Parlament

Abschließende Beratungen ohne Aussprache

Ohne Aussprache hat der Bundestag am Donnerstag, 21. September 2023, über eine Reihe von Vorlagen abgestimmt:

Nordirak: Gegen die Stimmen der Antragsteller wies das Parlament einen Antrag der AfD (20/2597) zurück, in dem diese Sanktionen gegen das türkische Vorgehen im Nordirak  fordert. Die AfD-Fraktion wendet sich gegen den „völkerrechtswidrigen Einmarsch der Türkei in die Kurdengebiete in Nordirak“ und fordert die Bundesregierung zur Verhängung von Sanktionen auf. „Am 18. April 2022 marschierte die Türkei mit Artillerie, Kampfflugzeugen und Hubschraubern in den Nordirak ein, um Angriffe auf Lager, Tunnel, Munitionsdepots und Unterstände der kurdischen PKK (in der EU als Terrororganisation gelistet) durchzuführen“, schreiben die Abgeordneten. Völkerrechtlich gebe es dafür weder eine Legitimation durch eine Einladung der irakischen Regierung noch durch eine akute Selbstverteidigungslage im Sinne des Artikels 51 der UN-Charta zugunsten der Türkei. Die Bundesregierung sei vor diesem Hintergrund aufgefordert, „den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der Türkei im Nordirak aufs Schärfste zu verurteilen“ und zusammen mit den europäischen Partnern „Sanktionen gegen die für diesen Angriffskrieg verantwortlichen Entscheidungsträger und seine Unterstützer zu verhängen“. Der Abstimmung lag eine Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses (20/3585) zugrunde.

Streitverfahren: Bei Enthaltung von AfD und Linken nahm der Bundestag eine Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zu den Streitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht 2 BvE 6 / 23 und 2 BvR 994 / 23 (20/8426) an. 

Abgesetzt: Zusammenarbeit mit Afrika: Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit mit afrikanischen Partnerländern soll sich nach dem Willen der AfD-Fraktion in Zukunft strikt an den ökonomischen Interessen Deutschlands sowie am wirtschaftlichen Prosperieren der afrikanischen Partnerländer orientieren. Alle „ideologischen Projekte rund um die Leitmotive 'Klimaschutz', Gender Mainstreaming und Feminismus“ sollen eingestellt werden, verlangen die Abgeordneten in einem Antrag (20/8206), dessen Abstimmung von der Tagesordnung des Bundestages abgesetzt wurde. Angesichts der zunehmenden Rohstoffknappheit in Deutschland sei es dringend geboten, dass die Bundesregierung die Bemühungen der deutschen Unternehmen um neue Rohstoffpartnerschaften mit Afrika unterstütze, betont die Fraktion.

Petitionen: Darüber hinaus stimmte das Parlament 14 Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses zu Petitionen zu, die beim Bundestag eingegangen und vom Petitionsausschuss beraten worden waren. Es handelte sich um die Sammelübersichten 395 bis 408 (20/8235, 20/8236, 20/8237, 20/8238, 20/8239, 20/8240, 20/8241, 20/8242, 20/8243, 20/8244, 20/8245, 20/8246, 20/8247, 20/8248).

Merkzeichen für Autismus-Betroffene im Schwerbehindertenausweis

Darunter befand sich auch eine Petition mit der Forderung, ein weiteres Merkzeichen (das Merkzeichen W) für den Schwerbehindertenausweis einzuführen. Dieses solle für Menschen mit Besonderheiten der Wahrnehmung, wie beispielsweise Autismus, gelten, schreibt die Petentin. Das Merkzeichen solle Betroffenen unter anderem ein Einzelzimmer im Krankenhaus oder Bahnfahrten in der 1. Klasse ermöglichen, heißt es in der öffentlichen Petition (ID129760).

Menschen mit Autismus hätten oftmals eine Reizfilterschwäche, schreibt die Petentin. Zu viele Reize überforderten sie und endeten oft in schlimmen Zuständen. Besonders ein stationärer Aufenthalt im Krankenhaus stelle auf Grund der sensorischen Besonderheiten und mangels Vorausschaubarkeit für viele Autisten eine große Belastung dar. Dort gebe es keine Rückzugsräume, „da man immer einen Mitpatienten hat“. Da sich Ärzte oft nur sehr schlecht mit den Bedürfnissen autistischer Menschen auskennen würden, reagierten sie oft sehr ungehalten auf die Frage, ob aus medizinischen Gründen ein Einzelzimmer bezogen werden kann. Mit einem Merkzeichen W im Schwerbehindertenausweis wäre aus Sicht der Petentin der Anspruch von vornerein geklärt „und Ärzte müssen sich daran halten“.

Die in der Sitzung des Petitionsausschusses am 6. September 2023 verabschiedete Beschlussempfehlung an den Bundestag sieht nun vor, die Petition dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und dem Bundesministerium für Gesundheit „als Material“ zu überweisen, „soweit es um die Verbesserung des Zugangs zum Gesundheitssystem für Menschen mit Besonderheiten der Wahrnehmung und eine Überprüfung der Erweiterung des Kreises der schwerbehinderten Menschen, die eine Reizfilterschwäche haben, geht“, und das Petitionsverfahren „im Übrigen abzuschließen“. Den Verfahrensgrundsätzen des Petitionsausschusses zu Folge bedeutet dies, dass die Bundesregierung die Petition – mit der erwähnten Einschränkung - „in die Vorbereitung von Gesetzentwürfen, Verordnungen oder anderen Initiativen oder Untersuchungen einbeziehen soll“.

Bedürfnisse von Menschen mit Autismus bei Klinikpersonal

In der Begründung zu seiner Beschlussempfehlung verweist der Petitionsausschuss darauf, dass Kenntnisse bezüglich Methoden der Reizabschirmung oder der besonderen Bedürfnisse von Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen beim Personal in nicht-psychiatrischen Abteilungen von Allgemeinkrankenhäusern „gegenwärtig wohl nicht ohne Weiteres vorausgesetzt werden können“. Zwar sollten bei psychischen Auffälligkeiten von Patientinnen und Patienten stets konsiliarpsychiatrische Dienste hinzugezogen werden, die wiederum die im Einzelfall durchzuführenden therapeutischen Maßnahmen festlegen. Anzumerken sei aber, dass eine solche Beurteilung der Notwendigkeit der Hinzuziehung eines konsiliarpsychiatrischen Dienstes wiederum dem ärztlichen Personal nicht-psychiatrischer Abteilungen obläge.

Auch wenn in der Regel Maßnahmen der Reizabschirmung bei psychischen Erkrankungen im Rahmen der psychiatrischen Akut- und Notfallbehandlung erforderlich sind, so räumt der Petitionsausschuss ein, „dass die Möglichkeit der Notwendigkeit solcher Maßnahmen ebenfalls im Rahmen von stationären somatischen Krankenhausbehandlungen bestehen kann“. Gleiches gelte für die drohende Gefahr der (Eigen-)Gefährdung der von Reizfilterschwächen betroffenen Personen, wenn diese einen stationären Krankenhausaufenthalt trotz eines akut gesundheitsbedrohenden Zustandes zu meiden versuchen.

Ob nun die Feststellung einer Schwerbehinderung in Verbindung mit der Zuerkennung des geforderten Merkzeichens und der damit einhergehenden dauerhaft konzipierten Schutzrechte für die Betroffenen, diese besonderen Bedürfnisse von Menschen mit Reizfilterschwäche angemessen berücksichtigen oder ob es andere geeignetere Möglichkeiten zugunsten der Betroffenen gibt, vermag der Petitionsausschuss nicht abschließend zu beurteilen, heißt es in der Vorlage. Gleichwohl ist er der Auffassung, „dass ein Handlungsbedarf für Menschen mit Besonderheiten der Wahrnehmung – insbesondere Reizfilterschwäche – besteht, um diesen einen sicheren Zugang zum Gesundheitssystem zu ermöglichen“.

(hau/joh/eis/21.09.2023)

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