Regierungserklärung

Scholz spricht von gutem Kompromiss im Haushaltsstreit

Eigentlich sollte die Regierungserklärung des Bundeskanzlers ein Schlaglicht auf den letzten regulären EU-Gipfel dieses Jahres werfen, bei dem es ab morgen in Brüssel unter anderem um die weitere finanzielle Unterstützung für die Ukraine und die EU-Beitrittsperspektive des Landes gehen soll. Doch nachdem die Ampel-Koalitionäre sich kurz zuvor auf eine Lösung in der Haushaltskrise geeinigt hatten, kam Olaf Scholz (SPD) nicht umhin, auch zu diesem Thema Stellung zu nehmen. In der anschließenden, rund 90-minütigen Aussprache rückte der Europäische Rat dann nahezu vollständig in den Hintergrund. Während die Ampelfraktionen die Einigung im Haushaltsstreit verteidigten, übten die Oppositionsfraktionen CDU/CSU und AfD erwartungsgemäß scharfe Kritik an den Vorschlägen. 

Scholz: Ukraine-Hilfen im Haushalt abgesichert

Konkret will die Bundesregierung infolge des Karlsruher Haushaltsurteils den Klima- und Transformationsfonds um zwölf Milliarden Euro kürzen und die 17-Milliarden-Euro-Lücke im Kernhaushalt für das Jahr 2024 durch die Abschaffung klimaschädlicher Subventionen stopfen. Auch sollen die Ausgaben einzelner Ressorts abgesenkt und Bundeszuschüsse verringert werden. Scholz sprach im Bundestag von einem „guten und demokratischen Kompromiss“ und schwierigen Abwägungen: Die Regierung habe Ausgaben priorisieren müssen, ohne die soziale Sicherheit und die Transformation aufs Spiel zu setzen. Damit der Bundestag in der ersten Sitzungswoche des neuen Jahres abschließend über den Haushalt für 2024 beraten könne, werde das Bundesfinanzministerium die Vereinbarungen nun zügig umsetzen und dem Parlament vorlegen. 

Mit Blick auf die Ukraine betonte Scholz, die Unterstützung für das Land müsse im Haushalt abgesichert werden, „so lange wie geplant und so lange wie möglich“. Die Bundesregierung habe dafür 2024 neben den Hilfen über die EU weitere acht Milliarden Euro für Waffenlieferungen eingeplant. Dazu kämen mehr als sechs Milliarden Euro für die Versorgung ukrainischer Geflüchteter in Deutschland. Der Kanzler stellte aber auch in Aussicht, dass die Regierung eine Notlage nach den Regeln der Schuldenbremse erklären werde, sollten andere Unterstützer wie die USA ihre Hilfen zurückfahren und sich die Lage für die Ukraine verschärfen. Er fügte hinzu, er werde sich auf dem Europäischen Rat „für eine nachhaltige, verlässliche, finanzielle Unterstützung der Ukraine“ für die kommenden Jahre eintreten.

Union: Ampel betreibt finanzpolitische Tricksereien weiter

Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU/CSU) gab Scholz eine Mitschuld für die Probleme der Ukraine. „Sie wissen, dass unter den gegebenen Umständen dieses Land überhaupt keine Chance hat, diesen Krieg zu gewinnen“, sagte er. Russland habe seine Rüstungsindustrie massiv hochgefahren, aber die Bundesregierung agiere weiterhin zu zögerlich bei der Bereitstellung von militärischem Gerät für die Ukraine. Mit Blick auf den Kompromiss der Ampel-Spitzen für den Bundeshaushalt 2024 warf der Oppositionsführer der Bundesregierung „finanzpolitische Tricksereien“ vor. So lasse Scholz im Hinblick auf die Ukraine jetzt schon durchblicken, dass die Ampel in den kommenden Monaten erneut eine Notsituation verkünden und die Schuldenbremse aussetzen wolle. Dies sei nach dem Grundgesetz aber nur bei einer unvorhersehbaren Notlage zulässig. Scholz habe „auf Biegen und Brechen“ versucht, einen Kompromiss im Haushaltsstreit zu finden, urteilte Merz. Ergebnis sei allenfalls ein „Formelkompromiss“, um den Bedürfnissen von SPD, Grünen und FDP gleichermaßen gerecht zu werden. 

Der CDU-Chef forderte Scholz auf, das Anfang November mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten beschlossene Paket zur Verringerung der illegalen Migration dem Bundestag im Januar als Gesetzespaket vorlegen und die Abstimmung darüber mit der Vertrauensfrage zu verbinden. Es gehe darum zu klären, ob der Kanzler überhaupt noch die Zustimmung der Koalition „in diesen wesentlichen Fragen unseres Landes“ habe. 

Nach Auffassung von CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hat sich die Bundesregierung „mit dieser Haushaltskrise blamiert“. Dass sie die Schuldenbremse zum Problem erklärt habe, schaffe zudem auch auf EU-Ebene kein Vertrauen, zumal dort wichtige Entscheidungen über den mittelfristigen Finanzrahmen und den Stabilitäts- und Wachstumspakt anstünden. „Sie haben die Wächterrolle Deutschlands und die Stabilitätskultur in Europa aufs Spiel gesetzt“, warf Dobrindt den Koalitionären vor. 

AfD: Es droht eine Deindustrialisierung

AfD-Co-Fraktionschef Tino Chrupalla urteilte, die Bundesregierung wolle die Welt und das Klima retten, wirtschafte Deutschland dabei aber kaputt. Indem Energie künstlich verknappt und die Inflation durch eine noch höhere CO2-Abgabe weiter angeheizt werde, gefährde die Koalition den Wirtschaftsstandort. 

„Es droht eine Deindustrialisierung“, warnte Chrupalla. Auch durch die Einigung im Haushaltsstreit vollziehe die Ampel nicht die nötige Wende in der Haushaltspolitik: „Sie lassen sich nicht beirren, Sie machen immer so weiter.“

Grüne: Abbau klimaschädlicher Subventionen angehen

Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann sprach demgegenüber von einer tragfähigen Lösung im Haushaltsstreit. Dass zentrale Projekte im Klima- und Transformationsfonds erhalten bleiben sollen, sei ein „wichtiges Signal an Bürgerinnen und Bürger, die Unternehmen und die Wirtschaft, die sich auf den Weg der ökologischen und sozialen Transformation gemacht haben.“ Die Koalition gehe den Abbau klimaschädlicher Subventionen an, betonte die Grünen-Politikerin. Damit würden an anderer Stelle Spielräume im Haushalt ermöglicht, anstatt bei den Schwächsten – etwa Bürgergeldempfängern – zu kürzen, wie es die Union vorgeschlagen habe.

Eindringlich appellierte Haßelmann mit Blick auf den andauernden Krieg in der Ukraine, „nicht kriegsmüde“ zu werden. Deutschland müsse weiterhin alles tun, um die Ukraine wirtschaftlich, humanitär und militärisch zu unterstützen.

FDP offen für Taurus-Lieferung an die Ukraine

Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Johannes Vogel, sagte, die Liberalen seien offen dafür, die Ukraine noch stärker militärisch zu unterstützen, „zum Beispiel indem wir endlich Taurus liefern“. Mit Blick auf die „Tatsache, dass Deutschland alleine 50 Prozent der finanziellen Hilfen der Europäischen Union für die Ukraine heute liefert“, forderte der FDP-Vize aber auch einen größeren Anteil der europäischen Partner ein. 

Hinsichtlich der Einigung der Ampel-Spitzen zum Bundeshaushalt nannte Vogel es richtig, dass die Schuldenbremse für das Jahr 2024 nicht ausgesetzt werde. 

Plenum billigt Entschließungsanträge 

SPD-Chefin Saskia Esken bekräftigte indes die Aussage von Bundeskanzler Scholz, dass eine Ausnahmeregel der Schuldenbremse bei einer verschärften Lage in der Ukraine weiterhin möglich ist. „Wir stehen an der Seite der Ukraine ohne Wenn und Aber.“ 

Kurz ging Scholz in seiner Regierungserklärung auch auf die Erweiterung der EU um weitere Mitglieder ein. Dass die EU-Kommission die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Moldau und der Ukraine empfohlen habe, unterstütze die Bundesregierung ausdrücklich, stellte er klar. Auch Georgien und die Westbalkanstaaten müssten eine ernsthafte EU-Perspektive erhalten. Die Koalitionsfraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP hatten dazu auch einen Entschließungsantrag zu den geplanten EU-Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine (20/9723) und der Republik Moldau (20/9724) vorgelegt, indem sie unter anderem eine konsequente Fortführung des Reformkurses in den beiden Ländern fordern. Der Antrag wurde mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gebilligt.  

Drei weitere Entschließungsanträge von CDU/CSU und AfD erhielten dagegen keine Mehrheit. Die Union hatte in ihrem Antrag zu den Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine (20/9725) und der Republik Moldau (20/9726) eine Reihe von Forderungen im Kontext der Aufnahme gestellt. Die AfD-Fraktion sprach sich in ihrem Antrag (20/9727) unter anderem dafür aus, die Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine und deren Aufnahme in die EU abzulehnen. (joh/13.12.2023)

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