Aktuelle Stunde

Tod des russischen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny

Über die Konsequenzen aus dem Tod des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny und über die Lage in Russland unter Präsident Wladimir Putin hat der Bundestag am Mittwoch, 21. Februar 2024, debattiert. Die Redner und Rednerinnen waren sich nahezu einig, dass der russische Präsident Wladimir Putin für den Tod Nawalnys verantwortlich ist. In der auf Verlangen der Koalitionsfraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP mit dem Titel „Repressionen, Verfolgung, Willkürjustiz Folgen aus dem Tod des russischen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny“ anberaumten Aktuellen Stunde zeigten sich die Abgeordneten schockiert über den Tod des Oppositionspolitikers. 

Am vorvergangenen Freitag war bekannt geworden, dass der 47-jährige Nawalny im Straflager „Polarwolf“ in Sibirien gestorben ist. Unter härtesten Bedingungen saß der seit 2021 Inhaftierte ab 2022 eine 19-jährige Strafe im Lager ab. Dort soll er fast 300 Tage in einer Spezialbaracke verbracht haben. Diese enge Zelle mit winzigem Fenster ist im Sommer unerträglich heiß und im Winter sehr kalt. Boden und Wände sind immer nass. Häftlinge können tagsüber nur auf einem Hocker sitzen, da ab 5 Uhr morgens das Bett hochgeklappt wird. Mit Hunger und dem Zwang, heißes Wasser sehr schnell auszutrinken, werden die Gefangenen physisch und psychisch gedemütigt. Die russische Menschenrechtsorganisation Memorial beschreibt Nawalnys Haftbedingungen als „schlimmste stalinistische Methoden“.

Grüne: Größte Gefahr für Putin und sein System

Omid Nouripour (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, unter Putin sei Russland nicht nur eine Diktatur, sondern auch eine Kleptokratie. In dieser Wunde habe Nawalny immer gebohrt. Und sei zur größten Gefahr für Putin und sein System geworden. 

„Deshalb wurde er zum politischen Gefangenen, und deshalb trägt Putin mindestens politisch vollumfänglich die Verantwortung für die Ermordung von Alexej Nawalny“, sagte Nouripour.

Union verlangt stärkeres Engagement gegen Putin

Dem schloss sich Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU) an, forderte von der Bundesregierung jedoch ein stärkeres Engagement gegen den russischen Präsidenten. „Putin muss den Krieg in der Ukraine verlieren“, so Röttgen. Dazu müsse die Produktion für Munition und Waffen „jetzt hochgefahren“ werden. Löcher im Sanktionssystem der EU müssten geschlossen werden. 

Es gehe nicht an, dass zwei Jahre nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine immer noch westliche Bauteile in russisches Militärgerät verbaut würden. Außerdem solle die EU „rechtlich wasserdichte Regelungen schaffen“, damit das im Westen eingefrorene russische Vermögen von rund 300 Milliarden US-Dollar der Ukraine zugutekommen könne.

SPD verweist auf gefährdete Exil-Russen

Frank Schwabe (SPD) betonte zwar, dass Alexej Nawalny der bekannteste politische Gefangene in Russland gewesen sei. Allerdings säßen unzählige Menschen, die sich für Freiheit und Demokratie in Russland eingesetzt hätten, in Haft. Die russische Führung schrecke auch vor Verfolgung und Mord ihrer Gegner im Ausland nicht zurück. Mehrere Anschläge in Großbritannien und der Mord im Tiergarten 2019 hätten das gezeigt. 

Deshalb gelte es, dass auch die hiesigen Behörden „wachsam sind“ und ein Auge auf in diesem Land lebende Menschen haben, die vor der Verfolgung Putins aus Russland geflohen sind, um in Freiheit leben zu können.

AfD: Russland wurde seines wichtigsten Oppositionellen beraut

Jürgen Braun (AfD) bemerkte, dass Russland „seines wichtigsten Oppositionellen beraubt wurde“. Millionen „gebildeter Russen“ hätten ihn als Hoffnungsträger angesehen, um Russland zum „Teil des europäischen Hauses“ werden zu lassen, eine Hoffnung, die bereits Michail Gorbatschow, letzter Generalsekretär der Sowjetunion, gehabt habe. Doch Nawalny sei politischer Konkurrent Putins gewesen, was in Russland nicht zugelassen sei.

FDP für schärfere Sanktionen gegen Russland

„Russland wird eines Tages frei sein“, sagte Renata Alt (FDP). Sie habe aus eigener Erfahrung erlebt, wie Menschen in Ländern des Ostblocks „Jahrzehnte auf ein Leben in Freiheit hingearbeitet haben“. Der traurige Tod Nawalnys zeige einmal mehr die Defizite Deutschlands im Umgang mit dem Regime Putins auf. Jahrelang habe der Westen Putin gewähren lassen und nicht eingegriffen, als er bereits zu Beginn der 2000er Jahre damit begonnen habe, politische Gegner und Kritiker seiner Politik umzubringen. 

Auch die Annexion der Krim vor zehn Jahren habe den Westen nicht aufgeweckt. Die EU müsse die Sanktionen gegen Russland verstärken, anstatt der bislang 1000 sanktionierten Personen sollten 6000 in die Liste aufgenommen werden.

Fraktionslose warnen vor Aufrüstung

Dr. Dietmar Bartsch (Gruppe Linke) erinnerte an den Mut, den Nawalny gezeigt habe, als er nach seiner Vergiftung mit dem Nervengift Nowitschok, die ihn fast das Leben gekostet habe, dennoch nach Russland zurückgekehrt sei. „Er hat für ein freies, demokratisches Russland gekämpft und mit seinem Leben bezahlt“, sagte Bartsch. Doch der Tod Nawalnys solle nun „keinen Anlass dafür geben, weitere Aufrüstung der Bundeswehr zu betreiben und über noch mehr Atomwaffen nachzudenken“, so der Linken-Politiker.

Auch die frühere Linken-Politikerin Dr. Sahra Wagenknecht (Gruppe BSW) kritisierte die Bundesregierung und warnte davor, den Tod Nawalnys zum Anlass zu nehmen, um „Taurus in die Ukraine zu liefern, um damit den Krieg nach Russland zu bringen“. (nki/22.02.2024)

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