Parlament

Bundestag würdigt Vertrag von Aachen zum 5. Jahrestag

Der Bundestag hat am Donnerstag, 18. Januar 2024, in einer Vereinbarten Debatte eine erste Bilanz des vor fünf Jahren zwischen Deutschland und Frankreich geschlossenen Aachener Vertrags über die deutsch-französische Zusammenarbeit und Integration gezogen. Von der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am 22. Januar 2019 unterzeichnet, sollte er die Grundlagen der bilateralen Beziehungen zwischen beiden Staaten auf Basis des Vertrags vom 22. Januar 1963 (Élysée-Vertrag) erneuern und ergänzen und insbesondere die kulturelle Dimension der Beziehungen vertiefen.

SPD: Vertrag fördert gegenseitige Verständigung

Das ist nach Ansicht von Aydan Özoguz (SPD) auch gelungen. So werde der neue deutsch-französische Bürgerfonds, der zivilgesellschaftliche und kommunale Partnerschaften fördere, außerordentlich nachgefragt. „Seit April 2020 konnten mehr als 2.000 Projekte gefördert werden, viele neue gesellschaftlichen Gruppen wurden erreicht“, berichtete Özoguz. 

Das Budget sei daher bereits aufgestockt worden. Auch die ersten gemeinsamen deutsch-französischen Kulturinstitute im Ausland seien - unter anderem in Palermo und Ramallah - geschaffen worden, weitere Eröffnungen stünden an. Beim Erwerb der Partnersprache gebe es eine Trendumkehr. „Der Vertrag von Aachen trägt zur gegenseitigen Verständigung bei“, zeigte sich die SPD-Abgeordnete überzeugt. 

Regierung: Neue Stufe der Beziehungen

Mit dem Vertrag hätten beide Staaten ihre Beziehungen auf eine neue Stufe gehoben, urteilte die Europa-Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Anna Lührmann (Bündnis 90/Die Grünen). Er bringe konkrete Fortschritte vor Ort, etwa bei der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. 

Außerdem hätten die Vorschläge der vor einem Jahr ins Leben gerufenen Deutsch-französischen Expertengruppe zu institutionellen Reformen der EU „große Wellen“ geschlagen und verdeutlicht, dass die geplante Erweiterung der EU mit Reformen Hand in Hand gehen müsse. „Beide Staaten arbeiten so gemeinsam an Lösungen, die gut sind für Europa“, sagte Lührmann. Dabei seien sie offen für andere EU-Mitgliedstaaten. Derzeit würden Deutschland und Frankreich etwa die Zusammenarbeit mit der neuen polnischen Regierung vertiefen. 

Union fehlt die Dynamik

Armin Laschet (CDU/CSU) zeigte sich deutlich kritischer. Zwar gebe es Fortschritte im deutsch-französischen Verhältnis, aber eine Dynamik wie zu Zeiten Kohls und Mitterands sei nicht erkennbar. Weder zum Ukraine-Krieg, noch zur Energiewende oder zum Klimawandel gebe es eine abgestimmte Position. 

Auch fehlten Vorschläge, wie es mit der institutionellen Reform der EU und der Schaffung einer europäischen Souveränität weitergehen solle. Dabei müsse sich die EU jetzt auf den Ausgang der Präsidentschaftswahlen in den USA und eine mögliche Wiederwahl Donald Trumps vorbereiten, mahnte Laschet. Dafür brauche es eine enge Abstimmung zwischen Deutschland und Frankreich in außenpolitischen Fragen. Der Bundesregierung und insbesondere Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bescheinigte er ein „Desinteresse an diesem deutsch-französischen Zustand“. 

AfD: Verhältnis beider Staaten zueinander ist schlecht

Norbert Kleinwächter (AfD) nannte das Verhältnis beider Staaten „vergiftet und zerrüttet wie seit vielen Jahren nicht mehr“. Den Franzosen seien Scholz und seine Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) „einfach nur peinlich“, und nicht nur bei der Abschaltung der Kernenergie wolle niemand den Deutschen folgen. 

Weniger Menschen als zuvor würden die Partnersprache lernen, und wichtige Projekte, etwa im Bereich der polizeilichen Zusammenarbeit und der militärischen Projekte, seien gescheitert. „Die Ergebnisse des Handelns der Bundesregierung könnten deprimierender nicht sein“, urteilte Kleinwächter. 

FDP unzufrieden mit Verteidigungsprojekten 

Michael Georg Link (FDP) räumte ein, es gebe noch viel zu tun. So könne man mit dem Zustand der gemeinsamen Verteidigungsprojekte nicht zufrieden sein. Dennoch würde es beide Staaten oft schaffen, sich trotz unterschiedlicher Standpunkte in politischen Fragen zu einigen, wie zuletzt kurz vor Weihnachten auf die Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts. 

„Die Welt ist unsicher geworden, daher brauchen wir auch mehr europäische Souveränität“, betonte Link. Auch da gebe es unterschiedliche Vorstellungen in beiden Ländern, „aber daran arbeiten wir“. Der FDP-Abgeordnete sprach von einem „über Jahrzehnte gewachsenen Vertrauen“. 

Grüne: Die Aufgabenliste bleibt lang

Chantal Kopf (Bündnis 90/Die Grünen) nannte viele Potenziale des Aachener Vertrags unausgeschöpft. So kämen grenzüberschreitende Projekte wie das Bahnprojekt Freiburg-Colmar nicht voran und der gemeinsame Ausschuss für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit habe noch keinen Modus gefunden, ungelöste Probleme zu bearbeiten. „Die Aufgabenliste bleibt lang“, sagt Kopf. Alle Parlamentarierinnen und Parlamentarier seien gefragt, daran mitzuarbeiten. 

Der Bundestag hatte am 26. September 2019 einen gemeinsam vorgelegten Antrag von CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Eine dynamische und zukunftsorientierte deutsch-französische Freundschaft im Dienste Europas“ (19/13533) angenommen. In namentlicher Abstimmung votierte das Parlament anschließend für den Gesetzentwurf der Bundesregierung „zu dem Vertrag vom 22. Januar 2019 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über die deutsch-französische Zusammenarbeit und Integration“ (19/1005119/1051919/11247 Nr. 1). (joh/eis/18.01.2023)

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