Zeit:
Montag, 17. April 2023,
13.30
bis 15.30 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal E.600
Als nicht ausreichend bewerten der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) und der Sozialverband Deutschland (VdK) den Gesetzentwurf der Bundesregierung (20/5628) zur Anpassung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes an die geänderte EU-Fahrgastrechteverordnung. Das wurde während einer öffentlichen Anhörung des Verkehrsausschusses am Montag, 17. April 2023, deutlich. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Eisenbahnunternehmen und Bahnhofbetreiber zukünftig eine zentrale Anlaufstelle für Menschen mit Behinderung oder eingeschränkter Mobilität anbieten müssen, bei der diese ihren Bedarf an Hilfe beim Ein- und Aussteigen anmelden können. Darüber hinaus sollen die Eisenbahnunternehmen den Fahrgästen eine Form der barrierefreien elektronischen Kommunikation zur Verfügung stellen, um Anträge auf Fahrpreiserstattungen oder -entschädigungen entsprechend der EU-Verordnung einreichen zu können.
Breiten Raum nahm während der Anhörung auch die Situation der Schmalspurbahnen ein. Die im Gesetzentwurf festgelegten Ausnahmen sowie die vom Bundesrat geforderte Verlagerung der Aufsicht im Bereich der Überwachung der Fahrgastrechte vom Eisenbahn-Bundesamt (EBA) zurück zu den Landesbehörden stießen auf Zuspruch bei den meisten Sachverständigen.
Schutzniveau der Fahrgastrechte
Aus Sicht von Marion Jungbluth, Leiterin Team Mobilität und Reisen beim Verbraucherzentrale Bundesverband, gibt es in zwei Bereichen dringenden Handlungsbedarf. Um eine Abwendung der Fahrgäste zu verhindern, müsse die Verspätungsschwelle für Entschädigungen auf 30 Minuten abgesenkt werden, forderte sie. „Das wäre ein starker Anreiz für mehr Pünktlichkeit und würde langfristig die Bahn attraktiver machen.“ Zudem müsse die geplante Absenkung des Schutzniveaus für Inhaber des Deutschlandtickets verhindert werden. Sie dürften nicht „Fahrgäste zweiter Klasse“ werden, indem ihnen das Recht verwehrt werde, nach zwanzigminütiger Verspätung auf einen höherwertigen Zug umzusteigen, sagte Jungbluth.
Jonas Fischer, Referent für Barrierefreiheit beim VdK Deutschland, nannte es richtig, die Barrierefreiheit bei der Umsetzung der EU-Fahrgastrechteverordnung in den Fokus zu stellen. Ebenso richtig sei es, eine zentrale Anlaufstelle gesetzlich zu verankern. Anders als in der EU-Verordnung werde aber im Gesetzentwurf der Bundesregierung nicht der Umfang der Leistungen festgehalten, die von der zu schaffenden zentralen Anlaufstelle zu erbringen sind, bemängelte er. Nur wenn die Regelungen im Gesetz explizit erfasst sind, sei es aber möglich, einen Sanktionskatalog aufzustellen, der bei Nichterbringung von gesetzlich vorgeschriebenen Hilfeleistungen greift. Kritik übte Fischer auch an der 24-Stunden-Frist zur Anmeldung von Hilfebedarfen in der zentralen Anlaufstelle. Damit sei für Menschen mit Behinderungen spontanes Reisen nicht möglich.
Frithjof Mielke vom Sächsischen Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr erläuterte die Bundesratsinitiative Sachsens, die Aufsicht für den Bereich Fahrgastrechte bei den Schmalspurbahnen den Ländern rückzuübertragen. Eine zentrale Aufsichtsbehörde sei für diesen Bereich ungeeignet, da regionale Ausprägungen eine starke Rolle spielten. Gebe es einen einheitlichen Maßstab, müssten beispielsweise auch historische und touristisch genutzte Schmalspurbahnen solche Informationssysteme vorhalten wie etwa die S-Bahnen in Ballungszentren, was den „Kleinunternehmen sehr zum Nachteil gereicht“.
Besonderheiten bei den Schmalpurbahnen
Michael Mißlitz, Geschäftsführer der Mecklenburgischen Bäderbahn Molli GmbH, begrüßte es, dass die Bundesregierung ausweislich ihrer Antwort auf die Einwendung des Bundesrates, einer Rückübertragung der Aufsicht an die Länder nicht entgegenstehe. Mißlitz machte darauf aufmerksam, dass sich laut Bundesregierung ein Beschwerdeaufkommen in Bezug auf Verkehre mit Schmalspurbahnen beim EBA nicht ergeben habe. Wie der Molli-Geschäftsführer weiter sagte, ermöglichten Schmalspurbahnen den Fahrgästen eine Zeitreise in die Anfänge des Eisenbahnwesens in Deutschland. Um diese „Reise“ möglichst authentisch zu gestalten, setzten die Unternehmen in enger Zusammenarbeit mit den betreffenden Eisenbahnaufsichtsbehörden der Länder unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse beispielsweise auch auf eine Fahrgastinformation, „wie sie zu jener Zeit üblich war“.
Volker Wente, stellvertretender Vorsitzender des Verbands Deutscher Museums- und Touristikbahnen (VDMT) und Geschäftsführer Nordrhein-Westfalen des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), schloss sich dieser Auffassung an. Auch der Fernverkehr mit Museumsbahnen müsse ausdrücklich von den Ausnahmeregelungen in Paragraf 1 Absatz 4 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG) erfasst werden, sagte er. Auch Wente verwies auf regionale und unternehmensspezifische Besonderheiten bei den Schmalpurbahnen. Deshalb seien die Länder aufgrund ihrer bereits bestehenden aufsichtsrechtlichen Zuständigkeiten für diese Bahnen besser in der Lage, die technischen, betrieblichen und verkehrlichen Gegebenheiten zu beurteilen. Die Zuständigkeit des EBA solle sich daher auf die regelspurigen Eisenbahnen beschränken, verlangte er.
Datenschutzrecht im AEG
Zu datenschutzrechtlichen Regelungen äußerte sich Thomas Hilpert-Janßen vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). Es sei fragwürdig, das umfangreiche und abschließende Datenschutzrecht im AEG nochmals aufzuschnüren.
Tue man dies, sollte aber der Begriff der personenbezogenen Daten, die der Löschungspflicht unterliegen sollen, in Gesundheitsdaten geändert werden. Bei Letzteren bestehe keine Notwendigkeit einer weiteren Speicherung. Die übrigen weiteren personenbezogene Daten dienten indes auch zur Beschwerdebearbeitung.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Wie die Bundesregierung schreibt, lässt ihr Gesetzentwurf das „hohe Niveau des Schutzes der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr unverändert“. Darüber hinaus mache er von Regelungsoptionen der genannten EU-Verordnung Gebrauch, die den Schutz der Fahrgäste weiter erhöhten. Die Regelungen zur Anwendung der Verordnungen sollen in der Eisenbahn-Verkehrsordnung konzentriert werden, heißt es weiter. Wie bisher soll die EU-Verordnung den Angaben zufolge mit geringen, den „besonderen Bedingungen geschuldeten Abweichungen“, auch im Schienenpersonennahverkehr gelten. Die besonderen Fahrgastrechte der Eisenbahn-Verkehrsordnung sollen erhalten bleiben.
Für Menschen mit Behinderungen oder eingeschränkter Mobilität ist vorgesehen, eine zentrale Anlaufstelle gesetzlich zu verankern, bei der sie ihren Bedarf an Hilfe beim Ein-, Aus- oder Umsteigen anmelden können, unabhängig davon, mit welchen Zügen sie fahren. Alle Eisenbahnunternehmen und Bahnhofsbetreiber müssten sich daran beteiligen, so die Regierung. Die Deutsche Bahn AG betreibe mit der Mobilitätsservice-Zentrale bereits eine solche Einrichtung, die jedoch auf freiwilligen Vereinbarungen zwischen den Eisenbahnunternehmen und den Bahnhofsbetreibern beruhe. Durch die gesetzliche Grundlage ist laut Regierung die dauerhafte Existenz einer zentralen Anlaufstelle mit Abdeckung aller Eisenbahnen sichergestellt.
Darüber hinaus sollen die Eisenbahnunternehmen den Fahrgästen eine Form der barrierefreien elektronischen Kommunikation zur Verfügung stellen, damit diese Anträge auf Fahrpreiserstattungen oder -entschädigungen entsprechend der EU-Verordnung einreichen können. Die von manchen Eisenbahnunternehmen geforderte Einsendung eines Papierformulars habe vielfach Kritik hervorgerufen und erscheint nach Aussage der Regierung „nicht mehr zeitgemäß“. (hau/vom/17.04.2023)