Abschließende Beratungen ohne Aussprache
Ohne Debatte hat der Bundestag am Donnerstag, 15. Juni 2023, über eine Reihe von Vorlagen abgestimmt:
Steuerabkommen Litauen: Die Bundesrepublik Deutschland und die Republik Litauen wollen sowohl Doppelbesteuerungen als auch Nichtbesteuerungen oder reduzierte Besteuerungen vermeiden. Diesem Ziel dient der Gesetzentwurf der Bundesregierung zu dem Protokoll vom 30. September 2022 zur Änderung des Abkommens vom 22. Juli 1997 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Litauen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (20/6817). Ziel sei es, das gemeinsame Projekt der OECD und der G20 zur Gewinnverkürzung und der Gewinnverlagerung (Base Erosion and Profit Shifting – BEPS) in die zwischen den beigetretenen Staaten bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen zu implementieren. Die Umsetzung der BEPS-Empfehlungen sei ein wesentlicher Baustein zur Schließung von Steuerschlupflöchern und für eine faire globale Besteuerung. Auf Grundlage einer Beschlussempfehlung des Finanzausschusses (20/7221) nahm das Parlament die Vorlage bei Enthaltung der Linken und mit den Stimmen aller übrigen Fraktionen an.
Steuerabkommen Bulgarien: Ebenfalls mit den Stimmen aller Fraktionen außer der Linken, die sich enthielt, stimmte das Parlament für einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zu dem Protokoll vom 21. Juli 2022 zur Änderung des Abkommens vom 25. Januar 2010 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Bulgarien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (20/6818). Ziel sei es, das gemeinsame Projekt der OECD und der G20 zur Gewinnverkürzung und der Gewinnverlagerung (Base Erosion and Profit Shifting – BEPS) in die zwischen den beigetretenen Staaten bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen zu implementieren. Die Umsetzung der BEPS-Empfehlungen sei ein wesentlicher Baustein zur Schließung von Steuerschlupflöchern und für eine faire globale Besteuerung. Der Ausschuss für Finanzen hatte dazu eine Beschlussempfehlung vorgelegt (20/7221).
Steuerabkommen Lettland: Auf Grundlage einer Beschlussempfehlung des Finanzausschusses (20/7221) votierte der Bundestag außerdem für einen Gesetzentwurf der Bundesregierung (20/6819) zu dem Protokoll vom 29. September 2022 zur Änderung des Abkommens vom 21. Februar 1997 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Lettland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen. Ziel sei es, das gemeinsamen Projekt der OECD und der G20 zur Gewinnverkürzung und der Gewinnverlagerung (Base Erosion and Profit Shifting – BEPS) in die zwischen den beigetretenen Staaten bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen zu implementieren. Die Umsetzung der BEPS-Empfehlungen sei ein wesentlicher Baustein zur Schließung von Steuerschlupflöchern und für eine faire globale Besteuerung.
Cyberabwehr: Mit den Stimmen aller übrigen Fraktionen wiesen die Abgeordneten des Bundestages einen AfD-Antrag zur Umsetzung der Digitalstrategie des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (20/5223) zurück. Ziel der Initiative war es, die Sicherheit kritischer Infrastruktur zu gewährleisten und die Cyberabwehr zu priorisieren. Die Bundesregierung wurde dazu aufgefordert, die Cybersicherheitsstrategie zu aktualisieren und die IT-Sicherheitsgesetzgebung zu konsolidieren, die Cybersicherheitsarchitektur so aufzustellen, dass hybride Bedrohungen schneller erkannt und besser abgewehrt werden können und ein KRITIS-Dachgesetz zu verabschieden, das alle kritischen Infrastrukturen (KRITIS) abbildet und eine Antwort auch auf komplexe, hybride Bedrohungen bietet, indem es Verfahrensstandards und Zuständigkeiten definiert. Der Abstimmung lag eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für Digitales (20/5513) zugrunde.
Brasilien: Keine Mehrheit fand auch ein weiterer Antrag der AfD, der eine „Wiederaufnahme der deutsch-brasilianischen Regierungskonsultationen“ (20/6417) forderte. Der Auswärtige Ausschuss hatte dazu eine Beschlussempfehlung vorgelegt (20/6987). Die Abgeordneten warben in ihrem Antrag für „regelmäßige, ranghohe Treffen mit Ländern, die nicht zur EU gehören, jedoch eine Schlüsselrolle auf internationalem Parkett spielen und die für Deutschland ökonomisch und politisch wichtig sind“. Brasilien, das größte Land Südamerikas, sei Mitglied in der BRICS-Gruppe und habe somit direkten Einfluss auf Großmächte wie China und Russland, „was in der aktuellen angespannten weltpolitischen Lage besonders bedeutend ist“. Aktuell sei China für Brasilien der wichtigste Handelspartner vor den USA und Argentinien. Deutschland belege Rang vier bei den Warenimporten. Hauptwarengruppen des brasilianischen Exports seien Erze, Mineralöle, Fleisch sowie Eisen/Stahl. „Aus diesen Fakten ergibt sich für Deutschland ein hohes Interesse an guten und intensiven Beziehungen mit Brasilien“, schrieben die Abgeordneten. Sie forderten die Bundesregierung auf, mit der brasilianischen Seite möglichst schnell Regierungskonsultationen zu vereinbaren und Brasiliens Präsident Lula da Silva mit einer hochrangigen Regierungsdelegation nach Berlin einzuladen „und diese Praxis durch jährliche Treffen zu verstetigen“. Wie die Abgeordneten schreiben, habe es im August 2015 die ersten und bislang letzten Regierungskonsultationen in Brasilia zwischen der damaligen Präsidentin Rousseff und der damaligen Bundeskanzlerin Merkel gegeben. Die Vorlage wurde mit den Stimmen aller übrigen Fraktionen abgelehnt.
Streitverfahren: Die Abgeordneten haben eine Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zu dem Streitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht 2 BvE 9 / 21 (20/7229) mit den Stimmen aller Fraktionen bei Enthaltung der Linken angenommen, nach der der Bundestag in dem Streitverfahren Stellung nehmen und die Präsidentin bitten soll, eine Prozessbevollmächtigte oder einen Prozessbevollmächtigten zu bestellen. In dem Organstreitverfahren wendet sich die Fraktion Die Linke gegen die Zustimmung der Bundesregierung zur Verordnung (EU) 2021 / 697 zur Einrichtung des Europäischen Verteidigungsfonds im Rat der Europäischen Union, gegen die Nichterhebung der Subsidiaritätsklage durch den Deutschen Bundestag sowie gegen das Unterlassen beider Antragsgegner, auf die Aufhebung der Verordnung hinzuwirken. Die Linksfraktion sieht hierin unter anderem einen Verstoß gegen die dem Deutschen Bundestag und der Bundesregierung obliegende Integrationsverantwortung aus Artikel 23 Absatz 1 Grundgesetz
Petitionen: Darüber hinaus nahm das Parlament 14 Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses zu Petitionen an, die beim Bundestag eingegangen und vom Petitionsausschuss beraten worden waren. Es handelte sich um die Sammelübersichten 354 bis 366 (20/6954, 20/6954, 20/6955, 20/6956, 20/6957, 20/6958, 20/6959, 20/6960, 20/6961, 20/6962, 20/6963, 20/6964, 20/6965, 20/6966).
Steuernachzahlungen bei SGB II-Leistungsbeziehern
Darunter befand sich auch eine Petition mit der Forderung, bei Leistungsbeziehern nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) „für das Vorjahr zu leistende Steuernachzahlungen im Monat der Zahlung als Steuerbelastung einkommensmindernd zu berücksichtigen“. In der Begründung zu der öffentlichen Eingabe (ID 91745) heißt es, das Jobcenter berücksichtige Steuererstattungen für das Vorjahr im Zuflussmonat als einmalige Einnahme, wogegen wegen der Zweckbestimmung Lebensunterhalt auch nichts einzuwenden sei, da es sich rechnerisch um verspätet ausgezahltes Entgelt handle.
Steuernachzahlungen für das Vorjahr berücksichtige das Jobcenter aber nicht einkommensmindernd, obwohl laut Paragraf 11b SGB II „auf das Einkommen zu entrichtende Steuern“ abzugsfähig seien, beklagt die Petentin.
Petentin hält Rechtsauslegung für ungerecht
Als Begründung gebe das Jobcenter an, es könnten nur die auf das Einkommen des jeweiligen Monats direkt entfallenden Steuern berücksichtigt werden – bei Steuernachzahlungen handle es sich aber um „Altschulden“, heißt es in der Petition.
Diese Rechtsauslegung hält die Petentin für ungerecht: Wenn Steuererstattungen im Zuflussmonat zu Lasten des Leistungsempfängers berücksichtigt werden, müsse analog auch eine Steuernachzahlung im Monat der Belastung (Fälligkeit) zu Gunsten des Betroffenen einkommensmindernd abgezogen werden, „weil diese Steuerschuld unvermeidbar anfällt und der Betrag nicht für den Lebensunterhalt zur Verfügung steht“.
Zweithöchstes Überweisungsvotum „zur Erwägung“
Die in der Sitzung des Petitionsausschusses am 24. Mai 2023 mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und Die Linke verabschiedete Beschlussempfehlung an den Bundestag sieht nun vor, die Petition dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit dem zweithöchsten Votum „zur Erwägung“ zu überweisen. Den Verfahrensgrundsätzen des Petitionsausschusses zu Folge bedeutet dies, dass die Petition „Anlass zu einem Ersuchen an die Bundesregierung gibt, das Anliegen noch einmal zu überprüfen und nach Möglichkeiten der Abhilfe zu suchen“.
In der Begründung zu seiner Beschlussempfehlung verweist der Ausschuss darauf, dass die Steuernachzahlung weder von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erfasst sei, noch zu den Mehrbedarfen oder den Kosten der Unterkunft gehöre. Nach Paragraf 19 Absatz 1 Satz 1 und 3 SGB II erhielten erwerbsfähige Leistungsberechtigte Arbeitslosengeld nach dem SGB II. Die Leistungen umfassten den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung. Da eine Steuernachzahlung aktuell nicht als Bedarf genannt sei, komme eine Berücksichtigung als Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht in Betracht, heißt es in der Vorlage. Das gleiche gelte für den Anspruch auf Zahlung von Mehrbedarfen oder angemessenen Kosten der Unterkunft, die eine Steuernachzahlung ebenfalls nicht umfassten.
Steuerschulden gleichgestellt mit sonstigen Schulden
Die Steuernachzahlung werde auch nicht als Absetzungsbetrag gemäß Paragraf 11 b Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II berücksichtigt. Hiernach sind der Begründung zufolge auf das Einkommen entrichtete Steuern vom Einkommen abzusetzen. Auf das Einkommen entrichtete Steuern umfassten die Steuern, „die auf das jeweilige Einkommen in dem jeweiligen Monat“ entrichtet worden seien. „Bei einer Steuernachzahlung handelt es sich um nachzuzahlende Steuern, die ein Einkommen aus der Vergangenheit betreffen. Solche Nachzahlungen stehen sonstigen Schulden gleich, deren Tilgung nicht die Hilfebedürftigkeit zu begründen vermag“, schreibt der Ausschuss.
Er gelangt zu der Feststellung, dass aufgelaufene Steuerschulden strukturell nichts anderes darstellten als sonstige Schulden auch, „die mangels einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung gerade nicht vom Einkommen abgezogen werden können“. (hau/eis/15.06.2023)