Kinderkommission

Frühkindliche Bildung: Experten plädieren für Gesetzesänderungen

Inwiefern hängen frühkindliche Bildung, Chancengleichheit und wirtschaftliche Entwicklung zusammen? Mit dieser Frage hat sich die Kinderkommission (Kiko) am Mittwoch, 21. Februar 2024, befasst. Das Fachgespräch mit dem Titel „Faktoren, die über Bildungs- und Entwicklungschancen entscheiden können: Institutionelle und frühkindliche Bildung“ fand unter Leitung von Matthias Seestern-Pauly (FDP) statt. 

Krisen und Veränderungen in der Kindheit

Michael Fritz, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Kinder forschen, betonte, dass die Kindheit heutzutage immer öfter von Krisen und Veränderungen geprägt sei. Daher sei es wichtig zu schauen, wie Kinder mit diesen Veränderungen umgingen, „ob sie in Veränderungen Probleme sehen oder Chancen. Ob sie den Kopf in den Sand stecken oder Innovationen entwickeln – darüber entscheiden wir heute in der frühen Bildung“. 

Die Einstellung, wie Kinder auf Veränderungen blicken, entwickeln diese Fritz zufolge bereits in den ersten sechs bis zehn Lebensjahren. In dieser Zeit gebe es drei Bildungsorte, die Einfluss darauf nehmen könnten, wie Kinder auf die Welt blickten: die Eltern, die Kindertagesstätte (Kita) und die Grundschule. Die entscheidende Aufgabe der Bildungsorte sei daher, Kindern das Gefühl zu geben, mit Veränderungen umgehen zu können. „Diese Haltung, diese feste Überzeugung: 'Ich kriege es hin' das ist der wichtigste Bildungsauftrag von Kita und Grundschule,“ sagte Fritz. 

Bildung als Wachstumsfaktor

Die Bedeutung von früher Bildung werde auch in Wirtschaftsdaten sichtbar, sagte Fritz. So würde sich jeder investierte Euro in die frühkindliche Bildung viermal so schnell amortisieren wie ein Euro, der in die Bildung in der Sekundarstufe investiert werde. Dem Sachverständigen zufolge belegen Studien, dass die Kosten unzureichender Bildung in Deutschland bei 2,8 Billionen Euro liegen. „Damit gehört also Forderung der Qualität sowie Chancengerechtigkeit im Bereich der frühkindlichen Bildung zu einer bildungspolitischen Maßnahme mit ganz besonders hoher Wirksamkeit“, betonte Fritz. 

Wichtig sei dies auch vor dem Hintergrund, dass vor allem Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund sowie mit niedrigem sozioökonomischem Status benachteiligt seien. Dies zeige sich daran, dass diese Kinder seltener einen Kita-Platz erhielten und häufiger Einrichtungen mit geringerer Qualität besuchten. 

Fritz plädierte zudem dafür, dass Kindertagesstätten durch eine Grundgesetzänderung den Status einer Bildungseinrichtung bekommen. Diese müssten den Auftrag erhalten, dafür zu sorgen, dass jedes Kind bis zum Grundschuleintritt die deutsche Sprache beherrscht, Lernprozesse durchführen kann und soziale Kompetenzen besitzt. 

Auch Antje Holtmeyer vom Familienzentrum Landkreis Osnabrück sieht die Lösung in einer gesetzlichen Änderung. Familienzentren spielten bei der frühkindlichen Bildung eine wichtige Rolle. Eine bundesgesetzliche Verankerung der Familienzentren im Sozialgesetzbuch (SGB) VIII könne dazu beitragen, dass Familienzentren als niedrigschwellige Anlaufstellen für Familien anerkannt würden und eine langfristige Finanzierung sichergestellt werde. 

Herausforderungen in Kindertagesstätten

Michael Lührmann von der Fachberatung Stadt Osnabrück sieht vor allem Probleme beim Personalmangel in Kindertagesstätten. Auch die Gruppengrößen und der Zeitdruck seien Stressfaktoren bei Erzieherinnen und Erziehern und führten dazu, dass in erster Linie die Betreuung sichergestellt werde. Der Bildungsauftrag rücke somit oftmals in den Hintergrund. Fritz und Lührmann sehen daher eine dringende Notwendigkeit im Qualitätsausbau von Kindertagesstätten.

Mögliche Handlungsoptionen seien laut Lührmann zum einen, dass die Kitaleitungen vom Gruppendienst freigestellt werden. Zum anderen könnten Vertretungszeiten mit den Kommunen ausgehandelt werden. Auch eine Verstetigung von Förderprogrammen, Bürokratieabbau, verbindliche Raumprogramme und eine Diskussion über eine mögliche Beitragsfreiheit sind aus Sicht des Sachverständigen sinnvoll. (mtt/21.02.2024)

Zeit: Mittwoch, 21. Februar 2024, 15 Uhr bis 16.30 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal 2.200

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