Bürgerschaftliches Engagement

Bedeutung von bürger­schaftlichem Engagement für den Klimaschutz

Wie sehr die Energiewende von dem Engagement einzelner profitiert, welchen Beitrag Kleingärtner für den Klimaschutz leisten, wie der Alpenverein mit gutem Beispiel beim Naturschutz vorangehen will und die Bewegung Fridays for Future dem Protest junger Menschen eine neue Ausdrucksform gegeben hat, darüber berichteten die Expertinnen und Experten im Fachgespräch des Unterausschusses Bürgerschaftliches Engagement zum Thema „Umwelt und Klima“ am Mittwochnachmittag, 15. November 2023.

Bürgerschaftliches Engagement bei der Energieerzeugung

Wie grundlegend das Engagement von Privaten für die Energiewende sei, illustrierte Dr. Janina Messerschmidt, Vorständin des Bürgervereins Oder-Spree eG. Während die drei großen Energieanbieter lediglich fünf Prozent der bundesweit installierten Leistung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien lieferten, hätten Privatpersonen bereits 2020 für 30,2 Prozent dieser Produktion gestanden.

Die zentrale Rolle der Bürger als Akteure in diesem Zukunftsfeld verdiene seitens der Politik größere Anerkennung und Unterstützung. Bei Gesetzesvorhaben und Förderprogrammen müsse dazu die Rechtsform der Genossenschaft gestärkt werden. Momentan hänge man in der Luft, Bewerbungen lägen beim Ministerium. Bereits 150 Bürgerwerke hätten sich bundesweit als Genossenschaften gegründet und erzeugten und lieferten verlässlich Strom.

Messerschmidt forderte die Politik auf, bei der Energieerzeugung stärker auf bürgerschaftliches Engagement zu setzen. „Vertrauen Sie den Menschen, lassen Sie die Menschen, Nachbarn, Strom teilen. Sie sparen den Netzausbau und werden klimaneutral.“ Es gehe darum, eine Infrastruktur, „die wir alle brauchen, wieder zurück zu den Menschen zu bringen“. In den Genossenschaften, der „demokratischsten Gesellschaftsform“, täten die Leute wirksam etwas für den Klimaschutz und für ihren Geldbeutel.

Beitrag der Kleingärten zum Klimaschutz

Einen erheblichen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz leisten in Deutschland auch die eine Million Kleingartenparzellen mit ihren fünf Millionen Nutzern, sagte Stefan Grundei, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Kleingartenvereine Deutschlands e.V. So stelle ein naturnah bewirtschafteter Gartenboden eine noch bessere CO2-Senke dar als Waldboden. Man werde diese 150 Jahre alte Tradition des „urban gardening“ so weiterentwickeln, dass die Flächen gerade in Ballungszentren auch zukünftig ihrer Funktion für das städtische Klima und die Stadtgesellschaft gerecht würden.

Obwohl das Kleingartenwesen in der Zuständigkeit der Länder und Kommunen liege, habe man mit dem Bundeskleingartengesetz ein optimales nationales Regelwerk für eine Gartenkultur, um die Deutschland von anderen Ländern beneidet werde, und das man nicht antasten dürfe. Die Bundespolitik müsse das Potenzial, das in dieser naturnahen Gartenwirtschaft liege, noch stärker mit ausschöpfen, etwa in Form eines „Anreizprogramms“ wie man es aus der Städtebauförderung kenne, um bei Ländern und Kommunen entsprechende Mittel zu aktivieren, etwa zum Anbau klimaresilienter Pflanzen.

Bei nahezu allen Themen leisteten die Kleingärten einen Beitrag, so Grundei: Sie milderten die Folgen des Klimawandels in der Stadt ab, indem ihr Grün die Luftqualität verbessere, indem sie als Wasserspeicher und der Abkühlung dienten, sie förderten die bedrohte Biodiversität und seien zugleich ein Ort des sozialen Zusammenhalts und der Integration. Als Grasswurzelbewegung seien die Kleingartenvereine seit jeher ein Spiegel der Gesellschaft, die Unterstützung sozial benachteiligter gehöre zu ihrer „Ur-DNA“. In den Gärten gelinge Integration „nebenbei“. Die bundesweit 13.500 Kleingartenvereine mit ihren Ehrenamtlichen böten ihren Mitgliedern erprobte und verlässliche Verwaltungsstrukturen, auf die auch die Kommunen gerne zurückgriffen.

Alpenverein: Mitglieder wollen „etwas zurückgeben“

Ebenfalls im ganzen Land, „vom Allgäu bis Flensburg“, sei der Deutsche Alpenverein aktiv, unterstrich Raoul Taschinski, Bundesjugendleiter der Jugend des Deutschen Alpenvereins. In den 360 Ortssektionen werde Klimaschutz und Nachhaltigkeit „aktiv gelebt“. Die Mitglieder verbänden dabei den Spaß an der Sache, am Bergsteigen, mit dem Willen, „etwas zurückzugeben“.

Klimaschutz und den Gedanken der Nachhaltigkeit treibe man „nicht aktivistisch“ voran, sondern schon immer nähere man sich dem „Medium Berg“ mit Respekt. Klettern in der Natur finde „in schützenswerten Räumen“ statt. Dabei arbeite man eng mit Umweltorganisationen zusammen und gehe gemäß dem Prinzip der Eigenverantwortung voran. So verzichte man beispielsweise auf Flüge und praktiziere ein „eigenes Tempolimit. Wenn das bei uns klappt, erwarten wir das von der Gesellschaft auch.“

Hauptfinanzierungsquelle der Jugend des Deutschen Alpenvereins sei der Kinder- und Jugendplan des Bundes. Die Ortsgruppen setzten selbständig ihre Themen. Momentan gehe es vor allem darum, den Jugendlichen die Angst vor Kriegen und dem Klimawandel zu nehmen. Taschinski warb dafür, den ländlichen Raum besser durch den ÖPNV zu erschließen und die Jugendleiterkarte als 49 Euro-Ticket anzuerkennen, um die Arbeit der Ortsgruppen zu unterstützen.

Fridays for Future Deutschland geht neue Partnerschaften ein

Pit Terjung von Fridays for Future Deutschland rief die Rolle der Organisation als größte Jugendbewegung seit 1990 in Erinnerung. Seit 2019 kämpfe man für ein „Zukunftssicherndes Klimaschutzgesetz“. In einer Welt voller Krisen und des Klimanotstands werde die ursprüngliche Phase des „Aufrüttelns“ mittlerweile abgelöst durch die Aufgabe, Hoffnung zu spenden in einem Kontext, in dem „wir einen Politikstil der Ohnmacht erleben“.

Die Bewegung habe es in fünf Jahren geschafft, sich breiter aufzustellen, zu vernetzen und neue Allianzen zu schmieden. So tue man sich mit denjenigen zusammen, die in ihren Jobs für die Zukunft arbeiteten, wie den Busfahrern, und mache darauf aufmerksam, dass deren Arbeitsbedingungen verbessert werden müssten. Diese hätten einen Anspruch auf ausreichende Pausenzeiten. „Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit greifen ineinander.“

„Schärfstes Schwert für den Klimaschutz“

Das mit dem Druck seitens des Aktivismus Erreichte dürfe die Politik nun nicht „künstlich verspielen“ und nicht verwässern. Terjung hielt dabei ein Plädoyer für den Aktivismus als Form der Auseinandersetzung und des Protests. Aktivismus sei Teil der demokratischen Kultur, ja „eines der wertvollsten Demokratieförderprogramme“ und als solches schützenswert. 

Massenprotest sei „das schärfste Schwert für den Klimaschutz“. Er sei nicht dafür, sich auf die Straße zu kleben, so der Aktivist. Aber man dürfe das nicht in unverhältnismäßiger weise kriminalisieren. Klimaaktivisten hätten mittlerweile seitens der Strafverfolgung ein Ausmaß an Repressionen erleiden müssen, das über das Ziel hinausschieße. Einen solchen Angriff auf die Zivilgesellschaft dürfe der Rechtsstaat nicht zulassen.

Von den antisemitischen Äußerungen, wie sie bei Fridays for Future International gefallen seien, distanziere sich Fridays for Future Deutschland und verurteile diese entschieden. (ll/15.11.2023)

Marginalspalte