Parlament

Regierung kündigt im Plenum ein Recht auf Schutz für Frauen an

Der Bundestag hat am Donnerstag, 16. November 2023, anlässlich des Internationalen Tages zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen am 25. November 2023 eine Debatte geführt. Der internationale Aktionstag war im Dezember 1999 beschlossen worden. Das Datum geht auf die Ermordung der Schwestern Mirabal zurück, die am 25. November 1960 in der Dominikanischen Republik vom militärischen Geheimdienst getötet worden waren, weil sie sich gegen den damaligen Diktator Rafael Trujillo zur Wehr gesetzt hatten.

Ministerin Paus plant Gesetz zum Recht auf Schutz 

Die Bundesministerin für Familie, Frauen, Senioren und Jugend, Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen), sprach von 126.349 Frauen, die im Jahr 2022 laut Bundeskriminalamt (BKA) „Opfer von Partnerschaftsgewalt geworden sind“. Partnerschaftsgewalt sei Nötigung, Stalking, Bedrohung, leichte und schwere Körperverletzung, sexuelle Übergriffe, Vergewaltigung, Femizide, Mord und Totschlag. „Vier von fünf Betroffenen sind Frauen, 80 Prozent der Täter sind Männer“, sagte Paus. Die genannte Zahl betreffe Fälle, die bekannt geworden sind. Viele Frauen gingen aber gar nicht zur Polizei. Ermittler würden vermuten, dass jede dritte Frau mindestens einmal in ihrem Leben körperlicher oder sexualisierter Gewalt ausgesetzt sei. Gewalt gegen Frauen sei also alltäglich. „Ich will, dass Frauen frei von Gewalt leben können“, betonte die Ministerin. Daher gehe es darum, die tatsächliche Dimension zu erfassen, präventiv zu handeln, Täter zu bestrafen sowie Frauen „Schutz und Hilfe zu bieten“.

Paus kündigte ein Gesetz an, dass Frauen das Recht auf Schutz und Beratung gebe. „Kompetent und zuverlässig; egal, ob in der Stadt oder auf dem Land.“ Darüber hinaus habe sie den Aufbaustab einer staatlichen Koordinierungsstelle nach der Istanbul-Konvention, des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, eingesetzt. „Diese Ampel macht ernst: Wir setzen die Istanbul-Konvention vorbehaltlos um“, sagte die Ministerin, die zugleich auf die gemeinsam mit dem BKA und dem Bundesinnenministerium (BMI) in Auftrag gegebene Dunkelfeldstudie verwies.

CDU/CSU kritisiert Versäumnisse der Regierung

Letztere wurde von Silvia Breher (CDU/CSU) ausdrücklich begrüßt. Auch die weitere Umsetzung der Istanbul-Konvention auf den Weg zu bringen sei richtig. „Ich frage mich aber, wieso Sie nach zwei Jahren in dieser Regierung jetzt erst mit der Strategie beginnen“, sagte Breher. Die anzugehenden Themen lägen auf dem Tisch und seien auch im Koalitionsvertrag vereinbart. Es fehlten aber noch immer Frauenhausplätze.

In der letzten Legislaturperiode sei ein großes Investitionsprogramm auf den Weg gebracht worden, sagte die Unionsabgeordnete. Zwar laufe das eigentlich noch bis Ende 2024. Doch schon seit April dieses Jahres hätten keine neuen Anträge gestellt werden können, „weil die Nachfrage so groß war“. Den angekündigten bundesweiten Rechterahmen gebe es ebenfalls noch nicht, kritisierte sie.

Ministerin Faeser: Häusliche Gewalt wird verharmlost

Die Gewalt finde meist zu Hause hinter verschlossenen Türen statt, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Noch immer werde dies verharmlost und als Privatsache abgetan, indem von sogenannten Beziehungsproblemen gesprochen werde. „Dieses Thema gehört aber in die Öffentlichkeit“, sagte die Ministerin. „Gewalt gegen Frauen geht uns alle an.“ Im Juli habe das BKA das erste Lagebild „Häusliche Gewalt“ vorgelegt, so Faeser weiter.

„Wir handeln bereits“, sagte sie an Breher gewandt. Vieles, was liegen geblieben sei, habe die Koalition aufgegriffen und arbeite daran. Angst und Scham würden viele Frauen davon abhalten, Anzeige zu erstatten, sagte die Ministerin. „Das müssen wir ändern.“ Die Schuld liege schließlich niemals beim Opfer, sondern immer beim Täter. Laut Faeser würden die Polizeien sensibilisiert, damit sie Anzeichen und Warnsignale besser erkennen können. Dadurch könnten sie früh eingreifen und Schlimmeres verhindern.

AfD: Einwanderer ab dem ersten Tag integrieren

Martin Sichert (AfD) thematisierte Gewalt gegen Frauen durch Migranten aus Kulturkreisen, „in denen es normal ist, dass Frauen öffentlich ausgepeitscht werden, sie in der Öffentlichkeit gesichtslos sind und wo es normal ist, dass der Vater an der Wand eine Peitsche für den Esel und eine für die Frau hat“. Jeder Junge, der in einem solchen Umfeld aufwachse, werde Frauen als minderwertig betrachten, sagte Sichert. Komme er dann als junger Mann nach Deutschland, sei das Drama hierzulande vorprogrammiert.

„Vor Gewalt von diesen Männern kann man Frauen in Deutschland nur schützen, wenn man jeden Einwanderer ab dem ersten Tag zur Integration zwingt“, befand der AfD-Abgeordnete. Integration sei nicht die Frage von Schnitzel oder Döner, „sondern ob Männer und Frauen gleichberechtigt sind“. Echte Integration in eine „aufgeklärte Leitkultur“ schütze. „Multi-Kulti hingegen führt zu Gewalt gegen Frauen“, sagte Sichert.

FDP: Mehr Förderung von Frauenhäusern

„Wir tragen die Verantwortung, aktiv gegen Gewalt gegen Frauen vorzugehen“, sagte Nicole Bauer (FDP). „Deshalb dürfen wir nicht länger schweigen, sondern müssen gemeinsam handeln.“ Es gelte, eine Welt zu schaffen, in der Frauen in Sicherheit leben können. Wenn sie Frauenhäuser besuchen, so die FDP-Abgeordnete, so werde ihr oft davon berichtet, dass die Prävention besonders wichtig sei. Den Frauenhäusern fehle es aber an Personal.

„Bevor wir also über einen Rechtsanspruch auf einen Frauenhausplatz diskutieren, müssen wir erst einmal dringend das Personalproblem lösen“, forderte sie und begrüßte den Start für eine Strategie zur Umsetzung der Istanbul-Konvention.

Linke: Beratungsstellen sind chronisch unterfinanziert

Heidi Reichinnek (Die Linke) nannte es einen Skandal, „dass wir jedes Jahr wieder das Thema Gewalt gegen Frauen diskutieren“. Noch immer fehlten mehr als 14.000 Frauenhausplätze. Die Beratungsstellen seien chronisch unterfinanziert und hätten viel zu wenig Personal, das wiederum viel zu viel leisten müsse. „Die Prävention bleibt dabei vollständig auf der Strecke“, sagte Reichinnek.

Noch skandalöser sei es aber, dass 2022 jede vierte Frau ihren Aufenthalt im Frauenhaus teilweise oder vollständig habe selbst bezahlen müssen. Zwar habe sich die Ampel darauf geeinigt, das zu ändern. Nach der Hälfte der Legislaturperiode sei aber nicht wirklich etwas passiert. „Der Bund zieht sich aus seiner Verantwortung“, beklagte die Linken-Abgeordnete.

Grüne begrüßen Finanzierung des Gewaltschutzes

Nach wie vor gehörten sexistische Sprüche, Belästigungen, Benachteiligungen am Arbeitsplatz und auch Gewalt zum Alltag von Frauen in Deutschland, sagte Ulle Schauws (Bündnis 90/Die Grünen). Betroffene bräuchten schnelle, verlässliche und auch erreichbare Hilfe. Daher sei es gut, dass im Koalitionsvertrag der Ausbau von Frauenhäusern und Beratungsstellen vereinbart worden sei.

Die Bundesregierung werde nun ein Recht auf Schutz und Beratung umsetzen. Ministerin Paus habe mit der Gesamtstrategie zur Prävention und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt begonnen. Schauws begrüßte weiter, dass der Bund in die Finanzierung des Gewaltschutzes einsteige. Das habe die Union 16 Jahre lang verhindert.

SPD: Wirtschaftliche Abhängigkeit von Frauen verringern

Ariane Fäscher (SPD) forderte die Union auf, die Gesetzesvorhaben, die die Koalition auf den Weg bringe, mitzutragen. „Sie hatten 16 Jahre Zeit, haben aber die Initiative nicht übernommen“, sagte Fäscher. Die SPD-Abgeordnete verwies auf die häusliche Gewalt, der Frauen in Deutschland ausgesetzt seien. Psychologen berichteten aber aus der Täterarbeit, dass sich die Täter ungerecht behandelt fühlten.

„Diese deutschen Männer glauben, einen natürlichen Anspruch darauf zu haben, dass ihre Frau in jedem Moment ihre Bedürfnisse erfüllt“, sagte Fäscher. Viele der betroffenen Frauen fühlten sich ihren Männern ausgeliefert, „weil sie oft in Mehrfachabhängigkeiten stecken und deshalb bei diesem Mann gefangen sind“. Ein Thema sei die wirtschaftliche Abhängigkeit. Die Politik habe einige Hebel in der Hand. „Viele davon gehen wir in den nächsten anderthalb Jahren an“, sagte Fäscher. (hau/16.11.2023)

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