Sachverständige fordern Antirassismus als Bestandteil der Lehrerausbildung
Rassismus und Diskriminierung erleben junge Menschen vor allem in der Schule. Statt das Problem, das die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen behindert, klein zu reden, muss die Schule das Thema als Institution aktiv angehen, forderten die Sachverständigen im Expertengespräch der Kinderkommission des Deutschen Bundestages (Kiko) zum Thema „Rassismus-Antirassismus“ am Mittwoch, 18. Oktober 2023.
Eine Frage der Stärkung unserer Demokratie
Ihr Verein verstehe sich als Ansprechpartner für Schulen und stelle für Schüler der 8. bis 13. Klasse ein Bildungsangebot zum Thema Rassismus und Diskriminierung aus der Perspektive von Betroffenen bereit, erklärten Nadia Hamou und Melis Eda Poyraz von der Bildungsinitiative Ferhat Unvar e.V. Außerdem sei die nach dem rechtsterroristischen Anschlag in Hanau 2020 gegründete und nach einem der Opfer benannte Initiative für Kinder und Jugendliche mit ähnlichen Erfahrungen ein sicherer Raum, in dem sie sich anderen gegenüber nicht erklären müssten. Vielen falle zudem die Aufarbeitung eigener Erfahrungen im Kollektiv leichter als allein.
Der Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung müsse, über das Engagement einzelner Lehrer hinaus, von der Institution Schule selbst ausgehen, sagte Hamou. Das sei auch eine Frage der Stärkung unserer Demokratie. Keinesfalls dürften Vorfälle als Einzeltaten abgetan und individualisiert werden. Es handele sich um ein strukturelles Problem. Lehrpläne und Lehrerausbildung müssten entsprechend geändert werden. Personelle Ressourcen für Meldestellen an Schulen und Universitäten seien auszubauen. Solange die Schule die Initiative noch als fachlichen Ansprechpartner benötige, müsse der Staat auch für die Finanzierung dieses Angebots Sorge tragen.
Antirassismus in der Lehrerausbildung
Als Jugendverband mit deutschlandweit in 130 „Ortsjugenden“ organisierten 80.000 alevitischen Kindern und Jugendlichen sowie Hochschulgruppen und AGs sei ihr Verein ein außerschulischer Lernort, der mit seinen Angeboten Jugendlichen als ein vor Diskriminierung sicherer Raum der Selbsterfahrung diene, sagten Deniz Kasal und Tijen Özkaya vom Bund der Alevitischen Jugend in Deutschland e.V. Außerdem wolle man die jungen Leute in dem in Erinnerung an den Brandanschlag von Sivas 1993 gegründeten Verein dazu motivieren, Verantwortung in der Gesellschaft und für die Demokratie zu übernehmen.
Der anti-alevitische Rassismus aus ihrem Herkunftsland wirke in Deutschland fort, sagte Özkaya. Aleviten erlebten fast täglich diffamierende Aussagen, vor allem im digitalen Raum und im schulischen Kontext. Der Verein habe die von vielen Mitgliedern geteilten Diskriminierungserfahrungen in einer Umfrage nun als ein strukturelles Problem sichtbar gemacht. Zu den Arbeitsschwerpunkten gehöre zudem, die Identität der alevitischen Bevölkerung zu stärken und deren Kultur zu bewahren. Antidiskriminierung und Antirassismus sollten fester Bestandteil der Lehrerausbildung sein, forderte Özkaya. Viele Lehrkräfte hätten sich noch nie mit der Geschichte marginalisierter Gruppen auseinandergesetzt. Die Schulen könnten diese Bildungslücke bei Lehrern und Schülern schließen, indem sie die Kooperation mit dem Verein suchten. (ll/18.10.2023)