Befragung der Bundesregierung

Baerbock spricht von sicherheitspolitischer Ausnahmesituation

Von einer sicherheitspolitisch „absoluten Ausnahmesituation“ hat Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) am Mittwoch, 10. April 2024, im Bundestag gesprochen. In der Regierungsbefragung stellte sie klar, dass äußere und innere Sicherheit untrennbar seien. Baerbock dankte dem Innen- und dem Verteidigungsministerium, dass Sicherheit in den Haushaltsverhandlungen so definiert wird.

„Osteuropas Sicherheit ist unsere Sicherheit“

Putin mache durch seine Angriffe auf die ukrainische Infrastruktur „mehr als deutlich“, dass er mit seinen imperialen Ansprüchen noch nicht am Ende ist. Wenn Putins imperialer Feldzug nicht zu stoppen sei, dann stehe vor der Haustür Polens sowie der baltischen und nordeuropäischen Staaten. Die deutsche Unterstützung der Ukraine sei auch eine Unterstützung der osteuropäischen Nachbarn: „Osteuropas Sicherheit ist unsere Sicherheit.“

Zur Situation im Gaza-Streifen sagte die Ministerin, Pendeldiplomatie sei wichtiger denn je. Hinter verschlossenen Türen verhandele sie mit Amerikanern, Briten, Jordaniern und Ägyptern, um mehr humanitäre Hilfe nach Gaza zu bringen und die Hamas dazu zu bewegen, ihre Waffen niederzulegen.

Wissing: Investitionen in Straßen und Schienen

Volker Wissing spricht in ein Mikrofon.

Verkehrsminister Volker Wissing stellte sich den Fragen der Abgeordneten. (DBT/Thomas Trutschel/photothek)

Neben der Außenministerin stellte sich auf der Bundesminister für Digitales und Verkehr, Dr. Volker Wissing (FDP), den Fragen der Abgeordneten. Gut ausgebaute Straßen und Brücken seien erforderlich, um etwa Rotorblätter von Windkraftanlagen transportieren zu können. Menschen müssten auf der Straße zu ihren Arbeitsplätzen gelangen, hinzu komme viel Güterverkehr.

Parallel werde aber auch in die Schiene investiert. Das Bahnnetz werde erneuert, ein leistungsfähiges Kernnetz werde geschaffen. Die Schiene werde auch gebraucht, um Verkehr verlagern zu können. Die Digitalisierung sei in Deutschland in Fahrt gekommen, man habe inzwischen ein hervorragendes Mobilfunknetz, und beim Glasfaserausbau sei man mit großem Tempo unterwegs. Auch bei der Künstlichen Intelligenz habe man deutliche Fortschritte gemacht.

Deutsches Dilemma im Gaza-Konflikt

Nach den deutschen Verhandlungsmöglichkeiten im Gaza-Konflikt erkundigte sich Frank Schwabe (SPD). Die Sicherheit Israels zu garantieren sei deutsche Staatsräson, erwiderte Ministerin Baerbock. Darüber hinaus werde man von der Verantwortung für das Völkerrecht geleitet. Baerbock räumte ein Dilemma ein, andere Länder stünden im Zweifel nicht auf deutscher Seite. „Wir haben alles getan, damit dieser furchtbare Krieg ein Ende findet“, sagte sie.

Die Hamas müsse ihre Angriffe einstellen und die Waffen niederlegen. Israel müsse humanitäre Hilfe nach Gaza reinlassen. Man habe einen Fahrplan mit einer Zwei-Staaten-Lösung, dafür brauche es die Befreiung der Geiseln, betonte die Ministerin. Erforderlich sei auch eine Feuerpause.

Integrierte Sicherheit und Ukraine-Hilfe

Sara Nanni (Bündnis 90/Die Grünen) fragte nach dem Zusammenhang von nationaler Sicherheitsstrategie und den Haushalten der kommenden Jahre. Baerbock verwies auf die Desinfomationspolitik Russlands, um die deutsche Demokratie von innen auszuhöhlen. Gegenmaßnahmen und der Schutz der kritischen Infrastruktur seien wichtig: „Wir müssen selber verteidigungsfähig sein.“ Zivil- und Katastrophenschutz gehörten zur integrierten Sicherheit dazu, daran sollte nicht gespart werden.

Dr. Marcus Faber (FDP) fragte nach der weiteren Unterstützung der Ukraine. Diese sollte von einer Ad-hoc-Hilfe in einen mittel- bis langfristigen, strukturierten Prozess überführt werden, entgegnete die Ministerin. Es reiche nicht, einzelne Systeme zu liefern, sondern die Unterstützung müsse ausgebaut werden, wobei Strukturen allerdings nicht dupliziert werden dürften. Auch müsse der EU-Pfeiler innerhalb der Nato gestärkt werden, sonst drohe die Gefahr, dass die Nato als Unterstützer der Ukraine ausfällt.

Sicherheitsinvestitionen und Energieimporte

Die Rüstungsexporte in die Ukraine stagnierten, stellte der CDU-Fragesteller Jürgen Hardt fest. Baerbock antwortete mit der Gegenfrage, wie „wir die Zukunft unserer Kinder sichern wollen“. Man stehe vor Haushaltsverhandlungen, die alle demokratischen Parteien beträfen. Die Ministerin warb dafür, nicht nur in Ein-Jahres-Haushalten zu denken. Auch in fünf Jahren müssten noch Sicherheitsinvestitionen geleistet werden. Putin wolle mit seinem Angriffskrieg die westlichen Werte zerstören. „Das werden wir nicht zulassen in Deutschland“, sagte Baerbock.

Dr. Rainer Rothfuß (AfD) sagte, der Uranhandel zwischen Russland und den USA befinde sich auf einem Allzeithoch. Er wollte von der Ministerin wissen, wie sie dafür kämpfe, dass diese „Doppelmoral“ endet und deutsche Versorgungsinteressen zum Tragen kommen. Baerbock sagte, Deutschland sei aus dem Import von fossilen Energien aus Russland ausgestiegen. Sie sei dankbar, dass man nicht von solchen Importen abhängig sei, weil Russland die Energie als hybrides Kriegsmittel einsetze.

Cannabis-Grenzwert und Franken-Sachsen-Magistrale

An den Bundesverkehrsminister richtete der CDU-Abgeordnete Florian Müller die Frage, weshalb eine von Wissing berufene Expertenrunde eine Verdreifachung des THC-Grenzwerts für Cannabis im Straßenverkehr vorgeschlagen habe, nachdem die vorige Grenzwertkommission empfohlen hatte, den Grenzwert nicht zu erhöhen. Der Minister sagte, die Grenzwertkommission habe sich nicht auf einen Wert einigen können. Der Bundestag habe ihn beauftragt, eine Expertenrunde einzusetzen, die einen Vorschlag gemacht habe. Diesen habe er dem Bundestag mitgeteilt, und es obliege nun dem Parlament, wie man damit umgeht.

Jan Plobner (SPD) erkundigte sich nach der weiteren Elektrifizierung der Franken-Sachsen-Magistrale von Dresden nach Nürnberg. Wissing sagte, für Tschechien sei dies ein wichtiges Infrastrukturprojekt, und er sei sich mit seinem tschechischen Amtskollegen einig, die Verkehrsinfrastruktur zwischen beiden Ländern zu optimieren. Man habe einen „Investitionshochlauf“ in der Schiene und wolle dort vorankommen.

Bahnhofsanierung und Güterverkehr

Leon Eckert (Bündnis 90/Die Grünen) erinnerte an ein Versprechen der bayerischen Staatsregierung, hundert Bahnhöfe zu sanieren, und fragte nach dem Beitrag des Bundes. Die Bahnhofsanierung sei in die „Korridorsanierung“ des Schienennetzes aufgenommen worden, erwiderte Wissing. Gegenüber Eckerts Fraktionskollegin Kathrin Henneberger sagte der Minister, die Regierung sei sehr ambitioniert, klimafreundliche Mobilitätsangebote sicherzustellen, auch was den Güterverkehr angeht. Viele wollten das deutsche Modell übernehmen.

Nach den Prioritäten des Ministers erkundigte sich Valentin Abel (FDP) mit Blick auf das Transitland Deutschland und das steigende Güterverkehrsaufkommen. Die Prognose von einer Zunahme des Güterverkehrs in Deutschland um 46 Prozent, davon 33 Prozent auf der Schiene und 54 Prozent auf der Straße 36, sei ein „Warnsignal“. Man müsse dafür sorgen, dass die Wasserstraßen nicht ausfallen und arbeite an der Sanierung der Schleusen. Kein Verkehrsträger dürfe aus dem Blick geraten. Kombinierter Verkehr (KV) sei nur mit Digitalisierung gut und kostengünstig zu bewältigen. Deshalb müsse in KV-Terminals investiert werden. Bei der Digitalisierung müsse man schneller vorankommen, sagte Wissing.

Elektromobilität und Ladepunkte

Der Ausbau der E-Mobilität interessierte Bernd Riexinger (Gruppe Die Linke). Er wollte wissen, was der Minister unternimmt, damit sich auch eine Erzieherin ein E-Auto leisten kann. Es gebe 108.000 öffentliche zugängliche Ladepunkte in Deutschland, davon 20.000 Schnellladepunkte, sagte Wissing. Es sei aber nicht Aufgabe der Bundesregierung, die Angebotspalette privater Unternehmen zu beeinflussen.

Den Einbruch bei den Zulassungszahlen von E-Autos thematisierte auch Dr.-Ing. Dirk Spaniel (AfD). Das Ziel sei doch, bis 2030 15 Millionen dieser Fahrzeuge auf die Straße zu bringen. Wissing betonte, er verfolge einen technologieneutralen Ansatz für klimafreundliche Angebote. Die Verbraucher sollten selbst über ihr Verkehrsmittel entscheiden, die Regierung schreibe keine Quote für Antriebsarten vor. Deutschland habe hier eine führende Rolle in Europa. (vom/10.04.2024)

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