Parlament

Emilia Fester: Mehr politische Beteiligung junger Menschen

Emilia Fester steht auf einer Treppe. Sie trägt einen orangefarbenen Pullover und Jeans und lacht.

Emilia Fester ist die zweitjüngste Abgeordnete im 20. Deutschen Bundestag. (DBT/photothek/Xander Heinl)

Emilia Fester (Bündnis 90/Die Grünen) war nach der Wahl 2021 die jüngste Bundestagsabgeordnete der 20. Legislaturperiode. Inzwischen wurde sie von Emily Vontz (SPD) abgelöst, die mit 22 Jahren als Nachrückerin auf Heiko Maas folgte und jetzt die jüngste Abgeordnete im Parlament ist.

Arbeit im Bundestag ist kein Nine-to-five-Job

Ob sie die jüngste oder die zweitjüngste Abgeordnete im Parlament ist, spielt für Emilia Fester keine Rolle. Sie sagt: „Für mich ist es noch immer ein großes Privileg, in den Bundestag gewählt worden zu sein. In dieser krisenhaften Zeit kann ich dort für die junge Generation sprechen.“ Sie möchte dazu beitragen, dass junge Menschen von der Politik insgesamt mehr beachtet werden und sie will den Emanzipationskampf vorantragen.

Manchmal sei die Arbeit im Parlament nervenaufreibend und frustrierend, aber Politik sei kein Ponyhof und sie hätte auch nie die Illusion gehabt, dass die Arbeit im Bundestag ein Nine-to-five-Job sei. Es gebe ihr ein gutes Gefühl, etwas zum Erhalt von demokratischen Strukturen beizutragen und die Art und Weise zu verändern, wie wir zusammenleben und wirtschaften.

Das Gebäudeenergiegesetz wird verabschiedet

Als Emilia Fester 2021 Bundestagsabgeordnete wurde, hatte der Klimaschutz für sie die höchste Priorität und daran hat sich bis heute nichts geändert. Sie sagt: „Mehr Priorität hatte Klimaschutz noch nie, wir konnten das Klimaschutzgesetz auf den Weg bringen. Ohne uns Grüne stünde der Klimaschutz nicht so weit oben auf der Agenda.“ Es sei zwar nicht immer leicht, sich mit FDP und SPD auf konsequenten Klimaschutz zu einigen, aber erst durch grüne Regierungsbeteiligung hätte das Thema wirklich den Stellenwert bekommen, den es verdient.

Allerdings gab es beim Gebäudeenergiegesetz nicht nur von der Opposition enorm viel Gegenwind. „Die FDP hat immer wieder auf der Bremse gestanden und auch der Kanzler hat sich leider nicht unbedingt hinter die Grünen gestellt. Trotzdem ist das Gebäudeenergiegesetz wichtig und es wird verabschiedet werden, da bin ich sicher “, sagt die Abgeordnete.  

Grüne Werte und eine junge Perspektive in der Politik

Emilia Fester erlebt als junge Frau viele Anfeindungen. Besonders während der Coronapandemie war sie heftigen Angriffen ausgesetzt. Als sie sich im Plenum für die Impfpflicht stark machte, löste das einen Shitstorm aus.

„Nicht nur bei diesem Thema bekam ich von der rechten Seite lautstarke Kritik. Das passiert, um jungen weiblichen Abgeordneten per se die Expertise abzusprechen“, sagt die Abgeordnete und fügt an: „Es wäre gelogen, zu behaupten, dass Hass spurlos an mir vorübergeht. Ich nehme es nicht persönlich, denn es geht nicht nur um mich. Es geht um grüne Werte und eine junge Perspektive in der Politik, die eindeutig den Status quo bestimmter Abgeordneter in Frage stellt.“ Rechte Abgeordnete wollten ein Frauenbild der 1960er-Jahre zurück. Deshalb wehrten sie sich strukturell gegen alles Progressive und diffamierten einzelne Abgeordnete.

Mehr Hilfe für Opfer häuslicher Gewalt

Dass viele Männer immer noch ein problematisches Frauenbild haben, zeigen die dramatischen Zahlen aus dem vergangenen Jahr. In Deutschland wurden wieder mehr Fälle häuslicher Gewalt, besonders gegen Frauen, registriert. Dass die Zahl von 180.000 Opfern einen Anstieg von 9,3 Prozent bedeutet, findet Emilia Fester schockierend. Ebenso frustrierend sei die Tatsache, dass in Deutschland 14.000 Plätze in Frauenhäusern fehlten. Dies sei für unsere Gesellschaft blamabel, denn es gehe in diesem Zusammenhang auch um Gewalt gegen Kinder, die in solchen Familien aufwachsen. „Es ist ernüchternd, dass dem Finanzminister der Opferschutz offensichtlich nicht so wichtig ist, sonst wäre er bei der Finanzierung von Frauenhäusern nicht so zurückhaltend, um es mal freundlich zu formulieren“, sagt Emilia Fester. Als Mitglied im Familienausschuss wolle sie sich in den kommenden zwei Jahren weiter dafür einsetzen, dass Frauen besser geschützt und Frauenhäuser besser finanziert werden.

Als Bundestagsabgeordnete lag Emilia Fester die Streichung von Paragraf 219a StGB (Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche) besonders am Herzen. Sie sei glücklich darüber, dass es in der Ampelregierung endlich möglich wurde, am 24. Juni vergangenen Jahres den Paragrafen 219a ersatzlos zu streichen.  

Kunst und Kultur in der Gesellschaft

Eine besondere Herzensangelegenheit sind für Emilia Fester die Selbstständigen aus Kunst und Kultur, damit sie in Zukunft eine Perspektive haben. „Erst hat die Coronapandemie den Kulturbereich besonders hart getroffen, dann stieg die Inflation durch den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf die Ukraine. All das hat für eine große Unsicherheit bei Künstlern und Kulturschaffenden gesorgt“, sagt die Politikerin.

Die Fragen, die sich die Gesellschaft heute stellen müsse, lauteten: Wie könne man den Kulturbetrieb und die (Solo-)Selbstständigen auf sichere Füße stellen? Wie viel Geld braucht eine Kulturszene, die bunt und vielfältig ist? Was wäre eine Gesellschaft ohne Kunst und Kultur? „Armselig“ antwortet Emilia Fester und fügt an: „Weil es eine Gesellschaft ohne Kultur nicht geben kann, sollte Förderung und Schutz von Kultur als Staatsziel im Grundgesetz verankert werden. Für Änderungen im Grundgesetz gibt es zwar hohe Hürden, aber in dieser Frage hätten wir vermutlich sogar die CDU auf unserer Seite, das stimmt mich optimistisch.“

Trilog-Verhandlungen zum GEAS

Weniger optimistisch ist Emilia Fester beim Thema Gemeinsames Europäisches Asylsystem (GEAS). Die Entscheidung, dass Geflüchtete künftig an den EU-Außengrenzen ein Asylverfahren durchlaufen müssen, sei ein Armutszeugnis für Europa, meint Fester.

Sie sagt: „Ich setze auf die Trilog-Verhandlungen zwischen Europäischem Parlament, Rat und Kommission über die GEAS-Reform. Es muss erreicht werden, dass wenigstens Familien mit Kindern von den neuen Grenzverfahren ausgeschlossen werden.“ Diese Menschen kämen aus Ländern, aus denen sie aufgrund von politischer Verfolgung, Krieg und eklatanter Armut geflüchtet seien. Dass Teile der Grünen dem GEAS als Kompromiss zugestimmt hätten, würde die Partei zerreißen.

Schlechtes Verhalten von Abgeordneten im Plenarsaal

Was die politische Kultur im Plenum und das parlamentarische Verhalten einiger Abgeordneten im Plenarsaal betrifft, ist Emilia Fester immer wieder schockiert. Besonders wenn junge Frauen ans Rednerpult treten, würden die Abgeordneten von rechts dazwischen brüllen oder sich lautstark unterhalten. Mit Debattenkultur hätte das nichts zu tun, sondern es signalisiere maximales Desinteresse. Hier würde sie sich öfter einen Ordnungsruf von der Bundestagspräsidentin wünschen, wenn Abgeordnete ihre Grenzen austesten würden.

Bis zum Ende der Legislatur steht bei Emilia Fester noch viel auf der Agenda. Erst kürzlich wurde sie Vorsitzende der Kinderkommission (Vorsitz rotiert) und hat sich vorgenommen, ausschließlich Sachverständige unter 27 Jahren einzuladen. Damit möchte sie beweisen, dass Kinder und Jugendliche eine ganz eigene Sicht auf Gegenwart und Zukunft und politisches Handeln hätten und einen anderen Anspruch an Nachhaltigkeit. Emilia Fester setzt sich außerdem dafür ein, dass die Kinderrechte nach dem Vorbild der UN-Kinderrechtskonvention ins Grundgesetz kommen. „Und als zweitjüngste Bundestagsabgeordnete trete ich weiter für ein Wahlalter ab 16 Jahren ein, damit die junge Generation endlich an den politischen Entscheidungen in diesem Land beteiligt wird“, sagt Emilia Fester. (bsl/07.08.2023)

Marginalspalte