnet, so Lauterbach auf eine Frage der CSU-Abgeordneten Emmi Zeulner.
Zeulners CDU-Fraktionskollege Sepp Müller fragte, wann die 2,5 Milliarden Euro bei den Krankenhäusern ankommen. Die Summe sei im Kabinett schon vor Wochen beschlossen worden, sagte der Minister. Es handele sich um ein Gesetz aus dem Wirtschaftsministerium, die Energiehilfen zu entbürokratisieren und zu beschleunigen.
Finanzierung der Krankenhausreform
Prof. Dr. Armin Grau (Bündnis 90/Die Grünen) wollte vom Minister wissen, warum die Krankenhausreform notwendig sei. Die Krankenhäuser könnten nicht längerfristig über Wasser gehalten werden, antwortete Lauterbach. Kleine Häuser füllten sich nicht mehr, was zum Teil demografische Ursachen habe, auch gebe es dort Personalnot. Sie würden für die Versorgung in der Fläche aber gebraucht.
Die Finanzierung solle umgestellt werden, 60 Prozent werde es über eine Vorhaltepauschale geben, sodass die Abhängigkeit von der Zahl der im Krankenhaus durchgeführten Leistungen beseitigt wird. Ohne die Reform würde es besonders auf dem Land ein Kliniksterben geben, sagte der Minister.
Entökonomisierung und Entbürokratisierung
Dr. Christos Pantazis (SPD) fragte nach dem Stand der Bund-Länder-Beratungen zur Krankenhausreform. Es gehe darum, den ökonomischen und bürokratischen Druck von den Klioniken wegzunehmen, betonte der Minister. Die Beratungen mit den Ländern würden am 1. Juni fortgesetzt, noch vor der Sommerpause solle es Eckpunkte und in der Sommperause einen Referententwurf geben.
Die Bundeswehr-Krankenhäuser seien im Eckpunktepapier gesondert ausgewiesen, entgegnete Lauterbach auf eine Frage des FDP-Abgeordneten Lars F. Lindemann. (vom/24.05.2023)