Parlament

Abschließende Beratungen ohne Aussprache

Ohne Aussprache hat der Bundestag am Donnerstag, 12. Oktober 2023, über einige Vorlagen abgestimmt:

KfZ-Verbrauchsdaten: Der Bundestag hat mit den Stimmen von SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP dem Entwurf der Bundesregierung für eine Verordnung über die Erfassung und Übermittlung von Kfz-Verbrauchsdaten an die EU-Kommission (20/7873, 20/8267 Nr. 2.1) zugestimmt. Linke und AfD votierten gegen die Verordnung. Abgestimmt wurde auf der Grundlage einer Beschlussempfehlung des Umweltausschusses (20/8789). Mit der Verordnung sollen die Technischen Prüfstellen oder andere „amtlich anerkannte Überwachungsorganisationen“ als die zur Hauptuntersuchung berechtigte Stellen beauftragt werden, Energieverbrauchsdaten und Identifikationsnummern von Fahrzeugen zu erfassen und an das Kraftfahrtbundesamt (KBA) zu übermitteln. Das KBA wiederum soll angewiesen werden, die Daten gemäß der EU-Durchführungsverordnung an die Europäische Umweltagentur weiterzugeben. So könne die EU-Kommission die Wirksamkeit der europäischen Vorschriften über Energieverbrauch und CO2-Emissionen von Fahrzeugen zum Schutz des Klimas prüfen, schreibt die Bundesregierung. Die Durchführungsverordnung (EU) 2021/392 verpflichte die Mitgliedstaaten, sicherzustellen, dass Energieverbrauchsdaten erfasst werden. Dies geschehe, wenn Fahrzeuge der technischen Überwachung im Rahmen der Hauptuntersuchung unterzogen würden, heißt es in der Vorlage. Die Verbrauchsdaten sollen nun jährlich zusammen mit der Fahrzeugidentifikationsnummer an die Europäische Umweltagentur übermittelt werden. „Die Erfassung der Daten hat spätestens ab Mai 2023 zu beginnen“, heißt es in der Verordnung der Bundesregierung. Bei neuen Pkw und neuen leichten Nutzfahrzeugen der Gruppe I mit Verbrennungsmotor sowie Hybridantrieb sei bereits seit 1. Januar 2021 eine fahrzeuginterne Einrichtung zur Überwachung des Kraftstoff- und /oder Stromverbrauchs verbindlich vorgeschrieben, erklärt die Bundesregierung in der Vorlage. Gleiches gelte seit 1. Januar 2022 auch für neue leichte Nutzfahrzeuge der Gruppen II und III. Die Einrichtung speichere den „Lebenszeit-Energieverbrauch des Fahrzeugs zusammen mit den Gesamtkilometern des Fahrzeugs“, so die Bundesregierung. 

Flüchtlingskosten: Die Abgeordneten stimmten für einen Entwurf für ein Pauschalentlastungsgesetz (20/8296) ab. Neben den Koalitionsfraktionen stimmte auch Die Linke für das Gesetz. Union und AfD votierten dagegen. Der Haushaltsausschuss hatte dazu eine Beschlussempfehlung (20/8774) vorgelegt. Die Bundesregierung will mit dem Gesetz die Länder im Jahr 2023 unterm Strich mit 3,4 Milliarden Euro bei den flüchtlingsbezogenen Kosten entlasten. Das soll dadurch geschehen, dass die Länder im Jahr 2023 einen um 3,4 Milliarden Euro höheren Anteil aus der Umsatzsteuer erhalten. Mit dem Gesetz will die Bundesregierung unter anderem die Beschlüsse der Ministerpräsidenten der Länder und des Bundeskanzlers vom 2. November 2022 und vom 10. Mai 2023 umsetzen und Länder und Kommunen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben im Bereich der Fluchtmigration entlasten, heißt es in der Zielbeschreibung. 2024 sollen die Länder noch 0,9 Milliarden Euro mehr aus dem Säckel der Umsatzsteuer erhalten. Mit der neuen Pauschale werde die bisher bestehende Pauschale für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge abgelöst. Ferner erklärt die Bundesregierung in der Zielbeschreibung des Gesetzes, dass die Länder auch die Voraussetzungen für die Auszahlung der dritten Tranche des am 29. September 2020 beschlossenen Pakts für den Öffentlichen Gesundheitsdienstes erfüllen. Für 2023 wird deshalb der Anteil der Länder an der Umsatzsteuer um weitere 0,5 Milliarden Euro zulasten des Bundes erhöht. Ein weiterer Punkt des Gesetzes ist die Auflösung des Fonds, in dem die Erlöse aus der Veräußerung von Mauer- und früheren innerdeutschen Grenzgrundstücken verwahrt wurden. „Der Zweck des Fonds ist nach 27 Jahren weitestgehend erfüllt“, schreibt die Bundesregierung. Die Bundesregierung habe den Gesetzentwurf dem Bundesrat am 18. August 2023 als besonders eilbedürftig zugeleitet, schrieb Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in seinem Begleitschreiben an Bundestagspräsidentin Bärbel Bas. Die Stellungnahme des Bundesrates sowie die Auffassung der Bundesregierung zu der Stellungnahme wurden dem Bundestag (20/8667) nachgereicht.

Nachhaltigkeit: Mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP  und Linksfraktion wurde ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion zu Nachhaltigkeit (20/3688) abgelehnt, der angesichts internationaler Krisen und gesellschaftlich-wirtschaftlicher Transformationsprozesse forderte, die nachhaltige Entwicklung „krisenfest“ zu machen. Neben der Unionsfraktion stimmte auch die AfD für den Antrag. Der Abstimmung lag eine Beschlussempfehlung des Umweltausschusses (20/7415) zugrunde. Demnach sollte „schnellstmöglich“ zu einer soliden Haushaltspolitik zurückgekehrt und Bestrebungen in der Koalition zur Aufweichung oder Abschaffung der Schuldenbremse entgegengetreten werden. Weitere Forderungen der Unionsfraktion zielten auf die schnellere Infrastrukturentwicklung per Gesetz, straffere Planungs- und Genehmigungsverfahren mithilfe gesetzlicher Stichtagsregelungen und den verstärkten Ausbau erneuerbarer Energien etwa durch den Abbau von Hemmnissen bei der Errichtung von Photovoltaik- und Solarthermie-Anlagen. Auch für die verstärkte Nutzung von Agri-Photovoltaik und Bioenergie, letztere durch eine temporäre Aufhebung des „Verhinderungs-Deckels“ im Baugesetzbuch – also einem Abbau baurechtlichen Hürden für Biogasanlagen – plädierten die Abgeordneten in ihrem Antrag. Schließlich setzten sie sich für eine Stärkung der regionalen Nahrungsmittelproduktion ein: So sollte die geplante Tierhaltungskennzeichnung auch für Lebensmittel aus anderen EU- und aus Drittstaaten gelten, die Lebensmittelverschwendung reduziert und die Möglichkeiten neuer genomischer Techniken zur Züchtung landwirtschaftlicher Nutzpflanzen vorangebracht werden.

Arktis-Beauftragter: Mit allen übrigen Stimmen des Hauses lehnte der Bundestag zudem einen Antrag der AfD-Fraktion (20/6004), der sich für die Berufung eines deutschen Beauftragten für die Arktis im Range eines Botschafters einsetzte, ab. Entschieden wurde auf Grundlage einer Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses (20/8437). In ihrem Antrag argumentiert die Fraktion, dass die arktische Region durch ihre Lage, ihren Reichtum an Bodenschätzen wie Öl, Erdgas, Seltene Erden oder Eisen, als Raum für Güterschiffsverkehr und als Ökosystem von herausragender Bedeutung sei. Hinzu kämen die geostrategischen Aspekte und die Konkurrenz vor allem unter den Anrainerstaaten USA, Kanada, Dänemark, Norwegen und Russland sowie die weiteren Mitglieder im Arktischen Rat Schweden, Finnland und Island. „Deutschland ist ein relativ rohstoffarmes Land, das für die Sicherung seiner energieintensiven Wirtschaft auf Ressourcen wie Gas, Öl und Erze dringend angewiesen ist“, schrieben die Abgeordneten. Mit der Berufung eines Beauftragten im Range eines Botschafters sollten die Interessen Deutschlands in dieser „wichtigen Region“ auf ranghoher Ebene vertreten werden. 

Glasfaser: Die Bundestagsabgeordneten stimmten mit den Stimmen aller übrigen Fraktionen gegen einen Antrag der CDU/CSU-Fraktion (20/5986) gegen den sogenannten Glasfaser-Überbau. Den Abgeordneten lag zur Abstimmung eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für Digitales (20/8724) vor. Die Union forderte unter Berücksichtigung der Unabhängigkeit der Wettbewerbsbehörden, darauf hinzuwirken, dass diese die Überbauvorhaben in Deutschland überprüfen. Geprüft werden sollte, ob ein Behinderungsmissbrauch oder andere Verstöße gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb und das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen vorliegen. Zudem sollte eine Meldestelle bei der Bundesnetzagentur eingerichtet werden. Bei dieser sollten Kommunen und Unternehmen Fälle melden können, in denen ein angekündigter Überbau eines noch nicht im Bau befindlichen Glasfasernetzes dazu geführt hat, dass letztlich kein Anbieter im betreffenden Gebiet ein Glasfasernetz errichtet hat, hieß es in dem Antrag. 

Streitverfahren: Der Bundestag hat mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Enthaltung der Oppositionsfraktionen eine Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zu den Streitverfahren 2 BvE 2 / 23 und 2 BvF 1 / 23 vor dem Bundesverfassungsgericht (20/8766) angenommen. Damit wird die Bundestagspräsidentin unter anderem gebeten, für die Verfahren einen Prozessbevollmächtigten zu stellen. In der Sache richten sich beide Verfahren gegen die jüngste Novellierung des Bundeswahlgesetzes (BWahlG). Im Organstreitverfahren sieht sich die CSU durch die Beschlussfassung des Deutschen Bundestages über das Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes und des Fünfundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes vom 17. März 2023 in ihrem Recht auf Chancengleichheit im demokratischen Prozess sowie in der Freiheit der Betätigung als politische Partei aus Artikel 21 Absatz 1 GG verletzt und beantragt die entsprechende Feststellung durch das Bundesverfassungsgericht.

Abgesetzt: Sichere Herkunftsstaaten: Der Bundestag hat die Entscheidung über einen Gesetzentwurf der CDU/CSU-Fraktion zur Einstufung Georgiens und der Republik Moldau als asylrechtlich sichere Herkunftsstaaten (20/7251) von der Tagesordnung abgesetzt. Den Abgeordneten sollte zur Abstimmung eine Beschlussempfehlung des Innenausschusses vorliegen. In ihrem Gesetzentwurf führt die Fraktion aus, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl, Flüchtlingsschutz oder subsidiärem Schutz bei Antragstellern aus Georgien und der Republik Moldau nur in wenigen Einzelfällen vorlägen. Im Zeitraum von Januar 2021 bis Mai 2023 sei dies nur in 24 von 14.180 entschiedenen Asylverfahren (0,17 Prozent) von georgischen Staatsangehörigen und nur in sechs von 11.498 entschiedenen Asylverfahren (0,05 Prozent) von moldawischen Staatsangehörigen der Fall gewesen. Wie die Fraktion zugleich darlegt, können durch die Einstufung von Georgien und der Republik Moldau als sichere Herkunftsstaaten Asylverfahren ihrer Staatsangehörigen zügiger bearbeitet und – im Falle einer negativen Entscheidung über den Asylantrag – der Aufenthalt in Deutschland schneller beendet werden. Der Individualanspruch auf Einzelfallprüfung bleibe dadurch unberührt. Mit dem Gesetzentwurf werde „zudem einer der Beschlüsse, die der Bundeskanzler gemeinsam mit den Regierungschefinnen und Regierungschefinnen der Länder am 10. Mai 2023 zur gemeinsamen Flüchtlingspolitik von Bund und Ländern getroffen hat, zeitnah umgesetzt“. Deutschland werde dadurch als Zielland für Personen, die Asylanträge aus nicht asylrelevanten Motiven stellen, weniger attraktiv, heißt es in der Vorlage weiter. Durch die „zahlreichen aus nicht asylrelevanten Motiven gestellten Asylanträge“ würden Bund, Länder und Kommunen mit erheblichen Kosten für die Durchführung der Verfahren sowie für die Versorgung der sich in Deutschland aufhaltenden Asylsuchenden belastet. Dies gehe im Ergebnis zulasten der tatsächlich schutzbedürftigen Asylsuchenden, da für sie weniger Kapazitäten zur Verfügung stünden.

Petitionen: Darüber hinaus hat der Bundestag zwölf Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses zu Petitionen angenommen, die beim Bundestag eingegangen und vom Petitionsausschuss beraten worden waren. Es handelte sich um die Sammelübersichten 423 bis 434 (20/855320/855420/855520/855620/855720/855820/855920/856020/856120/856220/856320/8564).

Verbot des klimaschädlichen Gases Sulfuryldifluorid

Darunter befand sich auch eine Petition mit der Forderung, den Einsatz des äußerst klimaschädlichen Gases Sulfuryldifluorid zu verbieten. In der Begründung der öffentlichen Petition (ID 123226) wurde darauf verwiesen, dass bei Holzexporten aus Deutschland die Frachtcontainer mit dem Gas Sulfuryldifluorid befüllt würden, um Schädlinge abzutöten, die das Holz auf dem Transport beschädigen könnten. Nach der Einwirkzeit werde das Gas aus dem Container in die Luft abgelassen. So gelangten im Jahr 2019 allein im Hamburger Hafen 203,7 Tonnen Sulfuryldifluorid in die Umwelt.

Sulfuryldifluorid gelte als 4.090-mal so schädlich für den Treibhauseffekt wie CO2, schrieb der Petent. Die oben genannte Menge entspreche also rund 833.000 Tonnen CO2, was wiederum mehr als 3,3 Milliarden gefahrenen Pkw-Kilometern entspräche. Vor dem Hintergrund der Selbstverpflichtung Deutschlands, den Ausstoß von Treibhausgasen signifikant zu reduzieren, ist es aus Sicht des Petenten untragbar, „den Bürger mit immer höheren CO2-Abgaben zu belasten, während die Wirtschaft ungehindert immer größere Mengen an Treibhausgasen emittiert“. Daher müsse der Einsatz eines so enorm klimawirksamen Gases verboten werden.

Erwägungsüberweisung und Zuleitung an das EP

Die in der Sitzung des Petitionsausschusses am 27. September verabschiedete Beschlussempfehlung an den Bundestag sah nun vor, die Petition dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz mit dem zweithöchsten Votum „zur Erwägung“ zu überweisen und sie dem Europäischen Parlament zuzuleiten, „soweit es die Wiederzulassung von Sulfurylfluorid auf EU-Ebene betrifft, die Forschung und Entwicklung für Alternativen gefördert und der Einsatz für die Zulassung von Alternativen erhöht wird“. Den Verfahrensgrundsätzen des Petitionsausschusses zufolge bedeutet dies, dass die Petition, unter Beachtung der angeführten Einschränkungen, „Anlass zu einem Ersuchen an die Bundesregierung gibt, das Anliegen noch einmal zu überprüfen und nach Möglichkeiten der Abhilfe zu suchen“.

Im Bereich des Pflanzenschutzes sei in Deutschland ein sulfuryldifluoridhaltiges Mittel zugelassen, heißt es in der Begründung zur Beschlussempfehlung des Ausschusses. Das entsprechende Mittel ProFume dürfe ausschließlich von beruflichen Verwendern im Vorratsschutz angewendet werden. Holz, das für die Ausfuhr bestimmt ist, werde behandelt, wenn die phytosanitären Einfuhrvorschriften des Importlandes dies vorsehen. Diese Einfuhrvorschriften zielten auf die Verhinderung einer Einschleppung und Ausbreitung von Quarantäneschädlingen ab, seien amtlich bekannt und vom jeweiligen Zielland veröffentlicht.

BMEL fördert Suche nach alternativen Verfahren

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft fördere ein Forschungsprojekt mit dem Ziel, die Anwendung sulfuryldifluoridhaltiger Mittel effizienter zu machen beziehungsweise durch alternative Verfahren zu ersetzen, hieß es weiter.

Im Projekt solle das wirtschaftlichste und ökologisch verträglichste Verfahren ermittelt werden. Voraussetzung für den Einsatz eines neuen Verfahrens in der Praxis sei jedoch auch die Zulassung des Verfahrens in der EU sowie dessen Anerkennung durch das jeweilige Rundholz importierende Drittland.

(hau/eis/ste/12.10.2023)

Marginalspalte