Mit großer Mehrheit hat der Bundestag einen Antrag der AfD-Fraktion (20/6485) auf einen „Elf-Punkte-Plan zum Schutz der Grenzen und vor unregulierter Massenmigration“ zurückgewiesen. Mit 603 gegen 75 Stimmen lehnte das Parlament die Vorlage am Donnerstag, 28. September 2023, in namentlicher Abstimmung bei einer Enthaltungen ab. Dazu hatte der Innenausschuss eine Beschlussempfehlung (20/6785) vorgelegt.
Erster Antrag der AfD
In dem Antrag forderte die Fraktion die Bundesregierung auf, zur Verhinderung illegaler Grenzübertritte nach Deutschland „sofortige temporäre stationäre Grenzkontrollen zur durchgehenden Sicherung der Landgrenzen“ einzuführen und „Gewahrsamszentren unmittelbar an den Grenzen zur Sicherung sofortiger aufenthaltsbeendender Maßnahmen im Falle von unzulässigen Schutzanträgen einzurichten“. Ebenso sollte die Bundesregierung der Vorlage zufolge die Einrichtung eines Programms prüfen, durch das in Deutschland ankommende Asylbewerber zur Prüfung ihrer Asylanträge in ein Drittland überstellt werden können.
Ferner wurde die Bundesregierung in dem Antrag aufgefordert, ein „strenges Sachleistungsprinzip für Asylbewerber“ umzusetzen sowie die Rückführung von vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländern „in Verbindung mit der zeitnahen Prüfung der Förderungsmöglichkeit des Ausbaus von Abschiebehaftplätzen“ zu forcieren. Darüber hinaus forderte die Fraktion von der Bundesregierung, eine Erweiterung des Paragrafen 71 des Aufenthaltsgesetzes um eine Zuständigkeit für aufenthaltsbeendende Maßnahmen für aufgegriffene Personen im Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei im Inland anzustrengen.
Des Weiteren machte sich die Fraktion unter anderem dafür stark, die Bekämpfung illegaler Migration und den Schutz deutscher Grenzen „unter die Federführung des Bundeskanzleramtes zu stellen, um diese Angelegenheit dauerhaft als Chefsache zu behandeln“. Auch pochte sie darauf, dass der Innenausschuss des Bundestages von der Bundesregierung „zeitnah, dauerhaft, schriftlich und vor allem proaktiv“ über lagerelevante Ereignisse zum Migrationsgeschehen an deutschen Grenzen oder mit einem Bezug zu Deutschland informiert wird.
Zweiter Antrag der AfD
Erstmals debattierte das Parlament in der Aussprache zudem über einen weiteren AfD-Antrag (20/8156), die „Befugnisse der Bundespolizei bei Abschiebungen zur Bewältigung der Massenmigration“ zu stärken. Der Antrag wurde im Anschluss an die Aussprache zur weiteren Beratung in den federführenden Ausschuss für Inneres und Heimat überwiesen. Darin wird die Bundesregierung zugleich aufgefordert, eine zukünftige Gesetzesvorlage für ein neu einzuführendes Bundespolizeigesetz „in thematisch und gegebenenfalls auch zeitlich getrennte Gesetzespakete aufzuteilen, um damit auch die Chance einer Akzeptanz im Bundesrat zu erhöhen“.
In diesem Kontext soll die Bundesregierung nach dem Willen der Fraktion im Rahmen eines Gesetzentwurfs die Befugnis vorsehen, vollziehbar ausreisepflichtige Drittstaatsangehörige in gesetzlich definierten Fällen besonderer Bedeutung abschieben zu dürfen, wenn diese im Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei wie etwa an Bahnhöfen oder Flughäfen aufgegriffen werden. „Fälle besonderer Bedeutung“ sollen dabei laut Vorlage insbesondere dadurch gekennzeichnet sein, dass der entsprechende Drittstaatsangehörige „als Gefährder, Relevante Person oder Intensiv- oder Mehrfachstraftäter behördlich bekannt ist oder sonst strafauffällig geworden ist“.
Zudem spricht sich die Fraktion dafür aus, im Rahmen des Gesetzentwurfs den örtlichen Einsatzbereich für grenzpolizeiliche Aufgaben „über die derzeit gesetzlich festgelegten 30 Kilometer ins Landesinnere hinaus auf mindestens 50 Kilometer“ zu erweitern und den seeseitigen Fahndungskorridor der Bundespolizei über die im Bundespolizeigesetz festgelegte 50-Kilometer-Grenze hinaus auf mindestens 80 Kilometer.
AfD: Kontrollverzicht zum Schaden des Landes
In der Debatte warf Martin Hess (AfD) der Koalitionsregierung eine „desaströse“ Migrationspolitik vor. Dabei erlebe man keinen Kontrollverlust, sondern einen Kontrollverzicht zum Schaden des Landes. Derweil seien die Belastungsgrenzen der Kommunen bei der Aufnahme von Migranten bei weitem überschritten.
Die SPD verkünde zwar, sie wolle die Migration begrenzen, sei aber gegen eine Obergrenze. Gebraucht werde die „Festung Europa“ zur Sicherung der Außengrenzen.
SPD: Forderung nach Obergrenze ist geschichtsvergessen
Uli Grötsch (SPD) hielt im Gegenzug der AfD vor, sie wolle die Bundespolizei zur „Abschiebepolizei“ machen und für ihre Politik instrumentalisieren. Die Forderung nach einer Obergrenze sei nicht nur geschichtsvergessen, sondern zeige auch die Unbelehrbarkeit der AfD.
Dagegen arbeite die Regierungskoalition ernsthaft an diesem Thema und sei dabei auf einem guten Weg. So arbeite sie an schnelleren Asylverfahren und werde die Schleuserkriminalität verstärkt bekämpfen.
CDU/CSU: Illegale Migration zur Chefsache machen
Michael Brand (CDU/CSU) entgegnete, nicht Migration sei das Problem, sondern die illegale und ungesteuerte Migration. Die immer lauter werdenden Hilferufe der Kommunen müssten endlich einmal auch gehört werden.
Die Bundesregierung lasse die Kommunen aber weiter im Stich, kritisierte Brand. Zugleich appellierte er an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), das Thema Illegale Migration zur Chefsache zu machen.
Grüne: Mehr stationäre Grenzkontrollen bringen nichts
Marcel Emmerich (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte, die AfD-Anträge hätten nichts damit zu tun, die Bundespolizei zu entlasten. Mehr stationäre Grenzkontrollen brächten den Menschen nichts, sondern führten nur zu weiteren Belastungen der Bundespolizei.
Natürlich müsse man den Kommunen helfen und sie finanziell unterstützen. Ebenso müsse man die Integration erleichtern und Arbeitsverbote für Flüchtlinge abschaffen.
Linke: AfD instrumentalisiert Migration
Clara Bünger (Die Linke) hielt der AfD vor, sie instrumentalisiere Migration für ihre Zwecke und stelle sie permanent als „Grundproblem für alle Probleme“ dar.
Die Finanzprobleme der Kommunen bestünden bereits seit Jahrzehnten. Dies interessiere die AfD aber ebenso wenig, wie sie sich für die Menschen in den Kommunen interessiere, fügte Bünger hinzu. Stattdessen entzünde die AfD ein „menschenfeindliches Feuer“.
FDP: Regierungskoalition reagiert auf diese Situation
Manuel Höferlin (FDP) konstatierte, der Migrationsdruck nach Europa und Deutschland sei hoch und zuletzt weiter gestiegen, und die Kommunen seien am Limit. Die Regierungskoalition reagiere auf diese Situation mit einer Fülle von Maßnahmen.
Dazu zählten etwa eine Entlastung durch mehr sichere Herkunftsländer und Migrationsabkommen mit anderen Staaten. Notwendig sei, irreguläre Migration zu reduzieren und mehr reguläre Migration zu erleichtern. Dies habe die Ampel eingeleitet. (sto/28.09.2023)