Antrag fordert Verbot von Kinderkopftüchern in Kitas
Der Bundestag hat am Donnerstag, 16. November 2023, erstmals über zwei Anträge der AfD-Fraktion mit den Titeln „Statistische Erfassung und Bekämpfung von Vielehen in der Bundesrepublik Deutschland“ (20/9314) und „Kinderkopftuch als politisch-weltanschauliches Symbol – Verbot in öffentlichen Kindertageseinrichtungen und Schulen“ (20/9315) beraten. Im Anschluss an die Aussprache wurden beide Vorlagen in die Ausschüsse überwiesen. Der erste Antrag wird federführend im Rechtsausschuss beraten, der zweite im Ausschuss für Inneres und Heimat.
AfD: Höchste Zeit, das Eigene zu schätzen
Von einer schleichenden Islamisierung Deutschlands, die sich in vielen Facetten zeige, sprach Mariana Harder-Kühnel (AfD) zu Beginn der Debatte. Sie manifestiere sich auch in der symbolischen Okkupation durch das Tragen von „Kinderkopftüchern“ in Kitas und Grundschulen und durch Vielehen, „die leider immer häufiger werden“. All das sei das Ergebnis einer woken Kultur, „die alles Eigene und unsere kulturelle Identität sowie unsere Traditionen hasst“. Es sei höchste Zeit, das Eigene zu schätzen, statt es dem Fremden zu opfern.
Harder-Kühnel forderte, das Kopftuch für Mädchen unter 14 Jahren an Schulen und Kitas zu verbieten. Dieses Kopftuch sei für kleine Mädchen nichts anderes als eine „ständige körperliche und psychische Disziplinierung“. Mit Religionsfreiheit habe das Kopftuch nichts zu tun, sagte die AfD-Abgeordnete. Es gebe im Islam kein religiöses Gebot für Kinder, es zu tragen.
SPD: AfD instrumentalisiert Kinder
Ana-Maria Trăsnea (SPD) warf der AfD vor, Kinder immer wieder zu diffamieren. Es gehe der Fraktion darum, Hetze und Spaltung zu verbreiten. An Lösungen von Problemen in Deutschland ist die AfD-Fraktion aus Sicht von Trăsnea nicht interessiert.
Stattdessen formuliere sie ihre alten Anträge immer wieder neu um und ignoriere dabei geltendes Recht in Deutschland. „Sie schreien nach Frauenrechten, wenn Sie dadurch Rassismus rechtfertigen wollen. Sie instrumentalisieren Kinder, wenn sie damit Hass und Hetze gegen Musliminnen schüren können und schaffen Feindbilder statt Möglichkeiten zum Dialog“, sagte die SDP-Abgeordnete.
Union plädiert für eine sachliche Debatte
Von handwerklich schlecht gemachten Anträgen und einer Stimmungsmache der AfD, sprach Dr. Katja Leikert (CDU/CSU). Besser sei es, sich dem Thema, „das durchaus Emotionen weckt“, unaufgeregt und mit Sachlichkeit zu widmen.
So sei zu berücksichtigen, dass in Deutschland sowohl die Religionsfreiheit als auch das elterliche Erziehungsrecht unter staatlichem Schutz stünden. Ein staatlicher Eingriff, so Leikert, könne durchaus gerechtfertigt sein, wenn es zu einer systematischen Benachteiligung junger muslimischer Mädchen kommt oder der Schulfrieden gefährdet wird. Diese wichtige Güterabwägung nehme die AfD aber nicht vor. Symbolpolitik auf den Rücken von Kita- und Schulkindern lehne ihre Fraktion jedoch ab.
Grüne: Entbehrt theologischer Grundlage
Es tue ihr in der Seele weh, so Lamya Kaddor (Bündnis 90/Die Grünen), wenn Eltern das islamische Bekleidungsverbot bereits von jungen Töchtern umgesetzt sehen wollen, „indem sie sie unter ein Kopftuch zwingen“. Es entbehre jeglicher theologischer Grundlage im Islam, dies zu tun. Wer so handle, sei Fundamentalist oder religiös ungebildet und verblendet, sagte Kaddor.
In den Anträgen zeige sich gleichwohl das islamfeindliche und von Fakten befreite Programm der AfD. Sie wolle von „Kinderkopftüchern und Vielehen“ sprechen, ohne valide Zahlen dazu nennen zu können. Wenn Zwang gegen Kinder ausgeübt wird, lasse der rechtliche Rahmen bereits jetzt Eingriffe in die elterliche Fürsorge zu, sagte die Grünenabgeordnete. Darüber hinaus habe der Staat nicht zu beurteilen, welche Bekleidungsvorschriften aus religiöser Überzeugung zu befolgen sind.
Linke warnt vor antimuslimischem Rassismus
Hass und Hetze betreibe die AfD mit ihren Anträgen, befand Gökay Akbulut (Die Linke). „Dem antimuslimischen Rassismus der AfD muss immer wieder klar widersprochen werden“, sagte sie. Nur ein Bruchteil der Mädchen unter 14 Jahren in Deutschland trage ein Kopftuch. „Das Thema hat im Alltag also keine besonders große Relevanz“, sagte sie.
Trotzdem polarisiere es immer wieder stark. Viele Menschen betrachteten Frauen oder Mädchen mit Kopftuch per se als Opfer männlicher oder religiöser Unterdrückung. Tatsächlich, so Akbulut, gebe es muslimische Mädchen, die sich ohne Kopftuch freier und emanzipierter fühlten – andere wiederum, wenn sie es tragen. Wichtig sei, dass das Kindeswohl und die Selbstbestimmung im Mittelpunkt stehen. „Deshalb brauchen wir starke Mädchen und Frauen aber keine Bevormundung durch die AfD“, sagte die Linken-Abgeordnete.
FDP: Zwischen Religionsfreiheit und Persönlichkeitsrecht
Katja Adler (FDP) sagte, selbst unter Koranwissenschaftlern gebe es keine Einigkeit darüber, ob das Kopftuch als religiöses Zeichen zum Islam gehört oder vielmehr Ausdruck einer politischen Auslegung dieser Religion ist. „Wie soll dann eine Auseinandersetzung in Kitas und Schulen gelingen“, fragte sie. Mit Blick auf die Situation im Iran sei das Kopftuch ein Symbol der Unfreiheit. „Es gibt in islamistischen Staaten wie dem Iran einen Kopftuchzwang. Das Kopftuch ist zumindest dort Ausdruck frauenverachtender Unterdrückung“, sagte Adler.
In Deutschland gebe es die Religionsfreiheit, so die FDP-Abgeordnete. Dies schließe auch das Tragen religiöser Kleidungsstücke ein, „solange das nicht im Konflikt mit anderen Grundrechte steht“. Jedes Kind habe aber auch ein Grundrecht auf freie Persönlichkeitsentwicklung. Man könne der Meinung sein, dass das Kopftuch ein religiöses Symbol sei. „Man kann aber genauso gut erkennen, dass es Frauen und Mädchen unterdrückt und ihre Persönlichkeitsrechte verletzt“, befand sie.
Erster Antrag der AfD
Die AfD-Fraktion fordert in ihrem ersten Antrag die statistische Erfassung und Bekämpfung von Vielehen in Deutschland. Sie begründet ihre Forderung damit, dass trotz gegenteiliger Ankündigen auf politischer Ebene nichts geschehen sei, um Vielehen zu verbieten. So habe 2016 der damalige Bundesjustizminister angekündigt, Vielehen die „Anerkennung“ zu verweigern. Die soziale Realität in der Lebenswelt von Muslimen in der Bundesrepublik sehe jedoch nach wie vor anders aus. „Bislang ist bezüglich der gelebten Praxis von Vielehen in Deutschland von Seiten der Bundesregierung – mit Ausnahme des Ausschlusses einer Einbürgerung bei mehrfach verheirateten Personen durch eine im Jahr 2019 erfolgte Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes – nichts weiter geschehen“, kritisieren die Abgeordneten.
Sie verlangen von der Bundesregierung unter anderem, die statistische Erfassung und Bekämpfung von Vielehen in Deutschland ausdrücklich als Regierungsziel zu formulieren und im Rahmen der Innenministerkonferenz der Bundesländer zu thematisieren. Von der Einführung eines familienrechtlichen Instituts der „Verantwortungsgemeinschaft“ solle die Regierung Abstand nehmen, „um keiner Förderung von verfassungswidrigen Vielehen Vorschub zu leisten“.
Im Rahmen der „Deutschen Islamkonferenz“ (DIK) müsse gemeinsam mit Vertretern aus den islamischen Verbänden und Wissenschaften ein umfangreicher Maßnahmenkatalog zur Erfassung und Bekämpfung von Vielehen erstellt werden. In Anlehnung an das „Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen“ soll die Regierung ferner einen Entwurf für ein „Gesetz zur Bekämpfung von Vielehen“ vorlegen, fordert die Fraktion.
Zweiter Antrag der AfD
Mit ihrem zweiten Antrag will die AfD-Fraktion das Tragen von Kopftüchern bei Kindern unter 14 Jahren in öffentlichen Kitas und Schulen verbieten. In der Vorlage fordert sie die Bundesregierung auf, mit den Kultus- und Innenministern der Länder in einen Dialog über ein grundsätzliches Verbot zu treten. Außerdem solle die Problematik des Kopftuchs als politisch-weltanschauliches Symbol bei Kindern im Rahmen der „Deutschen Islam Konferenz“ (DIK) thematisiert werden.
Im Rahmen der politischen Bildungsarbeit des Bundes müsse die Aufklärung über die mit dem Tragen des Kopftuchs bei Kindern als politisch-weltanschauliches Symbol verbundenen Probleme intensiviert werden, fordert die AfD-Fraktion. Sie zweifelt in dem Antrag an, dass das Tragen des Kopftuchs bei unter 14-Jährigen in den Kernbereich der Religionsfreiheit falle und geht davon aus, dass es erst mit dem Erstarken eines politisch geprägten Islamismus eine weite Verbreitung gefunden hat und somit eher ein politisches denn ein religiöses Symbol sei. (che/vom/16.11.2023)