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Grußwort von Oberbürgermeisterin Katja Dörner bei der Feierstunde anlässlich des 75. Jahrestages der konstituierenden Sitzung des Parlamentarischen Rates am 1. September 2023 in Bonn

[Es gilt das gesprochene Wort.]

Frau Bundestagspräsidentin, Herr Bundeskanzler, Herr Bundesratspräsident, Herr Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Herr Dr. Gauck, Herr Ministerpräsident, Präsidentinnen und Präsidenten der Landesparlamente, Mitglieder des Deutschen Bundestages, sehr geehrte Verantwortliche des Leibniz-Instituts zur Analyse des Biodiversitätswandels und des Museum Koenig, geschätzte Demokratinnen und Demokraten, meine sehr geehrten Damen und Herren,

heute vor 75 Jahren begann an diesem Ort mit dem Zusammentreten des Parlamentarischen Rates die Erfolgsgeschichte unseres Grundgesetzes und unserer bundesdeutschen Demokratie. Sie kennen die Fakten.

Als die 65 stimmberechtigten Mitglieder – vier Frauen, 61 Männer – hier im Lichthof zur Eröffnungsfeier zum ersten Mal zusammentraten, taten sie dies mit dem gemeinsamen Ziel, Lehren aus dem Scheitern der deutschen Demokratie 1933 zu ziehen.

In Bonn konnte man gut arbeiten, bestätigten Mitglieder des Parlamentarischen Rates. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Bis heute ist das Grundgesetz das Fundament unserer Demokratie, die beste Demokratie, die Deutschland je hatte.

Als Bonner Oberbürgermeisterin blicke ich auf die Arbeit des Parlamentarischen Rates dankbar zurück und zugleich in besorgter Verantwortung für die Zukunft unserer Demokratie. Wer unsere demokratische Grundordnung infrage stellt, stellt auch Europa und die Vereinten Nationen als Zusammenschluss für Frieden und Menschenrechte in Frage. Wir brauchen daher verstärkt eine demokratische Bewusstseinsbildung, beispielsweise in Schulen und in gesellschaftspolitischen Projekten für Menschen jeden Alters. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die Entwicklung unserer Demokratie und unseres Grundgesetzes aufmerksam zu verfolgen. Mit dem Internationalen Demokratiepreis Bonn, dessen Kuratorium sich im Herbst vergangenen Jahres konstituiert hat, wollen wir dazu beitragen, demokratische Überzeugungen zu stärken und das Demokratieverständnis zu schärfen. Aus der Rolle unserer Stadt, als Wiege des Grundgesetzes erwächst dabei eine besondere Verantwortung.

Als Lernort für den demokratischen Diskurs und internationale Stadt tritt Bonn weltoffen für Diversität und Minderheiten ein. Wir Bonnerinnen und Bonner hoffen so zu Frieden und Freiheit in einem starken Europa beitragen zu können. Als Oberbürgermeisterin bin ich angetreten für Klimaschutz, Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit. Mit wachsender Sorge (und als Kuratoriumsvorsitzende des Internationalen Demokratiepreises Bonn) ist auch die demokratische Bewusstseinsbildung Teil meiner politischen Zielsetzung. Denn nur wer weiß, welche Rolle unser Grundgesetz für die Entwicklung unserer Demokratie hat, wer den Wert unserer Verfassung für unser Miteinander als Gesellschaft kennt, kann die Gefahren antidemokratischer Bestrebungen beurteilen. Alle demokratischen Kräfte müssen hier zusammenarbeiten: in Bund, Land und auch auf kommunaler Ebene!

Die Mitglieder des Parlamentarischen Rates haben um manchen Artikel gerungen, beispielsweise als es um die Gleichberechtigung der Geschlechter ging. Demokratie ist nicht einfach. Der Diskurs fordert. Einheit in Vielfalt ist aber – auch als fester Bestandteil unseres Föderalismussystems – Basis unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung.

Auch heute muss uns klar sein: Der Austausch von Argumenten und das Finden von Kompromissen ist unabdingbar für die Demokratie. Und es ist das Gegenteil des allenthalben angezettelten Kulturkampfs. Wir Demokratinnen und Demokraten müssen diesen Diskurs, aber auch den Kompromiss, immer wieder pflegen. Wer dies infrage stellt, missachtet die erfolgreiche Arbeit der verfassungsgebenden Versammlung unseres Landes für uns und nachfolgende Generationen.

Ich danke daher dem Deutschen Bundestag, Ihnen, sehr geehrte Frau Bundestagspräsidentin, und allen, die mit Ihrer Anwesenheit heute hier in Bonn zeigen, dass Ihnen Demokratie eine Herzensangelegenheit ist, die Aufmerksamkeit braucht. Dass dies zum 75. Jahrestag der Eröffnungsfeier am historischen Ort und in der Stadt ausgerichtet wird, die die ersten vier erfolgreichen Jahrzehnte der deutschen Demokratie als Bundeshauptstadt diente, erfüllt uns Bonnerinnen und Bonner mit besonderer Freude.

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