Aktuelle Stunde

Fraktionen reagieren auf Proteste von Bauern und Mittelstand

In einer Aktuellen Stunde zum Thema „Landwirtschaft und Handwerk, Gastronomie und Transportgewerbe in Gefahr“ haben sich die Fraktionen und fraktionslose Abgeordnete am Mittwoch, 17. Januar 2024, im Bundestag positioniert. Verlangt hatte die Aussprache die AfD-Fraktion, deren Abgeordneter Bernd Schattner im „Frust der Bauern“ auch den „Frust des ganzen Landes“ sah. Abgeordnete der Ampelfraktionen blickten kritisch zurück auf die von der Unionsfraktion gestellten Landwirtschaftsminister der Merkel-Jahre, während die Union vor allem die letzten beiden Jahre in den Fokus rückte.

AfD: Verkörperung des Morgenthau-Plans

So gut wie niemand mehr unterstütze die Bundesregierung, stellte Schattner fest. Der Rheinland-Pfälzer sagte, im benachbarten Belgien und Luxemburg führen die Traktoren steuerfrei. Die Anhebung der Lkw-Maut belastete das Speditionsgewerbe, die Rücknahme des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auf Speisen in der Gastronomie. Auf der anderen Seite werde deutsches Steuergeld in Ländern wie Indien verteilt, einem Land, das sich ein eigenes Raumfahrtprogramm leiste.

Kay Gottschalk (AfD) sprach von der schlechtesten Regierung aller Zeiten, der „Verkörperung des Morgenthau-Plans“. Die Ampel wolle ganze Wirtschaftszweige ruinieren und lege die Axt an den Wohlstand der Deutschen. Die Schweineproduktion habe sich aus Deutschland nach Spanien verabschiedet und Traktoren mit Elektroantrieb stünden frühestens ab Jahresende zur Verfügung. Gottschalk forderte die Regierung auf, den Weg für Neuwahlen freizumachen.

SPD: Landwirte nicht im Stich lassen

Für die SPD-Fraktion räumte Dr. Daniela De Ridder ein, dass die Landwirte mit großen strukturellen Herausforderungen konfrontiert seien. Höfesterben, Futtermittelkosten, hohe Energiekosten, bürokratische Anforderungen und zu niedrige Abnahmepreise beim Einzelhandel hätten zu großer Frustration und dem Gefühl mangelnder Wertschätzung geführt. Die Subventionen für die Landwirtschaft seien notwendig, damit Nahrungsmittel erschwinglich bleiben, sagte De Ridder.

Die Landwirte dürften nicht im Stich gelassen werden. Strukturelle Entscheidungen müssten getroffen werden, die Planungssicherheit verleihen. Die Sparmaßnahmen hätten das Fass zum Überlaufen gebracht, seien aber korrigiert worden. An die Landwirte appellierte De Ridder, den Dialog nicht zu erschweren und nicht zuzulassen, von den „Braunen“ unterwandert zu werden. 

Alexander Bartz (SPD) ergänzte, es gehe nicht nur um Agrardiesel, sondern um Versäumnisse, die über Jahrzehnte hinweg entstanden seien. Man sei nun im Gespräch mit den Landwirten und wolle bis zum Sommer einen Zeitplan für konkrete Veränderungen vorlegen.

CDU/CSU: Keine Alternative zum Agrardiesel

Der CDU-Abgeordnete Dr. Oliver Vogt bezeichnete die Landwirte als „Rückgrat des ländlichen Raumes“. Die Traktoren führen zu 90 Prozent auf Äckern und nicht auf Straßen, deshalb sei die Agrardiesel-Rückvergütung eine Rückerstattung zu Unrecht erhobener Steuern und keine klimaschädliche Subvention. Zum Agrardiesel gebe es keine Alternative, ein Mähdrescher müsste 40 Tonnen Batterien hinter sich herziehen, sagte Vogt. Der Regierung hielt Vogt vor, nichts unternommen zu haben, um etwa E-Fuels zur Marktreife zu verhelfen.

Erforderlich wäre seiner Meinung nach ein ernsthafter Dialog auf Augenhöhe. Der Protest könne nicht in die rechte Ecke geschoben werden. Die Landwirte hätten deutlich gemacht, dass sie sich nicht von „rechtsextremistischen Idioten“ vereinnahmen lassen. Vogt zitierte aus dem Parteiprogramm der AfD, in dem stehe, dass sie alle Subventionen komplett streichen wolle. Zugleich kündigte er einen Unionsantrag zur Zukunft der Landwirtschaft in Deutschland an. 

Der CSU-Abgeordnete Ulrich Lange stellte fest, dass es noch keine Regierung geschafft habe, das Land in zwei Jahren so zu spalten wie die Ampel. Der SPD warf Lange vor, sie leugne ihre Verantwortung als Regierungsbeteiligte letzten Vierteljahrhundert.

Grüne: Wir hören Ihr Anliegen

Felix Banaszak (Bündnis 90/Die Grünen) verwies auf jüngste Demonstrationen gegen die AfD. Die Menschen stellten sich gegen diese rechte Gefahr, was ein „Hoffnungsschimmer“ sei. An die „demokratische Mitte“ appellierte er, alles zu tun, damit rechte Propaganda keinen Erfolg hat. Den Landwirten, Handwerkern, Gastronomen und Spediteuren rief Banaszak zu: „Wir hören Ihr Anliegen.“ Auch wütender Protest mache eine lebendige Demokratie aus. Er erinnerte an die Verantwortung der Unionsfraktion, der sie in der Opposition nicht gerecht werde, wenn sie immer nur sage, wo nicht gespart werden dürfe, zugleich aber zum Sparen und Festhalten an der Schuldenbremse aufrufe.

Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) zählte die von der Union gestellten Agrarminister von 2005 bis 2021 auf. Diese hätten die Landwirte allein gelassen mit „Suggestion und Versprechen“. Das Fass sei übergelaufen, weil die Union es aus Feigheit gefüllt habe. Es seien keine Entscheidungen getroffen worden, die die Landwirte auf die Zukunft vorbereiten. Die Befristung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes in der Gastronomie habe noch die letzte Große Koalition beschlossen.

FDP: Wir stellen uns der Realität

Karlheinz Busen (FDP) versprach, dass die FDP die Land- und Forstwirtschaft schonen werde. Die Bürokratie bezeichnete er als die Fessel für die Wirtschaft. Statt Gesetze und Verordnungen immer mehr im Kleinklein zu verfassen, müsste Beamten wieder mehr Ermessensspielraum ermöglicht werden. Auch der Wohnungsbau werde durch Bürokratie unnötig verteuert. „Wir stellen uns der Realität und unternehmen was, um die Lage zu verbessern“, sagte Busen. 

Manfred Todtenhausen (FDP) sagte, Handwerk und Mittelstand stachelten nicht zum Hass auf. Hass schaffe nur neue Probleme An die Unionsfraktion gewandt fügte er hinzu, ohne die Blockade des Wachstumschancengesetzes im Bundesrat hätte schon einiges erreicht werden können. „Lassen Sie uns anpacken und Probleme lösen“, rief er den Abgeordneten zu.

Fraktionslose: Keine sinnvolle Agrarpolitik geliefert

Die fraktionslose Abgeordnete Ina Latendorf (Partei Die Linke) konstatierte, dass die Regierung eine sinnvolle Agrarpolitik nicht geliefert habe. Dass es den Landwirten irgendwann reicht, sei abzusehen gewesen. Es drohe die Gefahr, dass die, die zu Lösung nicht beitragen, sich den Unmut zunutze machen. Die Linke begreife Agrarthemen als gesamtgesellschaftliche Themen.

Der fraktionslose Abgeordnete Klaus Ernst (Partei BSW) sagte, dem Protest schlössen sich viele zu Recht an. „Wir stehen an der Seite derer, die friedlich demonstrieren“, so Ernst. Die Ampel treibe das Höfesterben voran. Die AfD mache sich zum Anwalt der Subventionen. (vom/17.01.2024)

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