Gesundheit

Experten mahnen zur globalen Zusammenarbeit im Gesundheitssektor

Zeit: Montag, 16. Oktober 2023, 17 bis 18.45 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal 4.900

Das während der Pandemie entstandene Momentum bei der globalen Zusammenarbeit und Finanzierung im Gesundheitssektor aufrechtzuerhalten, mahnten internationale Gesundheitsexperten im öffentlichen Fachgespräch des Unterausschusses Globale Gesundheit am Montagabend, 16. Oktober 2023, an. Das Gremium tagte zu den Themen „Agenda 2030 - Nachhaltiges Entwicklungsziel 3 (SDG 3) – Stärkung der parlamentarischen Zusammenarbeit zur Erreichung von SDG 3“ und „Europa als globaler Gesundheitsakteur“.

Als kleines Mädchen habe sie nur knapp eine Malariaerkrankung überstanden während die wenigsten um sie herum überlebten, erzählte die vielfach preisgekrönte Malariaforscherin und Medizinerin Prof. Rose Leke aus Kamerun zu Beginn der Sitzung. Diese Erfahrungen sowie der Besuch der Schule hätten sie neugierig gemacht und darin bestärkt, Krankheiten wie Malaria zu erforschen, um anderen zu helfen. 

„Die globale Arbeitsteilung funktioniert“

Während ihrer gesamten Karriere als Wissenschaftlerin habe sie erfahren, wie wichtig internationale Zusammenarbeit ist, um Fortschritte zu erzielen. Neben der Finanzierung der lokalen Gesundheitsversorgung dürfe man die Forschung nicht vernachlässigen. „Wir brauchen auch die Forschung.“ In Afrika werde die leider nicht als Priorität gesehen.

Infektionskrankheiten wie Malaria, Tuberkulose oder HIV stellten weiter ein Problem dar. Zu den Erfolgen internationaler Zusammenarbeit im Gesundheitssektor zähle, dass Polio heute fast ausgemerzt sei. Ob bei der Verfügbarkeit von Impfstoffen oder dem Austausch technischer Expertise: „Die globale Arbeitsteilung funktioniert“, sagte Leke. 

Gesundheit als Fundament für Wohlstand

Neben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und dem Kinderhilfswerk Unicef seien zahlreiche Akteure wie die Bill und Melinda Gates Stiftung oder die deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) unterwegs und finanzierten eine große Bandbreite an unterschiedlichen Programmen in vielen Ländern. 

Die Parlamentarier sollten Gesundheit als zentrales Thema für Gesellschaft und Wirtschaft auf der politischen Agenda halten und dazu weltweit zusammenarbeiten, appellierte Dr. Catharina Böhme von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) an die Abgeordneten. Die Covid-Pandemie habe deutlich gemacht, dass Gesundheit das Fundament für Wohlstand und eine gerechte und nachhaltige Entwicklung sei.

Problem: Müttersterblichkeit

Während es bei der Lebenserwartung, der Kindersterblichkeit und der Bekämpfung von Tropenkrankheiten erhebliche Fortschritte gebe, habe sich die Müttersterblichkeit nicht verbessert, sechs bis sieben Millionen Menschen kämen jährlich durch Atemwegserkrankungen zu Tode und Millionen Menschen könnten ihre Gesundheitsversorgung nicht bezahlen. Die Welt stehe weiterhin vor zahlreichen Herausforderungen wie auch die hohen Zahlen beim Denguefieber zeigten. Die Entwicklung neuer Impfstoffe, auch gegen Malaria und TBC, sei jedoch vielversprechend. 

Bei der Formulierung der nächsten globalen Gesundheitsstrategie werde der Stärkung der Basisversorgung Vorrang eingeräumt. Während der jüngsten UN-Generalversammlung habe sich gezeigt, dass das dritte Entwicklungsziel eine gemeinsame Basis zwischen reichen und ärmeren Ländern darstelle. Die globale Gesundheitsfinanzierung mache Fortschritte. 

Vor allem nehme die Staatengemeinschaft die Auswirkungen des Klimawandels auf die menschliche Gesundheit und Präventionsmaßnahmen dagegen in den Blick. Auch die globale Rolle der WHO bei Gesundheitsnotständen müsse betont werden. Auf der Agenda stehe außerdem, weiter Überzeugungsarbeit gegen Falschinformationen zu leisten, den Fachkräftemangel anzugehen und die Gesundheitssysteme selbst, die für etwa sieben Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich seien, klimafreundlich zu machen. 

Der „One health approach“ 

Die globale Gesundheit ist eine Existenzfrage, sagte Fernando Pérez-Cañado von der Europäischen Kommission. Daher übernehme die EU mit ihrer neuen Gesundheitsstrategie Verantwortung, um weltweit die Herausforderungen und Ungleichheiten in diesem Bereich anzugehen. 

Mit dem „One health approach“ trage man der Tatsache Rechnung, dass Gesundheit keine Grenzen kenne. Es gelte, sowohl den Menschen in ärmeren Ländern zu helfen als auch den eigenen Bürgerinnen und Bürgern in der EU. Mit der Gesundheitsstrategie schlage man nun einen neuen Weg ein, um bessere Maßnahmen und Ergebnisse zu erziehen, große Investition zu tätigen und dem Thema mehr Gehör zu verschaffen.

Frauen und Kinder im Mittelpunkt

In dem neuen Ansatz stünden Frauen und Kinder im Mittelpunkt. Zu den Prioritäten gehöre auch die Stärkung der primären Gesundheitsversorgung. Damit wolle man nicht zuletzt besser auf Pandemien vorbereitet sein. Man werde auch versuchen, die unterschiedlichen nationalen rechtlichen Rahmenbedingungen zu verbessern, um eine Pandemie global besser bekämpfen zu können. Und Fortschritte bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens könnten vielleicht den Fachkräftemangel etwas abmildern.

Bei der Schaffung einer neuen globalen Gesundheitsordnung werde man eng mit der WHO zusammenarbeiten und die Organisation für ihre Führungsrolle stärken. Über den Schwerpunkt Afrika hinaus wolle man Partnerschaften weltweit ausbauen, um Synergieeffekte zu erzielen, aber dabei nicht allein auf bi-nationale, sondern auch auf multilaterale Projekte setzten. Es gebe eine breite Palette an Themen: vom gleichberechtigten Zugang zu Impfstoffen und Technologien über die bessere Versorgung von Frauen und Mädchen bis hin zu einer ausreichenden öffentlichen Basisversorgung in allen Ländern.

Sämtliche Themenfelder und Projekte sollten EU-Kommission und Mitgliedstaaten gemeinsam mit den Partnerländern entwickeln, und den Partnern zunächst vor allem zuhören. Diese wüssten am besten was vor Ort gebraucht werde und was die EU dann für einen Beitrag leisten könne. Auch die Parlamente spielten eine wichtige Rolle, um die weltweite Gesundheitsversorgung zu verbessern. Sie seien effizienter als die nationalen Bürokratien, verfügten über die entscheidenden Kontakte zu den Akteuren, auf die es ankomme und könnten für Bürgerinnen und Bürger Türen aufstoßen zu den Zentren der Macht. Pérez-Cañado äußerte die Hoffnung, dass sich viele Partner der europäischen Strategie anschließen werden. (ll/17.10.2023)

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