Befragung der Bundesregierung

Pistorius: Unterstützung für Ukraine wird nicht nachlassen

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat unterstrichen, dass die deutsche Unterstützung für die Ukraine im Kampf gegen den russischen Aggressor nicht nachlassen wird. In der Regierungsbefragung am Mittwoch, 29. November 2023, sagte Pistorius, in dieser Frage wisse er die überbordende Mehrheit des Bundestages hinter sich. Ein Sieg Putins hätte nach den Worten des Ministers „katastrophale Folgen“ für Deutschland und Europa. „Wir müssen wieder wehrhafter werden“, forderte er, und gemeinsam Führung in der Nato übernehmen, um Sicherheit und Frieden verteidigen zu können. Es sei notwendig, intensiv in die Bundeswehr, in Ausstattung und Ausbildung, zu investieren.

Lauterbach: Soldaten verteidigen auch unsere Freiheit

Den Fragen der Abgeordneten stellte sich auch Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD). Er wies darauf hin, dass Deutschland schwerverletzte Soldaten aus der Ukraine aufnehme, medizinisch versorge und dafür die Kosten trage. Das werde man fortsetzen solange es nötig sei, denn „sie verteidigen auch unsere Freiheit“. Auch stehe man fest an der Seite Israels und unterstütze das Land mit Geräten und Medizinprodukten im Kampf gegen den Terror und gegen Hamas. 

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach steht in der Regierungsbank und spricht in ein Mikrofon.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach beantwortete Fragen der Abgeordneten. (DBT/Thomas Trutschel/photothek)

In der Mitte der Wahlperiode sei die deutsche Gesundheitspolitik geprägt von wichtigen Reformen, so der Minister. Obwohl kein Land im Pro-Kopf-Vergleich mehr Geld für Gesundheit ausgebe, liege Deutschland im Vergleich von 16 westeuropäischen Ländern bei der Lebenserwartung von Männern und Frauen auf den letzten Plätzen.

Bei der Krankenhausfinanzierung müsse man vom Fallpauschalen-System, das Minderqualität belohne, auf Vorhaltepauschalen umsteigen. Es könne nicht sein, sagte Lauterbach, dass Patienten nicht die Möglichkeit haben, sich darüber zu informieren, wo es für sie die beste Versorgung gibt. Man wolle in dieser Hinsicht Transparenz schaffen, das sei ein „ethisches Gebot“.

Transparenzgesetz im Vermittlungsausschuss

Dr. Janosch Dahmen (Bündnis 90/Die Grünen) griff das Thema auf und erinnerte daran, dass der Bundesrat das Krankenhaustransparenzgesetz (20/8408) in den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat überwiesen habe. Lauterbach sagte, das Gesetz regele regional, welche Klinik bei welchen Behandlungen erfahren ist, was für eine bessere Versorgung dringend notwendig sei. Für die Länder stünden Liquiditätshilfen von sechs Milliarden Euro zur Verfügung. Wenn es nicht gelinge, im Vermittlungsverfahren eine Lösung zu finden, sei ein flächendeckendes Kliniksterben möglicherweise nicht abwendbar.

Von Dahmen auf die Länder-Forderung nach weiteren fünf Milliarden Euro als Überbrückungshilfen angesprochen, sagte der Minister, der Bund habe dauerhaft große Summen gezahlt, während die Länder 3,5 Milliarden Euro Investitionskosten schuldig geblieben seien. Die Forderung der Länder sei daher unbegründet.

Liquiditätshilfen und Bürokratie

Gegenüber dem Linken-Abgeordneten Ates Gürpinar sagte Lauterbach, er gehe nicht von einem flächendeckenden Krankenhaussterben aus. Der Verzicht der Länder auf die Liquiditätshilfen des Transparenzgesetzes wäre seiner Ansicht nach „unverantwortlich“.

Die CDU/CSU-Abgeordnete Emmi Zeulner nannte die „überbordende Bürokratie“ des Gesetzes als Ursache für den Einspruch der Länder. Lauterbach betonte, nur die unionsgeführten Länder hätten gegen das Gesetz gestimmt, sie enthielten damit ihren eigenen Krankenhäusern „wichtige Liquiditätshilfen“ vor. Gegenüber dem CDU/CSU-Abgeordneten Dr. Georg Kippels drückte der Minister seine Zuversicht aus, im Vermittlungsausschuss die notwendige Mehrheit zu erhalten.

Notfallversorgung und Gesundheitswirtschaft

Die Vorsitzende des Gesundheitsausschusses Dr. Kirsten Kappert-Gonther (Bündnis 90/Die Grünen) sprach die Reform der Notfallversorgung und des Rettungsdienstes an. Lauterbach räumte eine zurzeit „sehr schlechte Versorgungsqualität“ für Menschen mit psychischem Hilfebedarf in der Notfallaufnahme ein. Eine akute psychische Soforthilfe sei überfällig.

Der FDP-Abgeordneten Kristine Lütke, die sich nach der Unterstützung der industriellen Gesundheitswirtschaft erkundigte, erwiderte der Minister, dieses Problemfeld müsse dringend angegangen werden. Die Zahl klinischer Studien in Deutschland gehe zurück. Für die Forschung notwendige Daten könnten wegen fehlender Rechtsgrundlagen nicht zur Verfügung gestellt werden. Diese Grundlagen müsse man schaffen, um die „Aufholjagd“ beginnen zu können.

Auf die Frage des AfD-Abgeordneten Martin Sichert nach den Energiekosten der medizinischen Industrie sagte Lauterbach, für die pharmazeutische Forschung seien nicht Energiekosten entscheidend, sondern die Daten.

Cannabis-Legalisierung und Prävention

Mehrere Fragen an Lauterbach betrafen die Cannabis-Legalisierung. So fragte der SPD-Abgeordnete Dirk Heidenblut nach der Prävention und der Aufklärung von Jugendlichen. Lauterbach sagte, im Rahmen der Legalisierung werde Cannabis vom Schwarzmarkt zurückgedrängt. Die Gefahr, dass Kinder zum Cannabis-Konsum gebracht werden, verringere sich dadurch. Auf Schäden für die Gehirnentwicklung werde hingewiesen. In der Vergangenheit sei der Cannabis-Konsum von Kindern und Jugendlichen gestiegen, was ignoriert worden sei. Diesen Weg müsse man verlassen, betonte Lauterbach.

Dem CDU/CSU-Abgeordneten Tino Sorge entgegnete der Minister, Konsum und Verunreinigungen von Cannabis stiegen, die bisherige Drogenpolitik sei gescheitert. Jetzt werde versucht, den Schutz von Kindern und Jugendlichen auszubauen und den Schwarzmarkt zurückzudrängen. Die Auswirkungen der Cannabis-Freigabe auf die Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr interessierte Tino Sorge in einer Frage an den Verteidigungsminister. Pistorius stellte klar, dass Cannabis in Kasernen nicht zugelassen werde. Daran ändere sich nichts.

Bundeswehr-Abzug aus Mali

Die Grünen-Abgeordnete Sara Nanni erkundigte sich nach dem Ende des Minusma-Mandats der Bundeswehr in Mali. Pistorius sagte, die letzten Monate seien für die Truppe in dem westafrikanischen Land herausfordernd gewesen, der „Rauswurf“ durch die Regierung Malis habe alle überrascht. Der Minister rechnet nach eigenen Worten damit, dass der Abzug der Bundeswehr aus Mali Mitte Dezember beendet sein wird. Eine Würdigung der Soldatinnen und Soldaten sei nach Abschluss des Abzugs geplant, versicherte er der Abgeordneten.

Dem AfD-Abgeordneten Rüdiger Lucassen sagte Pistorius, man habe durch den Einsatz Einfluss auf die Situation in Mali gehabt, die dortigen Behörden hätten die Zusammenarbeit „auf Augenhöhe“ sehr geschätzt. Der Erfolg des Einsatzes lasse sich nicht in Euro und Cent messen.

Kriegstüchtigkeit und Veteranen-Gedenktag

Dr. Gesine Lötzsch (Die Linke) hielt die Formulierung „kriegstüchtig“ des Ministers für „gefährlich“, sie stehe auch nicht im Einklang mit der Wortwahl des Grundgesetzes. Dort stehe, es sei Aufgabe des Bundes, Streitkräfte zur Verteidigung aufzustellen, antwortete Pistorius. Um einen Krieg führen zu können, müsse man kriegstauglich, kriegstüchtig sein. Lötzsch erwiderte, aus ihrer Sicht müsse man „friedenstüchtig“, nicht kriegstüchtig werden.

Nach einem Gedenktag für Veteranen erkundigte sich Johannes Arlt (SPD). Es gebe zehn Millionen Veteranen in Deutschland, von denen 500.000 in Auslandseinsätzen gewesen seien, so der Abgeordnete. Man brauche Zeichen der Wertschätzung für die Soldaten, sagte Pistorius, er sei für Vorschläge aus dem Parlament offen. Auch halte er die Einführung eines Veteranenbüros für „richtig und zeitgemäß“.

Ukraine-Krieg und Waffenlieferungen

Die Situation in der Ukraine thematisierte der CDU/CSU-Abgeordnete Thomas Röwekamp. Der Krieg dort habe viele Merkmale eines Abnutzungs- und Stellungskriegs, sagte Pistorius. Im Hinblick auf die von Röwekamp angesprochene Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern betonte der Minister, es gebe keinen neuen Sachstand. Es liege keine entsprechende Anfrage der Ukraine dazu vor.

Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) fragte Pistorius nach einem Bericht der Bild-Zeitung, wonach es einen Geheimplan gebe, der Ukraine so wenig wie möglich zu liefern, um sie zu Verhandlungen zu drängen. Er habe selten einen abwegigeren Unsinn gelesen, sagte der Minister. Man beliefere die Ukraine mit neuen Systemen der Luftverteidigung und mit gepanzerten Fahrzeugen. (vom/29.11.2023)

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