Parlament

Abschließende Beratungen ohne Aussprache

Ohne Aussprache hat der Bundestag am Donnerstag, 30. November 2023, über eine Reihe von Vorlagen entschieden:

Europäische KI-Verordnung: Die Abgeordneten des Bundestages haben einen Antrag der CDU/CSU-Fraktion mit dem Titel „Europäische KI-Verordnung – Für eine engagierte und innovationsfreundliche Mitgestaltung Deutschlands bei der Regulierung Künstlicher Intelligenz in Europa“ (20/7583) bei Enthaltung der AfD mit der Mehrheit von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und Die Linke abgelehnt. Die Entscheidung erfolgte auf Basis einer Beschlussempfehlung des Digitalausschusses (20/9477). Die Unionsfraktion hat in ihrem Antrag gefordert, Unklarheiten zum Verhältnis einzelner Anforderungen des AI-Acts zu anderen EU-Rechtsvorschriften im Sinne des Vorschlags des europäischen Parlaments zu bereinigen. Damit solle Rechtsunsicherheiten für die Entwickler von Künstlicher Intelligenz (KI) vorgebeugt werden, schreiben die Abgeordneten. Dazu gehörten einheitliche Begrifflichkeiten in den Gesetzen. Auch soll nach dem Willen der Fraktion die Definition von KI noch enger gefasst werde, sodass der Kern der KI-Definition beim Maschinellen Lernen liege.

Führerscheinentzug: Das Parlament hat mit der Mehrheit von SPD, CDU/CSU, Grüne, FDP und Linke gegen einen Antrag der AfD mit dem Titel „Vorschläge der Europäischen Kommission für einen möglichen Führerscheinentzug für Personen über 70 Jahre im EU-Ministerrat ablehnen“ (20/7580) gestimmt. Der Entscheidung lag eine Beschlussempfehlung des Verkehrsausschusses (20/9203) zugrunde. Die Vorschläge der EU-Kommission seien mit den Interessen der Bundesrepublik Deutschland und dem Ziel der Verwirklichung gleichwertiger Lebensverhältnisse nicht vereinbar, schreibt die Fraktion in ihrem Antrag. Weite Teile der Bevölkerung wären bedroht, ihre individuelle Mobilität zu verlieren. Darüber hinaus sei der Vorschlag unverhältnismäßig, da ältere Verkehrsteilnehmer unterdurchschnittlich häufig in Verkehrsunfälle verwickelt seien. Fahrhilfen, wie Assistenzsysteme und Systeme für autonomes Fahren, würden außerdem die Anforderungen an den Führerscheininhaber und somit die Risiken senken, auch weniger befähigte Führerscheininhaber könnten am Straßenverkehr teilnehmen.

Kurdische Regionen: Der Bundestag hat den Antrag der AfD-Fraktion mit den Titel „Stabilität in autonomen kurdischen Regionen im Irak und Syrien herstellen - Schutzzonen einrichten“ (20/6722) abgelehnt. Die Initiative fand keine Mehrheit gegen die Stimmen von SPD, CDU/CSU, Grüne, FDP und Linke gegen das Votum der Antragsteller. Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe hatte dazu eine Beschlussempfehlung (20/9519) vorgelegt. In ihren Antrag dringt die AfD-Fraktion auf Stabilität in den autonomen kurdischen Regionen in Syrien und im Irak. In einem Antrag (20/6722) fordert sie die Bundesregierung auf, sich für „UN-Sicherheitszonen“ für die Gebiete in Nordsyrien und im Nordirak, insbesondere im Sindschar-Gebirge „zum Schutz von Minderheiten vor türkischen Angriffen“ einzusetzen. Auch eine Flugverbotszone für die „stark gefährdeten Gebiete“ solle die Bundesregierung mit den Bündnispartnern auf Ebene von Vereinten Nationen (UN) und Europäischen Union (EU) erwägen, schreiben die Abgeordneten. Die AfD wirft der Türkei vor, „im Schatten des Russland-Ukraine-Krieges“ kurdische Gebiete anzugreifen. Zuletzt habe das türkische Militär die Zivilbevölkerung mit Drohnen- und Artillerieangriffen auf Wohngebiete „terrorisiert“, nicht einmal UN-Einrichtungen seien sicher vor den Angriffen, heißt es im Antrag. In den europäischen Nachrichten und seitens der Nato-Bündnispartner vernehme man allerdings keine „adäquate Reaktion“. Die Fraktion verlangt deshalb von der Bundesregierung, den türkischen Präsident Erdogan aufzufordern, seine Militäreinheiten aus den kurdischen Gebieten abzuziehen. Die Zusammenarbeit Deutschlands mit der Türkei und der Flüchtlingspakt zwischen EU und Türkei müsse hinterfragt werden, fordern die Abgeordneten. Auch auf den Prüfstand gehörten deutsche Waffenexporte an die Türkei, „sofern sich herausstellt, dass deutsche Waffen bei Angriffen in der Autonomen Region im Irak und in Nordost-Syrien zum Einsatz kamen“.

Schnelles Internet: Mit den Stimmen der SPD, CDU/CSU, Grünen, FDP und AfD gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke fand ein Antrag der Linksfraktion mit dem Titel „Recht auf schnelles Internet für alle“ (20/1818) keine Mehrheit. Der Ausschuss für Digitales hatte dazu eine Beschlussempfehlung (20/9569) vorgelegt. 

Impressum: Ebenfalls mit der Mehrheit der übrigen Fraktionen haben die Abgeordneten einen Antrag der Linksfraktion mit dem Titel „Keine Privatadressen im Impressum“ (20/2031) abgelehnt. Dazu lag eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für Digitales (20/9567) vor. 

IT-Sicherheit: Der Bundestag hat einen Antrag der Linken mit dem Titel „Ausnutzung von IT-Sicherheitslücken durch Bundesbehörden verbieten“ (20/2079) mit der Mehrheit der übrigen Fraktionen auf der Grundlage einer Beschlussempfehlung des Innenausschusses (20/9565) abgelehnt.

Netzsperren: Der Bundestag hat auf Grundlage einer Beschlussempfehlung des Ausschusses für Digitales (20/9568) einen Antrag mit dem Titel „Schluss mit Netzsperren unter Umgehung der Gerichte“ (20/2080) der antragstellenden Fraktion Die Linke mit der Mehrheit der übrigen Fraktionen abgelehnt.

Offlinezugangsgesetz: Gegen die Stimmen von Linke und AfD wurde ein Antrag der Linksfraktion mit dem Titel „Für ein Offlinezugangsgesetz“ (20/8712) abgelehnt. Der Innenausschuss hatte dazu eine Beschlussempfehlung (20/9563) vorgelegt.

Agrarbetriebe: „Agrarbetriebe und insbesondere den Gartenbau absichern“ (20/8570) lautet der Titel eines Antrags der Linken, der auf Grundlage einer Beschlussempfehlung des Landwirtschaftsausschusses (20/9561) mit der Mehrheit der übrigen Fraktionen abgelehnt wurde.

Staatsangehörigkeitsgesetz: Die Abgeordneten haben einen Gesetzentwurf der AfD zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes (20/4845) abgelehnt. Die Parlamentarier stimmten mit der Mehrheit von SPD, CDU/CSU, Grüne, FDP und Linksfraktion gegen die Stimmen der AfD. Die Entscheidung erfolgte auf Grundlage einer Beschlussempfehlung des Innenausschusses (20/5827). Die AfD-Fraktion dringt bei den Regelungen zum Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft auf eine Rückkehr zum vor dem Jahr 1991 geltenden Rechtszustand. Danach soll der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Geburt im Inland für Kinder ausländischer Eltern künftig ebenso entfallen wie der „Einbürgerungsanspruch wegen längeren Aufenthalts im Inland“. Damit werde auch dem „bewährten Grundsatz der Vermeidung der Mehrstaatigkeit wieder Geltung verschafft“, schreibt die Fraktion in der Vorlage weiter. Wie sie in der Begründung ferner darlegt, soll lediglich solchen im Inland geborenen Kindern ausländischer Eltern in Zukunft „ein Anspruch auf Einbürgerung gewährt werden, die bei Geburt staatenlos waren und staatenlos geblieben sind“. Erhalten bleiben soll der Fraktion zufolge der Einbürgerungsanspruch für Personen, die im Zusammenhang mit Verfolgungsmaßnahmen in der Zeit vom 30. Januar 1933 bis zum 8. Mai 1945 die deutsche Staatsangehörigkeit aufgegeben oder verloren haben. Die Einbürgerung müsse im Grundsatz wieder als rechtlich gebundene Ermessensentscheidung im Einzelfall erfolgen, führen die Abgeordneten aus. Dabei müsse die Ermessensausübung der einbürgernden Behörde davon geleitet sein, „nur solche Einbürgerungen vorzunehmen, durch die das Gemeinwesen durch Hinzufügung eines loyalen Neubürgers im politischen Sinne gestärkt wird“. Die Gesetzgebung zur Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts seit 1990 habe „ein erhebliches Maß zumindest potenzieller Loyalitätskonflikte in die Bundesrepublik Deutschland als politisches Gemeinwesen hereingetragen und deren inneren Zusammenhalt im Ganzen geschwächt“, heißt es in der Vorlage des Weiteren. Die Abkehr von den „hergebrachten, bewährten Prinzipien des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts“ müsse daher rückgängig gemacht werden. Diese Prinzipien bestünden im ausschließlichen Erwerb der Staatsangehörigkeit durch Geburt im Wege des „Ius sanguinis“, in der Einbürgerung als „Ermessensentscheidung im Interesse des Gemeinwesens“ und in der Vermeidung mehrfacher Staatsangehörigkeiten.

Pflanzenschutzmittel:  Mit der breiten Mehrheit des Hauses abgelehnt wurde ein Antrag der Linksfraktion mit dem Titel „Keine Doppelstandards bei giftigen Chemikalien – Exportverbot für nicht zugelassene Pflanzenschutzmittel“ (20/8953) gegen das Votum der Antragsteller. Dazu hat der Landwirtschaftsausschuss eine Beschlussempfehlung (20/9572) vorgelegt.

Spähsoftware: Abgelehnt wurde ein weiterer Antrag der Linksfraktion mit dem Titel „Kein Kauf und Einsatz von Spähsoftware durch Bundesbehörden“ (20/683). Die Vorlage wurde gegen das Votum der Antragsteller bei Enthaltung der AfD mit der Mehrheit der übrigen Fraktionen zurückgewiesen. Dazu hat der Rechtsausschuss eine Beschlussempfehlung (20/9564) vorgelegt.

Streitverfahren: Der Bundestag hat mit den Stimmen von SPD, Grünen und FDP bei Enthaltung der CDU/CSU, AfD und Linksfraktion eine Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zu dem Streitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht 2 BvE 13 / 23 ab (20/9535) angenommen. Darin empfiehlt der Ausschuss in dem Streitverfahren Stellung zu nehmen und die Präsidentin zu bitten, eine Prozessbevollmächtigte oder einen Prozessbevollmächtigten zu bestellen. Abgeordnete der Unionsfraktion und die Fraktion selbst hatten gegen den Beschluss des Bundestages in der 114. Sitzung am 5. Juli 2023 geklagt, die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Aufklärung der Anwendung von Bundesrecht bei der Rückforderung unberechtigter Kapitalertragsteuererstattungen aus sogenannten Cum-Ex-Geschäften abzulehnen. Die Abgeordneten und die Fraktion sehen sich in dieser Sache ihren Rechten verletzt.

Petitionen: Die Abgeordneten haben eine Reihe von Petitionen beschlossen, die beim Bundestag eingegangen und vom Petitionsausschuss beraten wurden. Angenommen wurden die Sammelübersichten 473 bis 484 (20/9373, 20/9374, 20/9375, 20/9376, 20/9377, 20/9378, 20/9379, 20/9380, 20/9381, 20/9382, 20/9383, 20/9384). 

Studie zum „Racial Profiling“ gefordert

Darunter befindet sich auch eine Petition, mit der die Durchführung einer Studie zum „Racial Profiling“ bei den Polizeibehörden des Bundes und der Bundesländer gefordert wird. Durch die Black Lives Matter Bewegung sei auch in Deutschland erneut die Debatte entfacht, ob „Racial Profiling“ stattfindet, schreibt der Petent. Das Bundesinnenministerium (BMI) habe jedoch die auf Empfehlung des ECRI (Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz) ursprünglich angedachte Studie abgelehnt, heißt es in der aus dem Jahr 2020 stammenden öffentlichen Petition (ID 113349). Seitens des BMI sei damals argumentiert worden, dass „Racial Profiling“ rechtwidrig sei, was aus Sicht des Petenten aber nicht bedeutet, dass es nicht trotzdem stattfindet. Eine aufschlussreiche Studie, so seine Einschätzung, ermögliche eine auf Fakten, nicht auf Meinungen basierte Grundlage, um festzustellen, ob Handlungsbedarf besteht.

Die in der Sitzung des Petitionsausschusses am 15. November mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und Die Linke verabschiedete Beschlussempfehlung an den Bundestag sieht nun vor, die Petition dem Bundesministerium des Inneren und für Heimat „als Material“ zu überweisen. Den Verfahrensgrundsätzen des Petitionsausschusses zu Folge bedeutet dies, dass die Bundesregierung die Petition „in die Vorbereitung von Gesetzentwürfen, Verordnungen oder anderen Initiativen oder Untersuchungen einbeziehen soll“. 

Ex-Bundesinnenminister Seehofer lehnte Studie ab

In der Begründung zu seiner Beschlussempfehlung verweist der Ausschuss darauf, dass der ehemalige Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) eine Studie zu „Racial Profiling“ in der Bundespolizei abgelehnt hatte. In einer Stellungnahme aus der aktuellen Wahlperiode habe das BMI mitgeteilt, dass im Oktober 2021 im Ergebnis des Kabinettausschusses zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus eine breite empirische Studie zum „Rassismus als Gefährdung des gesellschaftlichen Zusammenhalts im Kontext ausgewählter gesellschaftlich-institutioneller Bereiche“ gestartet worden sei. 

Sie solle klären, inwieweit Rassismus in staatlichen Institutionen auftrete, welche Erscheinungsformen er annehme, welche Motive und welche spezifischen Gründe ihm zugrunde liegen könnten und wie er sich vermeiden lasse.

Projekt der Deutschen Hochschule der Polizei

Innerhalb dieses umfangreichen und differenzierten Vorhabens werde auch im Rahmen eines Teilprojekts exemplarisch die polizeiliche Kontrollpraxis durch den Forschungsverbund ein Thema sein und sozialwissenschaftlich in den Gesamtkontext eingeordnet, heißt es in der Vorlage. Im Rahmen eines weiteren Teilprojektes, das sich mit einer Beschäftigtenbefragung in Behörden des öffentlichen Dienstes auseinandersetzt, sei auch die Bundespolizei involviert. Ferner finanziert das BMI laut Petitionsausschuss das Forschungsprojekt „MEGAVO – Motivation, Einstellung und Gewalt im Alltag von Polizeivollzugsbeamten“, das von der Deutschen Hochschule der Polizei durchgeführt wird.

Die Abgeordneten machen zudem darauf aufmerksam, dass die ECRI in ihrem Bericht Mitte März 2020 unter anderem die Empfehlung gegenüber den Polizeibehörden des Bundes und der Bundesländer abgegeben hatte, eine Studie zum „Racial Profiling“ in Auftrag zu geben und sich an ihr mit dem Ziel zu beteiligen, Maßnahmen zur Beendigung bestehenden „Racial Profilings“ und zur Verhinderung zukünftigen „Racial Profilings“ zu entwickeln und umzusetzen. Auch wenn diese ECRI-Empfehlungen völkerrechtlich nicht bindend seien, appelliert der Petitionsausschuss mehrheitlich an das BMI, „eine Studie zum ,Racial Profiling‘ bei der Bundespolizei in Auftrag zu geben“. 

(hau/ste/30.11.2023)