Deutsch-Französische Parlamentarische Versammlung

Fünf Jahre Aachener Ver­trag: Parlamentarier feiern ziemlich beste Freundschaft

Die Bestandsaufnahme der deutsch französischen Zusammenarbeit fünf Jahre nach dem Vertrag von Aachen und dem Deutsch-Französischen Parlamentsabkommen fällt positiv aus. Auch wenn noch nicht alle Vertragsinhalte umgesetzt seien, sei doch vieles auf den Weg gebracht worden, hieß es bei einem Symposium zum fünfjährigen Bestehen der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung (DFPV) am Montag, 18. März 2024, in der Assemblée nationale in Paris. Besonders gut funktioniere die Zusammenarbeit auf der Ebene der Parlamente. 

Klinkert: DFPV ist einmalig auf der Welt 

In einem Saal hören Zuschauer einer Vortragenden zu.

Die Renaissance-Abgeordnete Brigitte Klinkert (Rednerpult) und der SPD-Abgeordnete Nils Schmid (Podium) leiteten als Vorstandsvorsitzende der Versammlung das Symposium. (Assemblée nationale)

Eine binationale Abgeordnetengruppe wie die DFPV sei einmalig auf der Welt und zeichne sich durch ihre enge Freundschaft aus. Das machten die beiden Ko-Vorsitzenden des Vorstands der DFPV in ihren Begrüßungsreden erneut deutlich. Wenn sie auf internationaler Ebene von der DFPV berichte, werde sie immer wieder mit großen Augen angestaunt, sagte die französische Ko-Vorsitzende Brigitte Klinkert (Renaissance). Es werde immer wieder gefragt, wie es denn möglich sei, dass zwei Länder, die jahrzehntelang verfeindet waren, „heute die weltweit besten Freunde sind“. 

Die DFPV kümmere sich um schwierige Fragen, sagte Klinkert. Dazu gehöre die Energiesouveränität, die Verteidigung, die Sicherheit, die Außenpolitik und die Zukunft Europas. Dabei gebe es keine hundertprozentige Übereinstimmung, sagte die Abgeordnete der Assemblée nationale. Wichtig sei es aber, im Gespräch zu bleiben „und gemeinsam in die gleiche Richtung zu gehen“. 

Müssen nicht von Anfang an einer Meinung sein

Der deutsche Ko-Vorsitzende, Nils Schmid (SPD), attestierte, es sei in den vergangenen fünf Jahren gelungen, einen frühzeitigen Dialog über wichtige Themen zu führen, die Deutsche und Franzosen miteinander verbinden. „Wir sind ziemlich beste Freunde“, sagte Schmid. Ziemlich beste Freunde müssten nicht immer von Anfang an einer Meinung sein. „Sie können sogar mal öffentlich nicht der gleichen Meinung sein, ohne dass die Freundschaft gefährdet ist.“ 

Die produktive Spannung sowie die Notwendigkeit, zum Wohle Europas gemeinsam zusammenzuarbeiten, präge den Ansatz des Aachener Vertrages, der über die deutsch-französische Zusammenarbeit hinausgehe und sie in die europäische Einigung einbette, sagte der Bundestagsabgeordnete. 

Barrot: Freundschaft ist wichtiger denn je

Doch auch auf Regierungeebene ist alles in Ordnung, wie Jean-Noël Barrot, beigeordneter Minister für Europa im Kabinett von Premierminister Gabriel Attal deutlich machte. Angesichts einer Welt, in der viele Gewissheiten ins Wanken geraten seien, müsse es gelingen, gemeinsam Antworten zu finden. „Die Freundschaft zwischen Deutschland und Frankreich ist wichtiger denn je“, betonte er. 

Zwischen den Regierungen beider Länder bestünden enge Beziehungen. Erst letzte Woche hätten sich Staatspräsident Emmanuel Macron und Bundeskanzler Olaf Scholz in Berlin getroffen. Der neue französische Premierminister Attal habe seine erste Auslandsreise vor gut zwei Monaten nach Deutschland unternommen, führte Barrot als Belege an. Mit der DFPV sei ein Ort für „tabufreie Diskussionen“ geschaffen worden, zu Themen, die nicht identisch in den beiden Ländern betrachtet würden, lobte er. 

Aachener Vertrag „sehr ambitionierte Selbstverpflichtung“

Auch bei der anschließenden Podiumsdiskussion überwog der positive Blick auf das in den vergangenen fünf Jahren erreichte. Prof. Dr. Frank Baasner, Ko-Direktor des Deutsch-Französischen Zukunftswerks und ehemaliger Direktor des Deutsch-Französischen Instituts, sagte, zum Vertrag von Aachen, der eine sehr ambitionierte Selbstverpflichtung darstelle, könne man zwar keine brillante Bilanz ziehen. „Nach fünf Jahren darf man aber auch nicht zu viel erwarten“, fügte er hinzu. 

Das Zukunftswerk etwa sei eine sehr gute Idee, um die Kraft der Gesellschaft zur Innovation aufzuzeigen. Es müsse aber erst aufgebaut werden. Der DFPV attestierte Bassner eine positive Entwicklung. Sie sei erst im Windschatten gefahren. Heute stehe die DFPV vorn, „weil dort manchmal bessere Arbeit gemacht wird als in der Regierung“. 

Ein Staat allein kann sich nicht behaupten

Éric-André Martin, Generalsekretär des Studienkomitees für deutsch-französische Beziehungen (Cerfa) des Französischen Instituts für internationale Beziehungen (Ifri), betonte die Besonderheit der DFPV. Eine binationale Kammer habe eine herausragende Bedeutung. Das gelte insbesondere mit dem Blick auf die internationalen Trends, sich auf sich selbst zurückzuziehen, auf Fragmentation und Feindseligkeit. 

Diese Besonderheit sei nur möglich, wegen der „tiefen und etablierten Freundschaft zwischen unseren beiden Ländern“, sagte Martin. Wichtig sei die DFPV auch, weil die Größenordnungen der internationalen Herausforderungen zeigten, dass ein Staat ganz allein sich im internationalen Wettbewerb nicht behaupten könne. 

Mehr Teilnehmer beim Deutsch-Französischen Jugendwerk

Anne Tallineau, Generalsekretärin des Deutsch-Französischen Jugendwerks (DFJW), machte deutlich, dass die Welt bei Abschluss des Aachener Vertrages vor fünf Jahren noch eine andere gewesen sei. Pandemie, Inflation und Krieg hätten eine besondere Auswirkung auf die jungen Menschen. Im Vertrag von Aachen, so erinnerte sie, sei die Rolle des DFJW für die Kontakte und den Austausch der jungen Menschen in beiden Ländern anerkannt und gestärkt worden. Auch sei das Budget erhöht worden. 

190.000 Teilnehmer habe das Programm seinerzeit gehabt. Durch die Pandemie sei die Zahl im Jahr 2020 auf 40.000 gesunken. 2023 sei die Zahl wieder auf über 260.000 gestiegen, sagte Tallineau. Themen seien unter anderem die Unterstützung des grenzüberschreitenden Austausches. Dazu gehöre auch die Förderung der Berufsbildung und der beruflichen Eingliederung im Rahmen der Vereinbarungen über die grenzüberschreitenden Berufsausbildungen. 

DFPV als „Ort des Verständnisses“

Dr. Ronja Kempin, Senior Fellow bei der Stiftung Wissenschaft und Politik, bewertete den Aachener Vertrag mit Blick auf die Sicherheits- und Verteidigungspolitik als sehr ambitioniert. Aufgabe der DFPV sei es, die Regierungen bei der Umsetzung des Vertrages zu kontrollieren. Was die Umsetzung des Vertrages zur Sicherheits- und Verteidigungspolitik angeht, so habe die DFPV aber immer eine zurückgenommene Haltung einnehmen müssen. 

Gerade in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik hätten schließlich die beiden Parlamente ganz unterschiedliche Rollen, sagte Kempin. Diese Unterschiede zu überbrücken, sei nicht einfach. Die Stärke der DFPV sei es im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik daher, „ein Ort des Verständnisses zu sein, nicht notwendigerweise auch ein Ort der Verständigung“. Der große Mehrwert sei also, Verständnis füreinander zu generieren.

Vertrag von Aachen und Parlamentsabkommen

Jean-Yves Le Drian (links), Außenminister von Frankreich, und Heiko Maas (SPD), Bundesaußenminister, unterzeichnen 2019 den Vertrag von Aachen.

Jean-Yves Le Drian (links), Außenminister von Frankreich, und Heiko Maas (SPD), Bundesaußenminister, unterzeichnen 2019 den Vertrag von Aachen. (picture alliance/dpa | Oliver Berg)

Anlässlich des 56. Jahrestags des Elysée-Vertrags hatten der Präsident der Französischen Republik, Emmanuel Macron, und die damalige deutsche Bundeskanzlerin, Angela Merkel (CDU) am 22. Januar 2019 in Aachen einen neuen Vertrag über die deutsch-französische Zusammenarbeit und Integration geschlossen. Mit dem Vertrag wurden gemeinsame Vorhaben formuliert – etwa eine Stärkung der Zusammenarbeit im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, die Schaffung von vier integrierten Deutsch-Französischen Kulturinstituten oder der Ausbau von Mobilitätsprogrammen.

Flankiert wurde der Aachener Vertrag vom Deutsch-Französischen Parlamentsabkommen, das am 11. März 2019 von der Assemblée nationale und am 20. März 2019 vom Deutschen Bundestag verabschiedet worden war. Das Parlamentsabkommen ist das Ergebnis intensiver Beratungen der Deutsch-Französischen Arbeitsgruppe, die am 22. Januar 2018 anlässlich des 55. Jahrestages der Unterzeichnung des Vertrages über die deutsch-französische Zusammenarbeit zu diesem Zweck eingesetzt worden war. Die Deutsch-Französische Parlamentarischen Versammlung geht auf dieses Parlamentsabkommen zurück. (hau/ste/19.03.2024)

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