Recht

Pro und Contra zu Gesetzentwurf zu Anwalts- und Notarkammern

Ein Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Regelung hybrider und virtueller Versammlungen der Anwalts- und Notarkammern und zur Änderung weiterer Vorschriften (20/8674) war zusammen mit einem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen Thema einer Anhörung im Rechtsausschuss am Mittwoch, 24. April 2024. Während die Sachverständigen aus Praxis und Wissenschaft die Einführung von hybriden und virtuellen Versammlungen prinzipiell begrüßten, war die in dem Änderungsantrag vorgesehene Einführung einer anlassunabhängigen Überprüfung von Sammelanderkonten heftig umstritten.

So erklärte André Haug, Vizepräsident der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK), in seiner schriftlichen Stellungnahme, der Vorschlag der Bundesregierung, den Rechtsanwaltskammern zu ermöglichen, zukünftig ihre Versammlungen auch in virtueller oder hybrider Form abhalten zu können, werde ausdrücklich begrüßt. Befürwortet werde auch, dass den Kammern dabei viel Gestaltungsspielraum belassen werde. Ausdrücklich abgelehnt werde hingegen die Einführung anlassloser Kontrollen von Sammelanderkonten durch die Rechtsanwaltskammern. Der entsprechende Paragraf im Änderungsantrag müsse gestrichen werden, da er aus rechtsstaatlichen und praktischen Gesichtspunkten unverhältnismäßig sei. Die Intention des Gesetzgebers, damit der Steuerhinterziehung entgegenzuwirken und weitere Vorschriften zur Geldwäscheprävention zu schaffen, befürworte die BRAK nicht, sagte Haug, der von einem allgemeinen Klima des Misstrauens gegenüber Anwälten sprach. 

Unterstützung für zeitgemäße Versammlungsformen

Auch Prof. Dr. Thomas Gasteyer, Vorsitzender des Berufsrechtausschusses des Deutschen Anwaltvereins, begrüßte die Ermöglichung hybrider und virtueller Versammlungen sowie die Einführung der Mandatsgesellschaft in der im Entwurf vorliegenden Form. Im Gegensatz zu Haug unterstützte Gasteyer in seiner Stellungnahme aber auch die Einführung anlassloser Kontrollen von Sammelanderkonten. Mit dem Änderungsantrag sollten Bedenken wegen der Führung von Sammelanderkonten von Rechtsanwälten ausgeräumt werden, so Gasteyer. Die Kündigung dieser Konten durch Kreditinstitute habe zu erheblichen Problemen bei der Anwaltschaft geführt. Die anlasslose Prüfung werde zu Mehraufwand und finanziellen Belastungen führen. Sie sei aber als noch verhältnismäßig hinzunehmen, da die Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung ein von der Anwaltschaft getragenes Ziel sei. 

Der Düsseldorfer Rechtsanwalt Prof. Dr. Dirk Uwer erklärte, die Einführung von hybriden und virtuellen Kammerversammlungen sei zur Sicherung der demokratischen Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung geboten. Auf die Möglichkeit, bestimmte Gegenstände Präsenzversammlungen vorzubehalten, sollte jedoch verzichtet werden.  Seiner Meinung  nach sei zweifelhaft, ob angesichts des bestehenden, erst 2023 verschärften berufsrechtlichen Rechtsrahmens für Sammelanderkonten die beabsichtigte Einführung einer anlassunabhängigen Überprüfung von Sammelanderkonten sachlich gerechtfertigt ist. Der Regelungsvorschlag füge sich einem Dilemma, das ein inter- und supranationaler geldwäschepräventiv motivierter, hinsichtlich der Anwaltschaft aber evidenzloser Regulierungsdruck erzeugt habe. Die mit anlasslosen Prüfungen verbundenen Grundrechtseingriffe seien gravierend. 

Kritik an anlassloser Prüfung von Sammelanderkonten

Auch Dr. Henning Löwe, Hauptgeschäftsführer der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer Hamburg, begrüßte die vorgeschlagene Regelung hybrider und virtueller Versammlungen grundsätzlich. Die angedachten Regelungen zu einer Aufsicht der Rechtsanwaltskammern über die Sammelanderkonten begegneten jedoch erheblichen praktischen und prinzipiellen Bedenken und sollten nicht umgesetzt werden. Gleichzeitig bat er den Gesetzgeber in seiner Stellungnahme, für möglichst klare, einfache Gesetze mit möglichst bestimmten Rechtsbegriffen und einer Besinnung auf das Notwendige zu sorgen. Zudem müsse Bürokratie eher ab- als aufgebaut werden. Die Kammern litten, wie viele andere auch, unter zu viel bürokratischem Aufwand. 

Rechtsanwalt Markus Hartung vom Legal Tech Verband Deutschland betonte, der im Änderungsantrag enthaltene neue Paragraf 73a der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) bewirke erhebliche Eingriffe in die Berufsfreiheit der Anwaltschaft und stelle Kammern vor große Herausforderungen. Trotz dieser Herausforderungen müsse die Anwaltschaft ihren Beitrag zur Bekämpfung von Geldwäschekriminalität leisten. Der vorliegende Regierungsentwurf sowie der Änderungsantrag seien überwiegend sinnvolle Ergänzungen, die möglichst rasch umgesetzt werden sollten. Allerdings bewirkten die Regelungen zur Mandatsgesellschaft erhebliche Probleme. Auch bei den Regelungen für Auslandsgesellschaften sieht Hartung Nachbesserungsbedarf.

Doppelmitgliedschaft nicht erforderlich

Detlef von Ahsen, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Patentanwälte (BDPA), unterstützte den Hauptzweck des Entwurfs, Online- oder hybride Kammerversammlungen zu ermöglichen. Kritisch sei nach Auffassung des BDPA jedoch die derzeit vorgeschriebene Kammermitgliedschaft in der Patent- beziehungsweise der zuständigen Rechtsanwaltskammer für Mitglieder des Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgans von Berufsausübungsgesellschaften, unabhängig davon, ob diese bereits als Person beziehungsweise Berufsträger Mitglied einer anderen Kammer sind. „Wir sind mit der Regelung nicht glücklich“, sagte von Ahsen. Sie sei unnötig. Nach Auffassung des BDPA  gehe dies zu weit, da in solchen Fällen das Erfordernis einer vergleichbaren Berufsaufsicht bereits erfüllt sei. Bei nicht verkammerten Berufen könne das anders sein.

Der Präsident der Bundesnotarkammer, Prof. Dr. Jens Bormann, sagte, was die Notare betreffe, sei der Gesetzentwurf gelungen und zu begrüßen. Die neu hinzugekommenen Fragen der Überprüfung der Sammelanderkonten und der Kammerzugehörigkeit hätten keine Auswirkungen auf das notarielle Berufsrecht. Die im Regierungsentwurf vorgesehenen Änderungen in der Bundesnotarordnung halte die Kammer für gelungen, die Möglichkeit der hybriden oder virtuellen Kammerversammlung erlaube mehr Flexibilität und trage den geänderten Rahmenbedingungen insbesondere nach den Covid-19-Erfahrungen Rechnung. Die dauerhafte Einführung dieser Optionen werde begrüßt.

Evaluationsvorbehalt angeregt

Prof. Dr. Matthias Kilian von der Universität zu Köln gab ebenfalls zu Bedenken, dass mit der Einführung einer anlasslosen Überwachung anwaltlicher Berufspflichten zu Sammelanderkonten das anwaltliche Berufsgeheimnis weiter relativiert und erheblicher zusätzlicher Verwaltungsaufwand für die Rechtsanwaltskammern ausgelöst werde. Die Neuregelung rechtfertige sich in Abhängigkeit davon, in welchem Umfang Sammelanderkonten in der Praxis grundsätzlich und insbesondere zu Zwecken grenzüberschreitender Steuergestaltungen genutzt werden. Hierzu fehle es an Evidenzen, so dass bei Unaufschiebbarkeit die Neuregelung zumindest unter einen Evaluationsvorbehalt gestellt werden sollte. Die Erleichterung der Teilnahme von Kammermitgliedern an Kammerversammlungen durch die Ermöglichung virtueller beziehungsweise hybrider Formate sei als Beitrag zur Stärkung der Zukunftsfähigkeit der berufsständischen Selbstverwaltung zu begrüßen. 

Schutz des anwaltlichen Berufsgeheimnisses

Prof. Dr. Christian Wolf von der Leibniz Universität Hannover erklärte in seiner Stellungnahme, virtuelle und hybride Versammlungen könnten über die Corona-Pandemie hinaus eine Alternative zur Präsenzversammlung sein, keinesfalls sollten die Präsenzversammlungen jedoch ersetzt werden. Am Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen bemängelte Wolf, dass die Neuregelung der Geldwäschekontrolle erst sehr spät in den Entwurf eingefügt worden sei. Zwischen dem eigentlichen Gesetzgebungsgegenstand und der geplanten anlasslosen Überprüfung der Sammelanderkonten durch die Kammern bestehe kein inhaltlicher Zusammenhang. Die Möglichkeit, die Expertise der Landesregierungen einzubeziehen, bestehe nicht mehr. Die geplante Änderung hätte aber einer  sorgfältigen Evaluierung und Beratung bedurft. Die Norm sei in der jetzigen Fassung mit dem Rechtsstaatsprinzip schwer zu vereinbaren.

Gasteyer, Löwe und Wolf waren von der Fraktion der CDU/CSU für die Anhörung vorgeschlagen worden, Bormann und Haug von der SPD, Kilian und Uwer von der FDP und von Ahsen und Hartung von Bündnis 90/Die Grünen.

Ziel des Gesetzentwurfs

Der Entwurf verfolgt nach Angaben der Bundesregierung das Ziel, den regionalen Notar- und Rechtsanwaltskammern, der Bundesnotarkammer (BNotK), der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK), der Patentanwaltskammer (PAK) und der Bundessteuerberaterkammer (BStBK) die Möglichkeit einzuräumen, Versammlungen künftig auch in hybrider oder virtueller Form abzuhalten. Vor dem Hintergrund einer pandemiebedingten Sonderregelung hätten sowohl die BRAK als auch die BNotK  ihre Sitzungen während der  Zeit der Pandemie in virtueller Form abgehalten und anschließend schriftlich Beschluss gefasst. Die gewonnenen Erfahrungen hätten gezeigt, dass sich das virtuelle Format grundsätzlich bewährt hat und von der Praxis gut angenommen wurde.  Die Möglichkeit hybrider und virtueller Versammlungen solle daher auch in Zukunft eröffnet werden, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt seien. 

Der Entwurf enthält weitere Änderungen der Bundesrechtsanwaltsordnung und der Patentanwaltsordnung sowie Änderung des Steuerberatungsgesetzes. Die weiteren Regelungen dienen den Angaben zufolge der Verwaltungsvereinfachung und dem Bürokratieabbau. Außerdem solle in einzelnen Punkten mehr Rechtsklarheit geschaffen werden. Eine Änderung der Wirtschaftsprüferordnung solle einer drohenden Überlastung sowohl der Aufsichtsbehörden als auch des Berufsgerichts entgegenwirken. (mwo/24.04.2024)

Zeit: Mittwoch, 24. April 2024, 11 Uhr bis 13 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal 2.600

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