Petitionen

Familien-Staatssekretär Leh­mann: 7,5 Milliarden Euro für Kindergrundsicherung

Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), Sven Lehmann (Bündnis 90/Die Grünen), rechnet mit jährlichen Ausgaben in Höhe von 7,5 Milliarden Euro für die geplante Kindergrundsicherung. Während einer öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses am Montag, 6. November 2023, sagte Lehmann, die immer wieder genannte Ausgabenhöhe von 2,4 Milliarden Euro beziehe sich auf eine Inanspruchnahme-Quote von 50 Prozent. „Wir hoffen, dass die Quote irgendwann bei mindestens 90 Prozent liegen wird“, sagte er. Dann sei von einer Investition von etwa 7,5 Milliarden Euro auszugehen. Das gehe dann auch stärker in die Richtung der von Familienministerin Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen) ursprünglich genannten zwölf Milliarden Euro.

Versprechen aus dem aktuellen Koalitionsvertrag

Diese zwölf Milliarden Euro „als absolute Untergrenze“ für die Kindergrundsicherung fordert die Petentin Anne Dittmann in einer öffentlichen Eingabe (ID 153338), die 54.960-mal innerhalb der in den Verfahrensgrundsätzen des Petitionsausschusses vorgegebenen Vier-Wochenfrist mitgezeichnet und daher öffentlich beraten wurde. Nur so könne die Kinderarmut in Deutschland bekämpft werden, heißt es in der Petition. „Wir fordern nicht mehr als das Versprechen im aktuellen Koalitionsvertrag ein, auf das sich die Ampel mal geeinigt hat“, schreibt Dittmann.

Kinderarmut, so die Petentin, werde strukturell erzeugt und sei kein Zeichen mangelnder Bildung. Sie beträfe vor allem Einelternfamilien und Familien mit drei und mehr Kindern. Die Ursachen seien vielschichtig: Alleinerziehende würden etwa in der Steuerklasse II ähnlich besteuert wie Singles in Steuerklasse I, „obwohl sie nicht nur Lohnarbeiten, sondern sich auch gleichzeitig um Kinder kümmern“. Dazu komme das Fehlen von 380.000 Kita-Plätzen in diesem Jahr. Die vorhandene Betreuung sei zudem in weiten Teilen Deutschland kostenintensiv. „Der Gender-Pay-Gap und die Orientierung an der 40-Stunden-Woche als Standard benachteiligen vor allem Menschen mit Fürsorgeverantwortung, insbesondere Mütter“, macht die Petentin deutlich.

„Wer bezahlt die Folgekosten der Kinderarmut?“

Während der Sitzung äußerte sich Dittmann auch zur Finanzierbarkeit der Maßnahme. Aus dem Kreis der Abgeordneten gefragt, ob sie denn angesichts leerer Haushaltskassen die Neuverschuldung oder die Steuern erhöhen wolle, verwies die Petentin auf die Folgekosten der Kinderarmut, die laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) bei jährlich 120 Milliarden Euro lägen. „Wer bezahlt die denn?“, fragte sie. Die aktuelle Sparpolitik sei Unsinn, befand sie.

Die die Petentin begleitende Vorstandsvorsitzende des Vereins SOS Kinderdorf, Sabina Schutter, machte auf den Kinderfreibetrag aufmerksam, der in der aktuellen Reform nicht angefasst werde. Auch bei den 2014 beschlossenen familienbezogenen Leistungen fänden sich zahlreiche Leistungsbereiche, die keine armutsbekämpfende Wirkung entfalten aber Kosten verursachen würden. „Die könnte man wunderbar in eine Kindergrundsicherung integrieren“, sagte sie mit Blick auf die Finanzierungsfrage.

Lehmann: Wird Situation bedürftiger Familien verbessern

Familien-Staatssekretär Lehmann zeigte sich überzeugt, dass die Kindergrundsicherung die Situation von bedürftigen Familien verbessern werde. Insbesondere für Familien, die derzeit im Bürgergeldbezug seien, gäbe es viele Vorteile. Lehmann nannte es ungerecht, dass derzeit das Kindergeld auf Sozialleistungen angerechnet werde. „Das ändert sich jetzt“, sagte er. Alle Kinder- und Jugendlichen hätten Anspruch auf einen Kindergarantiebetrag, der das Kindergeld ersetze, sowie auf einen Zusatzbetrag. Je geringer das Einkommen der Eltern ist, desto höher sei diese Leistung.

Lehmann verwies zugleich auf den bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) anzusiedelnden Familienservice. Das werde die zentrale Stelle für die Leistungen für Familien werden, die derzeit noch sehr zersplittert seien. Familien seien künftig nicht mehr auf ihr eigenes Wissen angewiesen oder auf Sozialarbeiter, die ihnen erklären, welche Ansprüche sie haben und wie sie diese einfordern müssen. Das nehme der Familienservice den Familien ab, „wenn sie zustimmen“, sagte der Staatssekretär. (hau/06.11.2023)

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