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Neuseeland – Innovationspartner am anderen Ende der Welt

Anke Hennig (SPD), ganz links, Filiz Polat (Bündnis 90/Die Grünen), zweite von links, Carsten Müller (CDU/CSU), dritter von links, Manuel Höferlin (FDP), vierter von links, Winnie Switakowski, stellvertretende Leiterin der deutschen Botschaft in Wellington, fünfte von links, Victor Perli (Gruppe Die Linke), ganz rechts

Die Bundestagsdelegation in Neuseeland mit der stellvertretenden Leiterin der deutschen Botschaft in Wellington, Winnie Switakowski: von links Anke Hennig (SPD), Delegationsleiterin Filiz Polat (Bündnis 90/Die Grünen), Carsten Müller (CDU/CSU), Manuel Höferlin (FDP) und Victor Perli (Gruppe Die Linke). (© DBT/Wolff)

Von der Weltraumforschung bis zur Gewinnung von grünem Wasserstoff: Um solche Zukunftsthemen geht es in der Innovationspartnerschaft zwischen Deutschland und Neuseeland. Um die vielfältige Kooperation als gleichgesinnte Länder von der Spitzentechnologie über die Sicherheit im Pazifik bis zur Hilfe für die vom Klimawandel bedrohten Inselstaaten zu vertiefen, war eine Delegation der Deutsch-Pazifischen Parlamentariergruppe des Bundestages vom 6. bis 14. Februar 2024 in Neuseeland. In Wellington und anderen Landesteilen trafen die deutschen Abgeordneten ihre Kolleginnen und Kollegen des neuseeländischen Parlaments, aber auch Vertreterinnen und Vertreter aus Regierung, Wirtschaft und von Nichtregierungsorganisationen.

Polat: Lange vernachlässigte Region

Die Forschungszusammenarbeit stand ganz oben auf der Agenda, erklärt Filiz Polat (Bündnis 90/Die Grünen), stellvertretende Vorsitzende der Deutsch-Pazifischen Parlamentariergruppe und Delegationsleiterin. An der Auckland University und am „Germany New Zealand Green Hydrogen Research Centre“ habe sich die Delegation von der wertvollen Kooperation in der Weltraumtechnologie und bei der Erzeugung grüner Energie überzeugt. Als Haushälter werde man die finanzielle Ausstattung der Forschungszusammenarbeit als Teil des EU-neuseeländischen Programms „Horizon 2020“ im Auge behalten.

Angesichts der machtpolitischen Ambitionen Chinas im pazifischen Raum habe der Besuch auch dazu gedient, die Partnerschaft mit Neuseeland in der Sicherheitspolitik zu untermauern. „Es geht darum, die multilaterale, regelbasierte Weltordnung gegen revisionistische Egoismen einzelner zu verteidigen“, erklärt Polat. Deutschland habe als Handelsnation großes Interesse an sicheren Schifffahrtswegen.

In Wellington werde Deutschland als verlässlicher Partner wahrgenommen. Neuseeland wiederum stehe als „like minded country“ und Nato-Partner den Europäern zur Seite, um der Aggression Russlands in der Ukraine Einhalt zu gebieten. Mit Vertretern des Außenministeriums habe man sich über Fragen der wirtschaftlichen und militärischen Zusammenarbeit und die Rolle Chinas ausgetauscht. Die Zusammenarbeit mit einer Region, die lange Zeit vernachlässigt wurde, werde nun intensiviert.

Klimawandel gefährdet Existenz von Inselstaaten

Nicht nur Chinas Machtstreben sorgt in der Pazifik-Region für Unruhe. Zahlreiche kleine Inselstaaten und ihre Kulturen sind durch den Klimawandel in ihrer Existenz bedroht. Die deutschen Parlamentarier gaben Vertretern der Inselstaaten Fidschi, Samoa, Tuvalu sowie der Cook-Inseln Gelegenheit, ihre Anliegen vorzutragen.

„Diese Länder kämpfen an einer dreifachen Front“, gibt Polat zu bedenken: gegen das Vergessen der Kolonialzeit, gegen Pekings Machtpoker sowie gegen das Verschwinden ihrer Territorien und Kulturen durch den steigenden Meeresspiegel. Ein neuer völkerrechtlicher Rahmen werde gerade geschaffen, um Menschen zu helfen, deren Staat aufgrund des Klimawandels nicht mehr existiert.

Hoffnungen richten sich auf Deutschland

„Die Inselvölker sind auf Hilfe angewiesen“, sagt Polat. Anrainer wie Australien und Neuseeland kümmern sich. Große Hoffnungen richteten sich aber auch auf Deutschland, das bei den kleinen Pazifikstaaten hohes Vertrauen genieße, weil es als ehemalige Kolonialmacht Verantwortung für das kulturelle Erbe dieser Länder übernehme und als glaubwürdiger Akteur bei den Weltklimakonferenzen auftrete. „Deutschland steht beim Thema Klimagerechtigkeit an der Seite der Inselstaaten“, versichert die Grünen-Politikerin.

Dass das Auswärtige Amt jüngst eine Botschaft in Fidschi eröffnet habe, unterstreiche das deutsche Engagement. Bei ihrem Treffen mit den Bundestagsabgeordneten hätten die Vertreter der Inselstaaten darauf gedrungen, ihren Nationen auf der internationalen Bühne mehr Sichtbarkeit zu geben und darauf insistiert, dass sich Deutschland noch stärker engagiert. Die Inselstaaten wollten Teil der Palamentariergruppe werden und selbst Freundschaftsgruppen gründen. „Wir haben uns das alles sehr zu Herzen und als einen Auftrag mit nach Hause genommen“, erklärt Polat.

„Türöffner“ bei der Rückgabe von Kulturgütern 

Als ehemalige Kolonialmacht im Südpazifik übernehme Deutschland Verantwortung und gebe unrechtmäßig erbeutete kulturgeschichtliche Objekte zurück. Dabei geht es auch um menschliche Gebeine der Volksgruppe der Māori aus ethnologischen Sammlungen in Deutschland. Vertreter der Māori, mit denen die Delegation zusammenkam, hätten die Zusammenarbeit mit den Museen in Deutschland als vorbildlich bezeichnet, erzählt Polat. Eine Rückgabe von „human remains“ an Nachfahren habe bereits stattgefunden. Als Parlamentarier wolle man diesen Prozess unterstützen.

Im Te Papa Tongerewa Museum, dem zentralen Ort der Restitution der Māori-Kunst, leiste ein kleines Team „unglaublich wichtige Arbeit“. Eine Ausstellung zeigt die deutsch-neuseeländische Zusammenarbeit bei der Rückführung von Exponaten. Als bisher wenig beachteten Punkt werbe sie dafür, auch private Sammler in Deutschland, darunter Unternehmer von Firmen, die zur Kolonialzeit in Übersee tätig waren, zur Rückgabe von Māori-Kunst zu bewegen, so Polat. „Da können wir Türöffner sein.“

Deutschland könne den pazifischen Kulturen durch den professionellen Umgang mit Restitutionsgütern sowie durch Unterstützung im Kampf gegen den Klimawandel doppelt helfen, sagt Polat. Einen Eindruck der Māori-Kultur erhielten die Abgeordneten beim Besuch eines Kindergartens der Volksgruppe, deren Kinder eine Willkommenszeremonie vorbereitet hatten. Der alle ethnischen Gruppen offene Kindergarten zeige, „wie es bereits in jungen Jahren beginnt, dass Kulturen zusammenfinden“. Die Kinder begegneten einander mit großem Respekt.

Freihandelsabkommen bringt neuen Schub

Vom Tiefseebergbau über den Hightech-Sektor bis zur Landwirtschaft: Um sich über die vielfältige Zusammenarbeit der beiden hoch entwickelten Volkswirtschaften zu informieren, traf die Delegation auf Einladung der Handelskammer mit Wirtschaftsvertretern zusammen und besuchte Unternehmen. Das jüngst geschlossene europäisch-neuseeländische Freihandelsabkommen gebe dem Austausch neuen Schub, so Polat. Dabei seien neuseeländische Hightech wie medizinische Beatmungsgeräte oder Agrarprodukte wie Kiwis in Europa genauso gefragt wie deutsche Technologie zur Gewinnung erneuerbarer Energie auf den wind- und sonnenreichen Inseln im Südpazifik.

Mit dem Besuch habe die deutsche Delegation ihr Verständnis für das moderne Neuseeland vertieft und den bilateralen Beziehungen neue Impulse gegeben. Als Parlamentarier zweier demokratischer Länder habe man sich der gemeinsamen Werte und Interessen versichert und das Ziel bekräftigt, gemeinsam für die Absicherung der multilateralen Weltordnung einzustehen.

Ein Engagement in diesem Sinne, das Autokratien wie China in die Schranken weist, werde nicht nur von Deutschland erwartet, sondern liege im Interesse Deutschlands und Europas, so Polat. Umgekehrt seien die Neuseeländer auf der nördlichen Erdhalbkugel aktiv und trügen ihren Teil zur demokratischen Weltgemeinschaft bei.

Durch „echtes Zusammensein“ Beziehungen vertieft

Impulse für die bilateralen Beziehungen gingen von beiden Seiten aus, so die Delegationsleiterin. Nach den Parlamentswahlen in Neuseeland im Oktober sei eine Europa-Freundschaftsgruppe dort gerade im Entstehen. Man habe dafür geworben, den engen und sehr guten Austausch zwischen beiden Ländern sowohl auf parlamentarischer als auch auf Ebene der Regierungen und Verwaltungen fortzusetzen.

Während der Delegationsreise habe man Abgeordnete verschiedener Parteien in ihren Wahlkreisen getroffen und durch „echtes Zusammensein“ bessere Einblicke in das Land bekommen als das bei formalen Terminen der Fall sei. So wie man als Parlamentarier Fragen der Zusammenarbeit meist deutlicher anspreche als die Diplomatie dies tue, schaffe man durch authentische Einblicke auf dieser persönlichen Ebene ein besseres gegenseitiges Verständnis und dadurch neue Möglichkeiten, die Beziehungen zu vertiefen.

Rigide Einwanderungspolitik

Obwohl Neuseeland als klassisches Einwanderungsland mit einem hohen europäischstämmigen Bevölkerungsanteil von seiner ethnischen Zusammensetzung vielfältig sei und sich weltoffen gebe, verfolge es eine rigide Einwanderungspolitik. Es gebe eine gewisse Zuwanderung seitens der Māori-Völker aus den kleinen Inselstaaten, die ihre Heimat auch wegen des Klimawandels verließen, weiß Migrationsexpertin Polat. 

In den Erntemonaten kämen Saisonarbeiter hinzu. Und Neuseeland sei ein Sehnsuchtsziel für Touristen. Deutsche würden in Neuseeland ob als Urlauber, Investoren, Studenten oder Politiker stets mit offenen Armen empfangen. Um die Gastfreundschaft zu erwidern und das Interesse zu unterstreichen, lud Delegationsleiterin Polat zum Gegenbesuch in Berlin ein.

Der Delegation gehörten neben Filiz Polat (Bündnis 90/Die Grünen, Delegationsleiterin) die Abgeordneten Anke Hennig (SPD), Manuel Höferlin (FDP), Carsten Müller (CDU/CSU) und Victor Perli (Gruppe Die Linke) an. Vorsitzender der deutsch-pazifischen Parlamentariergruppe ist Johannes Vogel (FDP). (ll/06.05.2024)

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