Finanzen

Union und Ampel für Steuerreformen

Die Antwort (20/7523) der Bundesregierung auf eine Große Anfrage (20/5910) der CDU/CSU-Fraktion war am Donnerstag, 6. Juli 2023, Thema einer Debatte im Bundestag mit dem Titel „Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands im internationalen Steuerwettbewerb“. Fritz Güntzler (CDU/CSU) eröffnete die Debatte und verwies auf zwei Quartale, in denen die deutsche Wirtschaft nun geschrumpft sei. „Das müssen wir zur Kenntnis nehmen“, sagte er. Der Christdemokrat gestand zwar zu, dass dies zum Teil auf die Krisen zurückzuführen sei, machte aber auch die Politik der Ampel-Koalition verantwortlich, schließlich sei das Wachstum in Deutschland deutlich geringer als im Rest Europas.

CDU/CSU befürchtet schleichende Deindustrialisierung

Güntzler sprach von einer „Sonderkrise“, die einen Namen habe: „Die Ampel-Koalition“ und warf der Koalition vor: „Diese Regierung macht Deutschland ärmer, weil sei nicht handelt.“ Deutschland erlebe eine schleichende Deindustrialisierung. „Die Unternehmen flüchten aus unserem Land.“ Zur Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage seiner Fraktion sagte er: „Sie geben eigentlich die richtigen Antworten.“ Allein, es fehle an konkreten Handlungen.

Güntzler forderte eine niedrigere Besteuerung von thesaurierten Gewinnen, also Gewinnen, die im Unternehmen verbleiben und nicht an die Eigentümer ausgeschüttet werden, sowie eine verbesserte Verlustverrechnung. „Das bringt Liquidität in die Unternehmen.“  Die Koalitionsparteien fragte er, wann denn die im Koalitionsvertrag angekündigten Superabschreibungen kämen.

SPD: Deutschland nicht schlechtreden

Von Koalitionsseite warnte Parsa Marvi (SPD) daraufhin: „Wir sollten unseren Standort nicht schlechtreden.“ Er zitierte eine Reihe von Rankings, in denen Deutschland als Investitionsstandort durchaus gut abschneide. Insbesondere für Investitionen in Erneuerbare Energien sei Deutschland sehr attraktiv. Er verwies ferner auf Investitionsankündigungen im Bereich der Halbleiter- und Stahlindustrie. Internationale Wettbewerbsfähigkeit dürfe jedoch nicht gleichgesetzt werden mit ruinösen Arbeitsbedingungen oder einem Wettbewerb um möglichst niedrige Steuern. Auch ein funktionierender Rechtsstaat gehöre beispielsweise dazu, ebenso wie eine gute Infrastruktur.

Wie auch die folgenden Redner der Ampel-Parteien kündigte er eine „Modernisierung des Unternehmenssteuerrechts“ an. Die von Güntzler adressierten Themen werde man angehen. Jedoch erteilte er „großen Steuersenkungsprogrammen á la Trump“ eine Absage. Diese mündeten lediglich in Aktienrückkaufprogrammen der Unternehmen.

AfD fordert Abschaffung der Gewerbesteuer

Weitere Forderungen erhob Klaus Stöber für die AfD-Fraktion. Er sprach sich für eine Abschaffung der Gewerbesteuer aus. Zum Ausgleich sollten die Kommunen eine höhere Beteiligung an der Einkommensteuer erhalten. So könne Deutschland im EU-Vergleich an Wettbewerbsfähigkeit gewinnen. Stöber kritisierte, dass die Hauptempfängerländer von EU-Transfers wie Griechenland genau jene seien, die niedrigere Unternehmenssteuersätze als Deutschland hätten. „Wir finanzieren die Steuerprogramme der europäischen Länder“, beschwerte er sich.

Sein Fraktionskollege Kay Gottschalk lobte die Große Anfrage der CDU/CSU. Er kritisierte jedoch, dass Deutschland für Einwanderer aufgrund seiner hohen Steuersätze im Vergleich zu Einwanderungsländern wie den USA oder Kanada nicht attraktiv sei. Am Ende seiner Rede erhielt er vom Bundestagspräsidium einen Ordnungsruf. Vizepräsidentin Yvonne Magwas warf ihm vor, verbotenerweise ein größeres Plakat hochgehalten zu haben.

Grüne: Deutschland ist keineswegs Hochsteuerland

Katharina Beck (Bündnis 90/Die Grünen) wies für die Ampel die Vorwürfe der Opposition zurück. Die Koalition habe bereits 95 Milliarden Euro an Entlastungsmaßnahmen umgesetzt. Ihre Fraktionskollege Sebastian Schäfer hatte zuvor argumentiert, dass nicht nur niedrige Steuersätze entscheidend seien für die Wettbewerbsfähigkeit, sondern auch die Verfügbarkeit von Kapital, ein gutes Bildungssystem und eine gute Infrastruktur.

Deutschland sei keineswegs ein Hochsteuerland, und dass derzeit rekordhohe Steuereinnahmen zu verzeichnen seien, ergebe sich aus einer soliden Wirtschaft. „Wenn die Wirtschaft wächst, die Preise steigen, dann sind nominal steigende Steuern normal“, erklärte er. Auch er verwies auf das Inflationsausgleichgesetz, das die Bürger entlaste.

Linke gegen Sparsamkeit in Krisensituationen

In gewisser Weise Beistand bekam die Ampel von der kleinsten Oppositionspartei. Christian Görke (Die Linke) verwies darauf, dass die 16 Jahre der unionsgeführten Regierung „schon erhebliche Furchen hinterlassen“ habe, beispielsweise in der Infrastruktur. Er kritisierte jedoch ebenfalls die  Regierung: „Auch die Ampel führt das weiter.“ Es sei falsch, in einer Krisensituation anzufangen zu sparen.

Der Union bescheinigte er in ihrer Großen Anfrage „lausige Fragestellungen“. Da sei es kein Wunder, dass der Bundesfinanzminister lediglich mit Frasen antworte. Görke erneuerte die Forderung der Linken nach einer Besteuerung von Vermögen. Wäre Deutschland hier auf dem Niveau von Ländern wie Frankreich oder den USA, könnten Bund und Länder jährlich 120 Milliarden Euro an Mehreinnahmen verzeichnen. „Das wäre mal ein Beitrag“, erklärte er.

FDP kündigt Vorschläge für Steuerreform an

Für die Partei des Bundesfinanzministers kündigte daraufhin Markus Herbrand (FDP) an, dass es in der zweiten Jahreshälfte „umfangreiche Vorschläge“ für eine Steuerreform geben werde. Er sagte: „Wir werden Wert darauf legen, dass es auch haushalterisch verantwortbar ist.“

Sein Parteifreund Maximilian Modhorst kündigte in seiner Rede an, dass die Regierung den Ländern freistellen werde, die Grunderwerbsteuer zu erheben. Ob Bayern da vorangehen wolle, fragte er in Richtung der CDU/CSU-Fraktion. Außerdem verwies Modhorst auf das Bürokratieentlastungsgesetz Nummer 4, dass die Ampel plane.


Bundesregierung setzt auf Angebotspolitik

Angesichts der Herausforderungen für die deutsche Volkswirtschaft in Form von Dekarbonisierung, Digitalisierung und demografischem Wandel soll die Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität des Wirtschaftsstandortes Deutschland gestärkt werden. Das schreibt die Bundesregierung in der Vorbemerkung ihrer Antwort. Sie verfolge das Ziel, für Unternehmen ein steuerliches Umfeld zu schaffen, das die Investitionsfähigkeit stärke, Investitions- und Innovationsanreize verbessere und Bürokratie reduziere. Dabei gelte es indes, die Regeln für die Begrenzung der Staatsverschuldung einzuhalten.

In ihrer Antwort kündigt die Bundesregierung neue Gesetzesinitiativen zur Vereinfachung und Fortentwicklung des Steuerrechts an. So will sie unter anderem den Compliance Aufwand reduzieren und zusätzliche Investitionsanreize setzen. Sie setze auf steuerliche Forschungsförderung und plane eine neue Investitionsprämie für Zwecke der Transformation und Modernisierung der Wirtschaft. Eine Quantifizierung, wie Steuerbelastungen sich auf Leistungsbereitschaft und Leistungswillen von Unternehmen auswirken, sei indes nicht möglich.

Steuerbelastung für Unternehmen und Einzelpersonen

Die Abgeordneten der Unionsfraktion wollten von der Bundesregierung unter anderem wissen, wie hoch die tatsächliche Steuerbelastung für Unternehmen und Einzelpersonen in Deutschland im Vergleich zu allen anderen OECD-Staaten ist. Außerdem sollte die Bundesregierung die Frage beantworten, ob der Staat die bei einer im internationalen Vergleich relativ hohen Steuerbelastung eingenommenen Steuergelder besser und effizienter investiert als die Unternehmen und Bürger es tun würden. Weitere Fragen betreffen die Wirkungen von Steuersenkungen zum Beispiel auf die Kaufkraft und die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen. Auch die Frage, ob Deutschland das aktuelle Wirtschaftswachstum und den aktuellen Wohlstand mit der derzeitigen Steuerbelastung aufrecht erhalten kann, war Thema der Großen Anfrage.

In der Antwort wird unter anderem darauf verwiesen, dass Deutschland laut OECD-Daten zwar für einen Einpersonenhaushalt mit Durchschnittseinkommen nach wie vor die zweithöchste Abgabenbelastung aller verglichenen Industrieländer habe, dieser aber seit dem Jahr 2018 rückläufig sei, unter anderem wegen der Abschaffung des Solidaritätszuschlags für die allermeisten Einkommensgruppen, der Erhöhung des Grundfreibetrags und des Ausgleichs der kalten Progression bei der Einkommensteuer. Sinkende Steuern hätten laut Bundesregierung im Sozialbereich insbesondere Auswirkungen in der gesetzlichen Krankenversicherung. So könne eine Umsatzsteuersenkung bei rezeptpflichtigen Arzneimitteln die Ausgabe der Krankenkassen senken. Allerdings warnt die Bundesregierung, dass dies zu entsprechenden Forderungen bei rezeptfreien Arzneimitteln und in anderen Wirtschaftsbereichen führen könne.

Eine Senkung der Lohnsteuer könne infolge höherer Nettogehälter zu höheren Ausgaben beim Krankengeld und dem Pflegeunterstützungsgeld führen. Auch im Bereich der Arbeitslosenversicherung könnten höhere Nettogehälter zu steigenden Ausgaben führen, heißt es in der Antwort mit Verweis auf das Arbeitslosen-, Kurzarbeiter und Insolvenzgeld. Insgesamt erwartet die Bundesregierung von der Alterung der Bevölkerung einen rückläufigen und mittelfristig negativen Wachstumsbeitrag des Faktors Arbeit. Dies erfordere eine angebotsorientierte Wachstumspolitik für mehr Investitionen und Innovationen, um die wirtschaftliche Produktivität zu steigern. (bal/hle/06.07.2023)

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