Parlament

Fraktionen ziehen Halbzeitbilanz der Wahlperiode

Der Bundestag hat sich am Donnerstag, 14. Dezember 2023, in einer Debatte mit der Halbzeitbilanz der aktuellen 20. Wahlperiode befasst. Dazu lag den Abgeordneten ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion mit dem Titel „Zur Halbzeit der Wahlperiode – Deutschland kann es besser“ (20/9728) vor, der mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP gegen die Stimmen der Union und bei Enthaltung der AfD abgelehnt wurde. 

Union geißelt Ampel als „Abstiegskoalition“

Carsten Linnemann (CDU/CSU) konstatierte, nach der Hälfte der Legislaturperiode sei es Zeit, zurückzublicken auf die Arbeit der Ampelkoalition. Nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zu Beginn der Regierungszeit von einer „Fortschrittsregierung“ gesprochen habe, sei die Ampel zunächst gut gestartet. Doch dann sei sie mit voller Wucht in alte Muster hineingerutscht. „Nichts funktioniert mehr“, sagte der CDU-Generalsekretär in der Debatte. 

Die deutsche Wirtschaft schrumpfe als einzige unter allen Industrieländern, Deutschland sein in allen Standortrankings zurückgefallen, der Mittelstand stehe „mit dem Rücken zur Wand“: „Das ist bitter, das geht ins Mark“, so Linnemann. Die Ampel lasse die Menschen im Regen stehen, komme beim Wohnungsbau nicht hinterher, bringe das Land mit der Migrationspolitik ans Limit. Bei der Ampel handele es nicht um eine Fortschritts-, sondern um eine „Abstiegskoalition“. „Haben Sie noch zwei Jahre die Kraft, das Land nach vorne zu bringen?“, fragt der Christdemokrat zum Schluss.

SPD: Zwei Drittel der Ampel-Ziele bereits erreicht

Bernd Westphal (SPD) erwiderte, dass der Antrag der Unionsfraktion mit dem Zustand Deutschlands „überhaupt nichts zu tun habe“. Der Antrag habe, wie die Rede des Fraktionsvorsitzenden Friedrich Merz am Vortag, weder Inhalt noch „irgend ein Ambitionsniveau“. Die Bertelsmann Stiftung habe kürzlich analysiert, dass nach zwei Jahren an der Regierung bereits zwei Drittel der „ambitionierten Zielen“ des Koalitionsvertrages erfüllt worden seien. 

Das Land stehe vor enormen Herausforderungen, da stimme er dem Antrag der Unionsfraktion zu, so Westphal. Die Ampel habe aber neben dem erfolgreichen Krisenmanagement für die Modernisierung des Landes eine Menge erreicht: So sei im Vergleich zu den vergangenen Jahren der Ausbau der Photovoltaik verdreifacht und ein 10.000 Kilometer langes Netz für Wasserstoff errichtet worden.

AfD: Union hat das Land entkernt

Leif-Erik Holm (AfD) stimmte der Unionsfraktion bei deren Aussage zu, dass Deutschland es besser könne. „Aber das Problem ist, dass Deutschland nicht die Politiker hat, um es besser zu machen.“ Deshalb brauche es eine neue Kraft, „die hier endlich aufräumt“, befand Holm. Ob die Union die Alternative zur Ampel sei, fragte Holm danach rhetorisch und antwortete darauf in Richtung der Fraktion: „Sie haben doch in 16 Merkel-Jahren damit begonnen, das Land zu entkernen.“ 

Die Union habe es nicht gekonnt, bürgerlich-konservative Politik zu machen. „Wer soll Ihnen denn heute noch glauben?“ Wer CDU wähle, bekomme heute „öko-sozialistischen Unsinn“, so Holm. Die AfD sei die einzige Chance auf eine bürgerlich-konservative Wende im Land: „Weil wir eben nicht beliebig sind.“

Grüne: Gutes Regieren ist die Fähigkeit zur Umkehr

Jürgen Trittin (Bündnis 90/Die Grünen) sagte in seiner letzten Rede als Mitglied des Deutschen Bundestages, dass gutes Regieren sich in Krisen beweise, wie sie die Ampelregierung in den vergangenen zwei Jahren erlebt habe. „Gutes Regieren ist auch die Fähigkeit zur Umkehr und das ist der Ampel gelungen“, sagte der Grüne. Seine Partei sei einmal angetreten, die Rüstungsexporte zu verringern. „Heute ist Deutschland nach den USA der zweitgrößte Unterstützer der Ukraine.“ Dies sei eben nötig, denn man dürfe nicht zulassen, dass Putin die Ukraine überrenne. „Es geht dabei auch um die Sicherheit unserer aller Lebensgrundlage“, so der Grüne. Eine Umkehr könne eben auch Korrekturen bedeuten. So habe die Ampel die Kraft gehabt, Fehler der vergangenen rot-grünen Regierung zu korrigieren; indem beispielsweise der Mindestlohn und Kindergrundsicherung erhöht wurde. Die Kunst sei, in der Umkehr den Kurs zu bewahren, so Trittin. Das sei der Ampel gelungen.

Nach seiner Rede bekam Trittin stehende Ovationen der Ampelfraktionen und Glückwünsche seiner Fraktion; Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) würdigte die Arbeit des langjährigen Abgeordneten für das Hohe Haus und wünschte Trittin viel Gesundheit und Freude für die Zeit nach der Politik.

FDP: Das Erreichte zählt

Dr. Lukas Köhler (FDP) würdigte seinen Vorredner zunächst als prägende Persönlichkeit, dem es stets gelungen sei, inhaltlich in der Sache zu streiten, aber seine politischen Gegner mit Anstand zu behandeln. „Doch im Gegensatz zu ihm glaube ich, dass die Ampel den Anspruch an Fortschritt nicht aufgegeben hat.“ 

Wenn bei der Union gelte, dass das Erzählte nicht reiche, gelte für die Ampel: „Das Erreichte zählt.“ Wenn man sich anschaue, was Deutschland an Krisen in den vergangenen zwei Jahren durchgemacht habe, sei das eine ganze Menge. „Dieses Land, diese Regierung schafft enorm viel“, sagte der Liberale. Man würde noch mehr tun für die Wirtschaft im Land, wenn die Union nicht das Wachstumschancengesetz im Bundesrat blockieren würde, schloss Köhler. 

Antrag der Union

Noch nie sei das Vertrauen der Bevölkerung in eine Bundesregierung zur Mitte der Wahlperiode so gering wie in diesen Tagen, schrieb die CDU/CSU-Fraktion in ihrem Antrag. Die Bürgerinnen und Bürger erwarteten Entscheidungen bei den Themen Wirtschaft und Staatsfinanzen, Migration und Sicherheit, schrieben die Abgeordneten. Doch diese Entscheidungen lasse die Ampelregierung vermissen, deren Bild von „Vielstimmigkeit, Unprofessionalität und einen über die Medien ausgetragenen Dauerstreit“ bestimmt werde. Die Unionsfraktion hingegen lenkte das Bild nach eigener Aussage auf ihre „konstruktive parlamentarische Arbeit“ in der ersten Halbzeit der Wahlperiode: „Wir stehen ein für eine solide und seriöse Haushaltspolitik, die die Vorgaben des Grundgesetzes achtet und kommende Generationen nicht zusätzlich belastet.“ 

Die Abgeordneten forderten die Bundesregierung auf, „die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Wettbewerbsfähigkeit unserer gesamten Wirtschaft zu stärken und solide Staatsfinanzen zu sichern.“ Dazu zählten unter anderem eine „klare Absage an eine Abschaffung oder Aufweichung der grundgesetzlichen Schuldenbremse“ und die vollständige Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 15. November 2023, ein Belastungsmoratorium, um auf neue Regularien, Auflagen und Berichtspflichten für Unternehmen und Privathaushalte zu verzichten und eine Belastungsbremse für Bürger und Unternehmen, die die Sozialabgaben bei 40 Prozent deckelt, sowie die Unternehmenssteuern auf 25 Prozent senkt.

Weiter wurde gefordert, „die irreguläre Migration nach Deutschland zu stoppen und die innere Sicherheit zu gewährleisten“, indem die Asylzuwanderung deutlich reduziert, der Außengrenzschutz gestärkt und Algerien, Marokko, Tunesien und Indien zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt werden. Zudem sollten die Anreize für die sogenannte Sekundärmigration nach Deutschland reduziert werden. (emu/14.12.2023)

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