Parlament

Revolutionsgespräche 1848/49: Szenische Lesung in der Bundestags­bibliothek

Die Bibliothek des Bundestages im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus ist so gut gefüllt wie selten, jeder einzelne Stuhl ist besetzt. Dort, wo normalerweise in Ruhe zwischen Schriften, Parlamentsmaterialien und Publikationen gelesen, recherchiert und gearbeitet wird, spielen an diesem Dienstagabend, 14. November 2023, bewegende Szenen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts: Die Schauspieler Ulrike Folkerts und Moritz Heidelbach lesen Briefe von Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung und ihren Ehefrauen vor.

Eingeladen zu dieser szenischen Lesung hatten die Bundestagsbibliothek, der Fachbereich Geschichte der Wissenschaftlichen Dienste sowie die Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien e.V. (KGParl). Anlass ist das Jubiläum der Revolutionsjahre 1848/49. Damals, vor mittlerweile 175 Jahren, trat in Frankfurt das erste gesamtdeutsche Parlament zusammen und sollte über eine freiheitliche Verfassung sowie die Bildung eines deutschen Nationalstaates beraten.

Einblicke in den Parlamentsalltag

Mit dieser Aufgabe waren die aus ganz Deutschland angereisten, ausschließlich männlichen Abgeordneten rund ein Jahr lang beschäftigt. Eine Zeit, die die meisten Parlamentarier weit entfernt von Ehefrau und Kindern verbrachten.

In unzähligen Briefen berichteten die Abgeordneten ihren Liebsten von den langen Sitzungstagen in der kalten Frankfurter Paulskirche und den Reden ihrer Kollegen. Einige beklagten, dass es durch die viele Arbeit kaum Zeit gebe, um eine ordentliche Mahlzeit einzunehmen. Andere berichteten von den hohen Kosten der Unterkünfte und Gasthäuser in Frankfurt. Wieder andere plagte das Heimweh und die Sehnsucht nach der Familie. Dennoch ist den Abgeordneten die Wichtigkeit ihrer Arbeit bewusst gewesen.

So liest Heidelbach aus einem Brief des deutschen Arztes und Abgeordneten Alexander Pagenstecher an seine Ehefrau Juliane: „Die Sache dir wir treiben, die Aufgaben, die wir zu lösen haben, sind gar zu groß und herrlich, als das nicht alle anderen Gefühle und Bedenken vor ihnen schwinden müssten.“

Frauen in Parlament und Politik

Heute ermöglichen die Korrespondenzen einen Einblick in den parlamentarischen Alltag. Darüber hinaus zeigen die Briefe, dass auch Frauen, ohne Wahlrecht und größtenteils von politischer Partizipation ausgeschlossen, an der Arbeit des ersten gesamtdeutschen Parlaments Anteil nahmen. Einige von ihnen, wie Clotilde Koch-Gontard, schlichen gar in die unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindenden Sitzungen des Vorparlaments.

Obwohl die Sitzungen der Frankfurter Nationalversammlung bereits 175 Jahre zurückliegen, bestünden einige Herausforderungen weiterhin, meint Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grüne). Mit dem Historiker Prof. Dr. Dominik Geppert sprach die Bundestagsvizepräsidentin nach der Lesung etwa über Unterschiede und Gemeinsamkeiten im parlamentarischen Alltag von damals und heute. 

So seien Politik und Familie noch immer nicht miteinander vereinbar, sagte die Grünenabgeordnete. Positiv habe sich zwar entwickelt, dass es mittlerweile Frauen im Parlament und Politikerinnen mit Kindern gebe; dennoch seien Frauen im Bundestag weiterhin unterrepräsentiert. (cha/15.11.2023)

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