Agrarausschuss beschäftigt Bauernproteste auf Grüner Woche
Bauernproteste, faire Preise für Lebensmittel und Subventionen für die Landwirtschaft: Eine Delegation des Bundestagsausschusses für Ernährung und Landwirtschaft hat sich am Donnerstag, 25. Januar 2024, bei einem Rundgang auf der Internationalen Grünen Woche über die Stimmung in der Branche informiert. Die Messe wird in diesem Jahr von den Bauernprotesten der vergangenen Wochen und den Debatten um Subventionen für die Landwirtschaft geprägt. Inhaltlich bilden Themen wie Nachhaltigkeit und Klimaschutz, aber vor allem regionale Lebensmittel und die Frage, ob Verbraucher dafür mehr bezahlen, die Schwerpunkte.
Die rund 40-köpfige Gruppe der Mitglieder des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft wurde am Donnerstagmorgen von Lars Jaeger, Direktor der Grünen Woche, begrüßt. Die größte Agrarmesse der Welt präsentiert unter dem Motto „Nachhaltigkeit, Ernährungssicherheit und Agribusiness“ die Zukunft der Landwirtschaft. Vor allem der Umbau der Branche stehe im Vordergrund, neue Techniken und der weitere Ausbau pflanzenbasierter Lebensmittel bildeten den Schwerpunkt. Jedoch sei wichtig, die verschiedenen Zweige der Landwirtschaft „miteinander zu verbinden“, sagte Jaeger.
Färber: Dialog wird immer wichtiger
Dem schloss sich Hermann Färber (CDU/CSU), Vorsitzender des Bundestags-Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft, an, und er betonte, wie wichtig der Austausch zwischen der Stadt- und Landbevölkerung sei. „Der Dialog wird immer wichtiger“, so Färber. Er ist sich sicher, dass das über Ernährungsthemen gelingen kann. Jede Seite würde so die andere kennenlernen und möglicherweise verschiedenen Sichtweisen verstehen und akzeptieren.
Wie weit die Meinungen oftmals auseinanderliegen, zeigte sich am Stand des Deutschen Jagdverbandes (DJV). Das Thema Wolf beschäftige Menschen im ländlichen Raum anders, als es bei Städtern der Fall sei. „Es braucht ein differenziertes Wolfsmanagement“, forderte DJV-Präsident Helmut Dammann-Tamke. Wenn 2025 die aktuellen Zahlen der in Deutschland ansässigen Wolfsrudel veröffentlicht würden, dann stünden dort die Zahlen vom Stichtag April 2023. Das sei nicht nur veraltet, sondern auch „irreführend“, weil zwei Welpenjahrgänge nicht mitgezählt würden. Er hoffe, dass sich die Fraktionen des Ausschusses „dieses Themas annehmen“, betonte Dammann-Tamke.
Wertschöpfungskette in der Landwirtschaft
Versöhnlicher zeigte man sich bei der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE). Hatte Hauptgeschäftsführer Christoph Minhoff der Bundesregierung, allen voran dem Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen), „ideologisch unterfütterte Bevormundung“ vorgeworfen, schlug Minhoff nun vor: „Wir sollten die Vielfalt leben und jedem das Essen lassen, was er oder sie essen möchte“. Vor allem jüngere Verbraucher zeigten sich „offen für pflanzenbasierte Nahrungsmittel“, darauf reagierten die Hersteller bereits viel stärker, als das in politischen Debatten der Fall sei.
Hermann Färber gab zu bedenken, dass sich dieser neue Kurs aber auf die gesamte Wertschöpfungskette in der Landwirtschaft auswirken solle. „Von der Scholle bis zum Teller müssen alle einen Anteil am Verkauf solcher Produkte bekommen“, forderte er stellvertretend für den gesamten Ausschuss.
Schlechte Stimmung in der Landwirtschaft
Der Empfang beim Deutschen Bauernverband (DBV) war unterkühlt. „Die Politik muss das Vertrauen der Landwirtschaft zurückgewinnen“, sagte DBV-Präsident Joachim Rukwied. Die Position des DBV sei bekannt und habe sich nicht geändert. Die von der Bundesregierung geplante Abschaffung der Erstattung der Energiesteuer auf Agrardiesel für Landwirte sei nicht hinnehmbar, da müsse sich die Regierung bewegen. Diese Maßnahme sei eine zu viel gewesen, seit Jahren fehle Planbarkeit. Das aktuelle Konjunkturbarometer Agrar zeige, dass für die abermals gesunkene Stimmung in der Landwirtschaft neben den hartnäckig hohen Betriebsmittelkosten gerade die Politik verantwortlich sei. Besonders besorgniserregend sei dabei, dass diese Einschätzung schon vor den „unsäglichen Steuererhöhungsplänen beim Agrardiesel und der Kfz-Steuer“ vorgelegen habe, so Rukwied. Umso wichtiger sei es jetzt, dass die Ampelregierung die Steuererhöhung bei Agrardiesel zurücknehme.
Angebote von Seiten der Regierung, man wolle Bürokratie abbauen, wirkten bei manchem Landwirt eher wie eine Provokation angesichts der geplanten Maßnahmen, die in den nächsten Jahren eher mehr als weniger Bürokratie mit sich brächten. „Der Vertrauensverlust bei uns Bauern in diese Ampel-Koalition ist immens. Wenn man ein Stück Vertrauen in unserem Berufsstand wieder zurückgewinnen will, muss jetzt ein deutliches Signal gesetzt werden, und nicht erst in einem halben Jahr“, sagte Rukwied. Die Abgeordneten zeigten Verständnis für die Lage der Landwirte. „Wir müssen alle gemeinsam zurück an den Verhandlungstisch“, sagte Peggy Schierenbeck (SPD). Ihre Kollegin Susanne Mittag verwies auf das Vorhaben der Ampel, bis zum Sommer einen Fahrplan für wichtige Maßnahmen in der Landwirtschaft auf den Weg bringen zu wollen.
Diskussion über Tierwohlabgabe und CO2-Preis
Karl Bär (Bündnis 90/Die Grünen) wollte eine Einschätzung des DBV zur geplanten Tierwohlabgabe hören. Minister Özdemir hatte vergangene Woche einen „Fleischsoli“ ins Gespräch gebracht. Damit ist ein Aufpreis auf tierische Produkte gemeint, aus dessen Einnahmen Landwirte beim Umbau ihrer Ställe für mehr Tierwohl unterstützt werden könnten. Verbraucher würden zum Beispiel mehr für Fleisch bezahlen, um die Landwirtschaft zu stärken. Rukwied antwortete, diese Vorschläge lägen seit Jahren auf dem Tisch, die Politik habe aber bisher versäumt, sie umzusetzen. Sollte es eine solche Angabe tatsächlich eines Tages geben, müsse jedoch klar sein, dass die Erzeuger der Produkte beteiligt werden, über die Kosten für den Stallumbau hinaus.
Auch der Zentralverband Gartenbau (ZVG) kritisierte die Bundesregierung. Vor allem der gestiegene CO2-Preis mache den Betrieben zu schaffen, sagte Wilhelm Böck, Vorsitzender des ZVG. Die Preise für die Beheizung seiner Gewächshäuser seien von 90.000 Euro pro Jahr auf 130.000 Euro gestiegen. Vorschläge, Energie durch eigenen Photovoltaik-Anlagen zu erzeugen, würden in seinem Fall „wenig bringen“. Er verbrauche vor allem im Winter Energie, weil in der Zeit jene Pflanzen gezogen werden, die im Frühjahr für Hobbygärtner in den Verkauf gingen. „In der Zeit scheint bei uns leider nur sehr selten die Sonne“, sagte Böck. Dabei würden viele Gartenbauunternehmen gerne ausbauen, der Beruf sei in der „grünen Branche“ sehr beliebt, und junge Leute zeigten sehr viel Interesse für eine Ausbildung. Als Vorbild könnten die Niederlande dienen, dort würden Öko-Steuern erst bei einem bestimmten Verbrauch an Kraftstoffen fällig.
Positiver Trend bei Absatz von Bioprodukten
Sehr zufrieden zeigte sich hingegen der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). Peter Röhrig, geschäftsführender Vorstand beim BÖLW, dem Spitzenverband landwirtschaftlicher Erzeuger, Verarbeiter und Händler ökologischer Lebensmittel in Deutschland, verwies bei der Ankunft der Delegation des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft voller Stolz auf die neue Halle 23b. Es rieche nach Holz, und die verschiedenen Bio-Anbauverbände wie Demeter und Bioland präsentierten ihre Produkte und die Art und Weise, wie sie angebaut und produziert würden. Röhrig verwies auf die Verbraucher, die „beim Einkauf immer stärker nach Bioprodukten greifen“. Auch nach der Coronapandemie sei dieser Trend ungebrochen.
Ausschussvorsitzender Färber gab zu bedenken, dass es sowohl den Ökolandbau als auch die konventionelle Landwirtschaft brauche. Der eine Zweig würde sich auf die Produktion von Bioprodukten konzentrieren, den anderen Bereich brauche es für die Versorgungssicherheit.
Gespräche mit dem Landwirtschaftsminister
Der Rundgang endete in der Halle 23a beim Bundeslandwirtschaftsministerium. Dort präsentiert die Bundesregierung die Landwirtschaft als eine zukunftssichere, technologisch innovative Branche. Minister Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen) stellte den Abgeordneten beispielsweise ein Fischernetz vor, das ungewünschte Beifänge verhindert. Entwickelt wurde das vom Thünen-Institut, das mit Perlen, die optische Signale aussenden, sobald Schweinswale in die Nähe kommen.
„Brasilien hat Interesse gezeigt, um so Delphine zu schützen“, sagte Özdemir nicht ohne Stolz. Auf die Haushaltskürzungen in seinem Haus angesprochen, machte er deutlich: die vor allem bei der Fischerei geplanten Einsparungen von 6,7 Millionen Euro auf 1,35 Millionen seien für ihn ein „einmaliger Schritt“. Das sei nicht dauerhaft, versicherte der Minister. (nki/25.01.2024)