Parlament

Christian Schweppe erhält den Medienpreis Parlament 2023

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki hat am Mittwoch, 6. September 2023, den Journalisten Christian Schweppe mit dem diesjährigen Medienpreis Parlament des Deutschen Bundestages ausgezeichnet. Schweppe erhält den Preis für seine eingereichten Recherche-Beiträge „Das Klubhaus“ und „Der Millionenmann“, erschienen in „The Pioneer“, 25. Mai und 13. Dezember 2022. 

Schweppe: Die DPG als „Schattenparlament“…

Christian Schweppe thematisiert in seiner Recherche die Intransparenz der „Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft“ (DPG), die sich seit ihrer Gründung von einer überparteilichen Vereinigung von Abgeordneten zur Pflege der demokratischen Kultur zu einem Schattenparlament einseitiger Interessenvertretung gewandelt habe. 

Hier würden sich Wirtschaftslobbyisten die Aufmerksamkeit der gewählten Volksvertreter einkaufen, um bei exklusiven Treffen „die richtigen Ideen“ zu platzieren. In Rahmen einer „kultivierten Verschlossenheit“ würden Abhängigkeiten entstehen und von diesem Schattenparlament wolle man im Sinne kleiner, reicher Minderheiten die Meinungsbildung im benachbarten großen Bundestag beeinflussen.

… fördert Demokratieverdrossenheit

Ein solcher Verein fördere nicht den Parlamentarismus, sondern Demokratieverdrossenheit. Interessenvertretung, Orte für vertrauliche Gespräche mögen zur Demokratie gehören, so Schweppe. Die Frage sei, wie nachvollziehbar alles ist. „In der DPG bleibt fast alles nebulös“, so der Autor, „es mangelt an Fingerspitzengefühl.“ „Eine fast höfische Form der Beziehungspflege“ habe sich etabliert, welche die „Monetarisierung des Politischen“ fördere.

„Wenn Kontakte zur Industrie in dieser Weise institutionalisiert werden, hat es mehr als einen unangenehmen Beigeschmack.“ Zumal die DPG von Steuergeldern profitiere und als Verein kaum Kontrollen unterliege. „Dass eine Institution auf den Prüfstand gehört, die den Politikverdruss durch bedenkliche Praktiken vielleicht befeuert, scheint klar.“ Mandatsträger seien keine Interessenvertreter, sondern „Volksvertreter, die dem Gemeinwohl dienen sollten. Wie dieses aussieht, wird maßgeblich im Bundestag bestimmt, nicht im Kaminzimmer der DPG.“

Hollitzer: Beitrag für mehr Transparenz

„Konkret und minutiös“ habe Schweppe nachgezeichnet, wie legitime Interessenvertretung, Lobbyismus und „nicht mehr ganz so saubere Interessenvertretung“ in der DPG „ineinander übergehen“, erklärte die Jury in der Präsentation zur Begründung ihrer Entscheidung. Die Autor sei ganz tief eingetaucht, habe viele Facetten freigelegt und zeige ein noch nicht dagewesenes Gesamtbild. Schweppes Beitrag vermittele, obwohl man dort keine Fotos machen dürfe, einen sehr genauen Eindruck davon, wie es in der „PG“ aussehe. Es gehe um Vertrauen und Glaubwürdigkeit in der Demokratie.

Schweppe zeichne in seinen beiden investigativen Recherchen anhand eines konkreten Beispiels ein großes Bild von Einflüssen elitäre Zirkel, sagte Jurymitglied Jan Hollitzer in seiner Laudatio. „Die Texte bieten Einblicke hinter Mauern, die sonst einem auserlesenen Kreis vorbehalten sind.“ Die Beiträge seien „eine Antwort auf die Forderung nach mehr Transparenz für das Wirken und Entscheiden der Mächtigen“. Der Preis solle „alle Medienschaffenden ermutigen, Rechercheergebnisse in aller notwenigen Länge zu veröffentlichen, und zugleich Politikerinnen und Politiker zu mehr aktiver oder unaufgeforderter Transparenz animieren.“

Kubicki: Einig im Interesse am Erhalt des Rechtsstaates 

Journalisten und Politiker eine das Interesse, „dass der demokratische Rechtsstaat“ in schwierigen Zeiten wie diesen „nicht auseinander fliegt“, sagte Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki. Es gebe Anlass zur Sorge, wenn heute nur noch 51 Prozent der jungen Leute angäben damit zufrieden zu sein, wie die parlamentarische Demokratie funktioniere. Die diesjährige Jury-Entscheidung werde „nicht völlige Begeisterung im hohen Hause auslösen“, vermutete Kubicki bei der Würdigung des Preisträgers. Um mit Mythen über die PG aufzuräumen gewähre er gerne Einblick, bot er seinen Zuhörern scherzhaft an. 

Die Parlamentarische Gesellschaft habe 780 Mitglieder. Viel werde über deren Mitgliedsbeiträge finanziert. „Wenn wir dort essen und trinken, zahlen wir die Zeche selbst.“ Alle begegneten und sähen sich dort. „Die Vermutung, da passiert was Geheimnisvolles, ist ambitioniert“, sagte der Bundestagsvizepräsident in dem von Jurymitglied Pinar Atalay moderierten Podiumsgespräch, an dem auch die für den Preis Nominierten teilnahmen. 

Jury: Bereits Nominierung ist eine Auszeichnung

Dass sich die Jury für diesen Beitrag entschieden habe, unterstreiche die Unabhängigkeit des Deutschen Bundestages. Nicht nur der Gewinner-Beitrag sei beachtenswert, auch die beiden anderen nominierten Texte seien ausgezeichnet, betonte Atalay. Ebenfalls nominiert und zur Preisverleihung geladen waren Claudia Beckschebe und Marco Wedig mit ihrem Beitrag „Ohne sie läuft hier nichts“, erschienen in Dein Spiegel, Ausgabe 07/ 2022 sowie Roman Deininger und Boris Herrmann mit ihrem Beitrag „Die Lümmel von der letzten Bank“ aus der Süddeutschen Zeitung vom 22./23. Oktober 2022.

Ob Plenarassistent, Bundestagspolizist oder Stenografin: In ihrem Beitrag „Ohne sie läuft hier nichts“ erklären Beckschebe und Wedig für junge Leserinnen und Leser verständlich in zehn Berufe-Porträts, wer außer den gewählten Abgeordneten im Deutschen Bundestag noch arbeitet und das reibungslose Funktionieren des Parlaments ermöglicht. Die Autoren schafften es, den Kindern „Demokratie auf anschauliche Weise“ zu vermitteln, „so dass auch etwas hängen bleibt“, urteilte die Jury.

In ihrem Artikel „Die Lümmel von der letzten Bank“ beobachten Deininger und Herrmann, wie die vier bekannten CDU-Politiker Ralph Brinkhaus, Armin Laschet, Wolfgang Schäuble und Jens Spahn mit dem Verlust der Regierungsmehrheit und mit ihrem eigenen Machtverlust nun als „einfache“ Bundestagsabgeordnete zurechtkommen und nach neuen Aufgaben suchen. „Mit Sympathie und Distanz“ schilderten die beiden Autoren vier Männer, die sich noch immer als Teil des politischen Spiels begriffen und schon ihren nächsten Zug planten.

Jury in der 20. Wahlperiode, 30 Jahre Medienpreis

Der Jury gehören Pinar Atalay von RTL, Shakuntala Banerjee, stellvertretende Leiterin des ZDF-Hauptstadtstudios, Anita Fünffinger, Korrespondentin im ARD-Hauptstadtstudio (Bayerischer Rundfunk), Tina Hildebrandt, Chefkorrespondentin der Wochenzeitung „Die Zeit“, Jan Hollitzer, Chefredakteur der Tageszeitung „Thüringer Allgemeine“, Prof. Dr. Claudia Nothelle, Professorin für Fernsehjournalismus an der Hochschule Magdeburg-Stendal, und Marc Felix Serrao, Chefredakteur der Neuen Zürcher Zeitung in Deutschland, an. Eine neue Jury wird jeweils zu Beginn einer Legislaturperiode von der Bundestagspräsidentin ernannt.

Mit dem seit 1993 vergebenen Medienpreis des Deutschen Bundestages werden herausragende publizistische Arbeiten gewürdigt, die zur Beschäftigung mit Fragen des Parlamentarismus anregen und zu einem vertieften Verständnis parlamentarischer Abläufe, Arbeitsweisen und Themen beitragen. Die eingereichten Arbeiten für das diesjährige Preisverfahren mussten zwischen dem 1. Januar und dem 31. Dezember 2022 in Tages- oder Wochenzeitungen und in Online-Medien erscheinen oder in Rundfunk oder Fernsehen ausgestrahlt worden sein. Die siebenköpfige Jury hat sich aus den insgesamt 51 eingereichten Beiträgen auf drei journalistische Arbeiten geeinigt, die für die Auszeichnung infrage kommen. Der Preis ist mit 5.000 Euro dotiert. (ll/06.09.2023)

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