Überweisungen im vereinfachten Verfahren
Ohne Aussprache hat der Bundestag am Donnerstag, 15. Juni 2023, eine Reihe von Vorlagen zur weiteren Beratung in die Ausschüsse überwiesen:
Verkehrsstatistikgesetz: Rund 240 Schienenverkehrs- und Omnibusunternehmen sollen von statistischen Auskunftspflichten entlastet werden, die nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand erfüllt werden können oder die entbehrlich sind. Dies sieht ein Gesetzentwurf der Bundesregierung (20/6822) zur Änderung des Verkehrsstatistikgesetzes und des Berufskraftfahrerqualifikationsgesetzes vor, das an den Verkehrsausschuss zur federführenden Beratung überwiesen wurde. Nach Angaben der Bundesregierung ist die Erhebung des Statistischen Bundesamts über Schienenverkehrsunfälle nicht mehr in dem Maße erforderlich wie bislang, da für die nach der Eisenbahn-Bau und Betriebsordnung (EBO) betriebenen Strecken die Angaben mittlerweile über das Eisenbahn-Bundesamt und die European Railway Agency bereitgestellt und an Eurostat übermittelt würden. Zukünftig würden deshalb ausschließlich Angaben für Straßen-, Schmalspur- und Anschlussbahnen benötigt, da diese nicht unter die EBO fielen. Der Kreis der zu befragenden Unternehmen reduziere sich durch die Gesetzesänderung von etwa 430 auf 190. Durch die Gesetzesnovelle sollen zudem Qualitätsverbesserungen in der Gefahrgut- sowie der Güterkraftverkehrsstatistik erreicht werden. So sei die Nachfrage nach differenzierteren Informationen über die Art beförderter Gefahrgüter gestiegen, heißt es in der Vorlage. In der Güterkraftverkehrsstatistik würden zudem zur Erhöhung der Stichprobenqualität genauere Angaben zum Nichteinsatz von Fahrzeugen benötigt. Im Berufskraftfahrerqualifikationsgesetz soll durch das Gesetz die bislang fehlende Möglichkeit, aufgrund von Rechtsakten der Europäischen Union zur Bewältigung krisenhafter Situationen Anpassungen im nationalen Recht vornehmen zu können, durch Schaffung einer entsprechenden Ermächtigungsgrundlage geschlossen werden.
Deutsche Schule Belgrad: Die Bundesregierung und die Regierung Serbiens wollen durch ein gemeinsames Abkommen über die Deutsche Schule in Belgrad ihre bilateralen kulturpolitischen Beziehungen stärken und ausweiten. Um die gesetzlichen Voraussetzungen für die innerstaatliche Umsetzung des Abkommens zu schaffen, hat die Bundesregierung einen entsprechenden Gesetzentwurf (20/6823) vorgelegt, der im Auswärtigen Ausschuss federführend beraten wird. Das Abkommen regle den Rechtsstatus der Deutschen Schule in Belgrad, der nun der Status einer juristischen Person nach serbischem Recht verliehen werden soll. „Dadurch erfahren aus Deutschland vermittelte Lehrkräfte Erleichterungen, unter anderem aufenthalts- und arbeitsrechtlicher Art“, schreibt die Bundesregierung. „Darüber hinaus genügen serbische Schülerinnen und Schüler durch den Besuch der Deutschen Schule in Belgrad der serbischen Schulpflicht, sodass die Schule ihren Begegnungscharakter stärken kann.“
Vergiftungsregister: Eine zentrale Erfassung und Auswertung der Daten über Vergiftungen in Deutschland soll durch ein Vergiftungsregister beim Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) eingeführt werden. Dazu hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf (20/6952) vorgelegt, der im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz federführend beraten wird. Demnach soll die in den Bundesländern eingerichteten Informationszentren für Vergiftungen (GIZ) zu allen eingehenden Anfragen zu Vergiftungen mit Ausnahme von Anfragen zu Vergiftungen mit Arzneimitteln, Betäubungsmitteln und alkoholischen Getränken die Daten systematisch erfassen und an das BfR weiterleiten.
Trauerbegleitung: Die AfD-Fraktion will die Trauerbegleitung für Kinder und Jugendliche „sichern und ausbauen“. In einem Antrag (20/7198), der federführend im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend beraten wird, fordert sie die Bundesregierung auf, zusammen mit den Ländern ein Förderprogramm für Kommunen zu initiieren. Das Programm solle mit einem Sockelbetrag von 35 Millionen Euro ausgestattet werden, um örtliche Vereine finanziell zu unterstützen, die „Trauerbegleitung und psychosoziale Bewältigungsarbeit für Kinder und Jugendliche leisten“, schreibt die Fraktion. Kommunen, in denen Förderanträge von „nachweislich entsprechend ausgerichteten Vereinen eingehen“, sollten aus dem Programm in „jeweils angemessener Höhe“ bezuschusst werden. Die Abgeordneten schlagen außerdem vor, das Förderprogramm von einer mit fünf Millionen Euro durch den Bund ausgestatteten öffentlichen Informationskampagne zu begleiten. Zur Begründung für ihre Initiative verweisen sie auf Medienberichte, wonach die Arbeit von Vereinen, die Trauerbegleitung für Kinder und Jugendliche anbieten, in Ermangelung öffentlicher Förderung oftmals finanziell nicht gesichert ist.
Kindererziehung: Die AfD-Fraktion fordert in einem Antrag (20/7199), den Empfängerkreis von Elterngeld auf Großeltern zu erweitern. Der Staat müsse eingreifen, um sicherzustellen, dass die Eltern die Geburt eines Kindes nicht als Hindernis für ihre Selbstverwirklichung oder als finanzielles Risiko betrachten, heißt es in dem Antrag. Bedingung soll laut Antrag sein, dass der entsprechende Großelternteil nicht erwerbstätig ist. Des Weiteren sollen die sorgeberechtigten Elternteile, die mit dem Kind in einem gemeinsamen Haushalt leben, sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen nachgehen. Weitere Voraussetzungen, die der AfD-Fraktion zufolge für die Zahlung des Elterngelds an Großeltern gelten sollen, sind, dass das Kind vom Elternteil im eigenen Haushalt erzogen wird und nur tagsüber vorübergehend bei dem Großelternteil bleibt. Ferner soll das Kind nicht in eine Kita oder andere Einrichtung der Tagespflege gehen. Die sorgeberechtigten Elternteile sollen sich schriftlich einverstanden damit erklären, dass der Großelternteil das Elterngeld erhält. Die AfD begründet ihren Antrag unter anderem mit einer Skepsis gegen Kitas, da die Trennung von der Bezugsperson im späteren Leben zu erheblichen Bindungsproblemen führen könne und nennt als „abschreckendes Beispiel“ die Praxis der DDR. Noch heute gebe es zahlreiche Menschen mit DDR-Vergangenheit, die „unter unzureichendem Selbstwertgefühl, Beziehungsproblemen und daraus resultierenden psychischen Erkrankungen“ litten. Der Antrag wird im federführenden Familienausschuss weiter beraten.
Benin-Bronzen: Die AfD-Fraktion will die Restitution von Benin-Bronzen und anderen Artefakten aus dem historischen Königreich Benin aus deutschen Museumssammlungen an Nigeria stoppen. Die nigerianische Seite habe die restituierten Artefakte zum Privateigentum des Königs von Benin (Oba) erklärt und somit gegen den Geist der vertraglichen Vereinbarungen der „Gemeinsamen Erklärung“ zwischen der Bundesrepublik und Nigeria verstoßen, heißt es in einem entsprechenden Antrag (20/7201), für dessen federführende Beratung der Ausschuss für Kultur und Medien zuständig ist. Damit sei völlig offen, ob die restituierten Bronzen in dem geplanten Edo Museum of West African Art (EMOWAA) im nigerianischen Benin City ausgestellt würden. Die Fraktion fordert die Bundesregierung deshalb auf, das finanzielle Engagement beim Bau des Museums einzustellen. Darüber hinaus sollen nach dem Willen der AfD-Fraktion Restitutionen von Sammlungsgut aus kolonialem Kontext künftig nur „in sehr gut begründeten Einzelfällen“ erfolgen, wenn das entsprechende Artefakt nachweislich als Raubgut klassifiziert werden kann. Zudem müsse den Herkunftsstaaten von Sammlungsgut aus kolonialem Kontext bei Rückgabebegehren verdeutlicht werden, dass kein rechtlicher Anspruch auf Rückgabe bestehe.
Lipödem: Die Unionsfraktion fordert bessere Versorgungs- und Behandlungsmöglichkeiten für Lipödem-Betroffene. In Deutschland litten rund vier Millionen Menschen unter einer Lipödem-Erkrankung. Das Lipödem sei eine chronische und fortschreitende Fettverteilungsstörung, die vorwiegend Frauen betreffe, heißt es in einem Antrag (20/7193), der zur federführenden Beratung an den Gesundheitsausschuss überwiesen wurde. Die Betroffenen leiden den Angaben zufolge unter Schmerzen und vielfältigen Folgeerkrankungen, darunter psychischen Störungen. Die operative Therapie führe zu einer deutlichen Verbesserung des Beschwerdebilds und Förderung der Arbeitsfähigkeit, jedoch müssten sich viele der betroffenen Frauen für die Operationen verschulden. Im Februar 2021 habe die sogenannte LIPLEG-Studie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) begonnen. Diese Erprobungsstudie gehe der Frage nach, welchen Nutzen die Liposuktion (Fettabsaugung) bei Lipödemen im Vergleich zu einer alleinigen konservativen Therapie hat. Die Abgeordneten fordern unter anderem, die Liposuktion auch außerhalb der Erprobungsstudie bei entsprechender Indikationsstellung (in der Regel zumindest für Patientinnen ab dem Krankheitsstadium 2) zu Lasten der Krankenkassen zu ermöglichen. Auch sollte das Selbstmanagement der Patientinnen unterstützt werden, insbesondere im Bereich der Verordnung zertifizierter Ernährungsberatung, der Heil- und Hilfsmittelversorgung und Reha sowie im Rahmen eines Disease-Management-Programms. Ferner sollte die Bevölkerung durch öffentlichkeitswirksame Kampagnen für die Krankheit sensibilisiert werden.
Notfallversorgung: Nach Ansicht der Unionsfraktion muss die Notfallversorgung weiterentwickelt und der Zugang zu Notfallambulanzen gezielter gesteuert werden. Rettungsdienste und Notaufnahmen seien überlastet, Notärzte, ärztliches und weiteres medizinisches sowie pflegerisches Personal kämen aufgrund der Vielzahl der Fälle nicht selten an die Grenzen ihrer Belastungsfähigkeit, heißt es in einem Antrag (20/7194) der Fraktion, der ebenfalls in Gesundheitsausschuss federführend weiter beraten wird. Die Abgeordneten fordern unter anderem, zeitnah und im Einklang mit der geplanten Krankenhausreform eine Reform der Notfallversorgung umzusetzen, mit der Rettungsdienste und Notfallambulanzen spürbar entlastet werden und die Qualität der Behandlung echter Notfälle gesteigert wird. Es müssten gesetzliche Steuerungselemente verankert werden, um sicherzustellen, dass Patienten nur nach einer telefonischen oder telemedizinischen Ersteinschätzung und mit einem Termin Zugang in die Notaufnahme erhalten. Ausgenommen sollen Patienten sein, die eine ärztliche Über- oder Einweisung haben oder mit dem Rettungsdienst eingeliefert werden. Für eine optimierte ärztliche Ersteinschätzung und gegebenenfalls abschließende Beratung sollten die Möglichkeiten der Telemedizin ausgebaut werden. Auch sollte der flächendeckende Aufbau der elektronischen Patientenakte vorangetrieben werden, um eine schnelle, individuelle und effiziente Akutbehandlung zu gewährleisten.
(eis/ste/15.06.2023)