Senegal als Partner für Sicherheit und klimaneutrale Energieversorgung
Sie sind Partner in Fragen der Sicherheit und Entwicklung Westafrikas, Partner für eine klimaneutrale Energieversorgung und Partner als gefestigte Demokratien: Deutschland und der Senegal. Das erklärt Dr. Karamba Diaby (SPD), Vorsitzender der Parlamentariergruppe Westafrika im Deutschen Bundestag, nach dem Besuch einer Delegation senegalesischer Abgeordneter vom 3. bis 7. Juni 2024 in Berlin auf Einladung der Parlamentariergruppe.
Im Deutschen Bundestag traf die senegalesische Delegation Vizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) sowie Mitglieder der Parlamentariergruppe Westafrika und von Fachausschüssen. Sie folgte außerdem einer Einladung des Bundesrates und kam in Berlin mit Vertretern der Bundesregierung zusammen. Die Politikerinnen und Politiker aus Afrika hatten zudem einen Gedankenaustausch mit Mitarbeitern der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), die im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) in Partnerländern wie dem Senegal Entwicklungsprojekte umsetzt.
Wirtschaftliche und sicherheitspolitische Zusammenarbeit
Die wirtschaftliche und sicherheitspolitische Zusammenarbeit zwischen Deutschland und dem westafrikanischen Land gehörte zu den Schwerpunkten der Gespräche, die der Vertiefung der bilateralen parlamentarischen Beziehungen dienten und sämtliche Bereiche – Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Medien und Kultur – umfassten.
Die senegalesischen Gäste wollten zudem das deutsche politische System, für das ein starkes Parlament charakteristisch ist, aus eigener Anschauung kennenlernen.
„Spaltung der medialen Öffentlichkeit überwinden“
Alle Gespräche seien „in sehr guter Atmosphäre verlaufen“, berichtet der Vorsitzende der Parlamentariergruppe Westafrika. Man habe gemeinsam Impulse gegenüber Politik, Gesellschaft und Wirtschaft gesetzt und die Möglichkeit ergriffen, voneinander zu lernen. Dabei habe man „darauf Wert gelegt, einander auf Augenhöhe zu begegnen“ und so die Basis gelegt für eine vertrauensvolle, sich vertiefende Zusammenarbeit zwischen beiden Parlamenten und Ländern in den kommenden Jahren.
Zu den Herausforderungen sowohl für Westafrika als auch für Europa, über die man sich ausgetauscht habe, gehöre die Spaltung der medialen Öffentlichkeit, was zu einem Vertrauensverlust in staatliches Handeln geführt habe, berichtet Diaby. Im digitalen Zeitalter habe die Pressefreiheit der Entstehung einer neuen Social-Media-Realität mit einer bis dato nicht gekannten Angebotsvielfalt Raum gegeben. Im Senegal informiere sich die Mehrheit der jungen Leute heute, wie vermutlich überall auf der Welt, vorrangig über Social Media. Allerdings müsse man bedenken, dass 75 Prozent der Bevölkerung der rund 17 Millionen Senegalesen jünger als 35 Jahre sei.
Clash zweier Medienwelten
Die Nutzung der neuen Angebote gehe einher mit einem tiefen Misstrauen gegenüber den traditionellen Medien und darüber hinaus den staatlichen Machtstrukturen. Man erlebe einen regelrechten „Clash zweier Medienwelten“, deren Anhänger „aneinander vorbei“ redeten, analysiert Diaby. „Die junge Generation sieht sich in den herkömmlichen Medien nicht mehr repräsentiert, wenn es eine Person wie den Staatspräsidenten oder eine Regierung gibt, die dort nur sich selbst darstellen.“ Die Presselandschaft werde im Senegal einseitig von staatlicher Seite bespielt.
Die neuen Medien wiederum entfalteten mit der ihnen eigenen Nachrichtendynamik einen „beträchtlichen Druck“ auf Staat und Regierung, die ihre Erfolge kaum noch verkaufen könnten, selbst wenn es sich um unbestreitbare Verbesserungen bei der Infrastruktur, im Bildungs- oder Gesundheitssystem handele. Die Jugendlichen, die im Senegal häufig nur über eine schlechte Ausbildung verfügten und keine berufliche Perspektive hätten, seien demgegenüber empfänglich für Fake News. Für den Staat und die eigentlich von ihm erwartete stabilisierende Funktion stelle dies ein gravierendes Problem dar.
Meinungs- und Pressefreiheit im Senegal
Es sei ihm eine Herzensangelegenheit gewesen, seine senegalesischen Kolleginnen und Kollegen über die Medienlandschaft in Deutschland mit ihren Zeitungen und öffentlich-rechtlichen Sendern zu informieren, so der Sozialdemokrat Diaby. In Deutschland mit seiner ganz anderen Alters- und Bildungsstruktur lasse sich die Herausforderung der klassischen Medien durch Digitalisierung und alternative Inhalte besser abfedern.
Die Meinungs- und Pressefreiheit ebenso wie die daraus hervorgegangene Vielfalt resultierten aus den seit Jahrzehnten stabilen Rahmenbedingungen, die den Senegal als demokratischen Rechtsstaat charakterisierten, unterstreicht Diaby. Es habe zu den Höhepunkten des Besuchsprogramms gehört, sich mit den Gästen über die Unterschiede zwischen dem senegalesischen Präsidial- und dem föderalen System Deutschlands auszutauschen.
Während der senegalesische Präsident das Parlament in Dakar ähnlich wie in Frankreich alle zwei Jahre für Neuwahlen auflösen könne, um eine neue Regierungsmehrheit zu bilden, die das Ergebnis der Präsidentschaftswahl spiegele, räume die deutsche Verfassung dem Bundestag eine viel größere Gestaltungsmacht gegenüber der Regierung ein.
Zusammenarbeit bei Umwelt- und Klimaschutz
Eine positive Entwicklung gebe es bei der Zusammenarbeit im Bereich der Gewinnung und Nutzung klimafreundlicher Energieträger, erzählt der Vorsitzende der Parlamentariergruppe. So habe sich die Regierung in Dakar jüngst der von Deutschland mit initiierten „Partnerschaft für eine gerechte Energiewende“ (Just Energy Transition Partnership, JETP) angeschlossen, mit der die sieben führenden demokratischen Wirtschaftsmächte (G7) die internationale Zusammenarbeit im Energie- und Klimabereich im Sinne der Pariser Klimaschutzziele gemeinsam mit weiteren Partnerländern vorantreiben wollen.
„Das Pariser Abkommen kann nur gelingen, wenn möglichst alle Länder mitmachen“, gibt Diaby zu bedenken. An der JETP nehme nun auch der Senegal teil. 2,5 Milliarden Euro an öffentlichen und privaten Mitteln sollen dem Land über das Programm laut BMZ in den kommenden drei bis fünf Jahren zufließen, um damit den Ausbau der erneuerbaren Energien voranzutreiben. Deutschland wirft dabei seine langjährige Zusammenarbeit im Energiesektor mit Senegal in die Waagschale, informiert das BMZ weiter, hilft beim Abbau der Netzinfrastruktur und habe zudem den Bau des größten staatlichen Solarkraftwerkes mitfinanziert.
Großer Nachholbedarf bei der Müllentsorgung
Auch in anderen Bereichen des Umweltschutzes biete man sich im Rahmen der parlamentarischen Zusammenarbeit gegenseitig „Anschauung und Hilfe“ an, erzählt der Diplom-Chemiker und promovierte Geoökologe. So habe der Senegal „bei der Müllentsorgung großen Nachholbedarf“, und die Delegierten aus Dakar hätten einen interessierten Blick darauf geworfen, wie die Abfall- und Recyclingwirtschaft hierzulande funktioniert. Ob „Verpackungen, Plastik oder nicht mehr gebrauchte Elektrogeräte“: Es gebe im Senegal einfach „noch kein System, um diese Dinge zu recyceln“, benennt Diaby das Problem.
Politik, Verfassung, Medien, Energiegewinnung, Klima- und Umweltschutz – über diese Handlungsfelder hinaus sei es bei dem Treffen in Berlin auch um die herausragende Rolle gegangen, die der Senegal im Bereich der regionalen Sicherheit spiele, berichtet der Vorsitzende der Parlamentariergruppe.
„Senegal als Stabilitätsanker stärker wahrnehmen“
„In Westafrika haben wir es überwiegend mit instabilen Ländern zu tun“, die für Unruhen und Militärputsche bekannt sind, erklärt der Außen- und Entwicklungspolitiker. Länder wie der Senegal dagegen, mit einer „gefestigten demokratischen Struktur und gut organisierter Verwaltung“ als Partner in einer sicherheitspolitisch unruhigen Umgebung wie der Sahelzone durch Kooperation weiter zu stärken, liege im deutschen Interesse.
Vor allem gelte es, den in Nachbarländern wie Mali um sich greifenden Terrorismus einzudämmen. Wenn die Menschen in der Region eine stabile Perspektive für sich sähen, wäre den Anwerbungen durch terroristische Gruppen der Nährboden entzogen. Gleichzeitig sei eine der häufigsten Fluchtursachen aus dem Senegal die Perspektivlosigkeit der Jugend. Der Senegal müsse daher als ein „Anker der Stabilität für die ganze Region weiter ertüchtigt“ werden.
Nationaler Dialog als Vorbild für Deutschland
Diaby erinnert daran, dass das westafrikanische Land sich bereits seit den 1960er-Jahren zu einem stabilen Partner der deutschen Entwicklungszusammenarbeit und bei internationalen Krisenmanagementeinsätzen entwickelt und beispielsweise für die logistische Unterstützung der UN-Mission im benachbarten Mali „eine entscheidende Rolle gespielt“ habe.
Die Stabilität des Senegal rühre vor allem von dessen langer Tradition, bei Streitfragen und in Krisensituationen einen nationalen Dialog zwischen Politik und Gesellschaft herbeizuführen und auf Vermittlung zu setzen. So beteilige man in dem mehrheitlich muslimischen Land die religiösen Minderheiten der Christen und Naturreligionen. „In Krisenzeiten sagt man im Senegal erst einmal: Stopp, tief durchatmen, und schiebt dann einen nationalen Dialog an.“
Davon könne Deutschland, dessen Politik und Gesellschaft sich zur Zeit durch eine Fülle gesellschaftlich konfliktträchtiger Herausforderungen konfrontiert sehe, lernen, meint der aus dem Senegal stammende Politiker, und es fühlt sich so an, als sei diese positive Erfahrung der Gäste das wertvollste Gastgeschenk, das diese nach Berlin mitgebracht haben. Kürzlich hätten im Senegal „demokratische, transparente, inklusive Wahlen stattgefunden“, ein weiteres Zeichen für die Stabilität dieses Landes.
„Wir müssen dieses Land viel mehr wahrnehmen“
Es sei „sehr wichtig, mit stabilen Ländern wie dem Senegal, Ghana oder Elfenbeinküste, der Côte d‘Ivoire, zu kooperieren“, mahnt SPD-Politiker Diaby. „Mein Plädoyer ist: Nicht nur über die Länder reden, wo Krisen sind, sondern auch über die Länder, die stabil sind, weil sie ein gutes Beispiel sind.“
Mit der jüngsten Einladung der senegalesischen Parlamentarierinnen und Parlamentarier habe die deutsche Seite signalisieren wollen, dass man dieses Land als verlässlichen und gleichgesinnten Partner in Westafrika schätze und die Zusammenarbeit ausbauen wolle. „Wir müssen dieses Land viel mehr wahrnehmen“, sagt Diaby. Die Delegation sei denn auch in bester demokratisch parlamentarischer Gepflogenheit paritätisch besetzt gewesen und habe Mitglieder verschiedener politischer Fraktionen, aus dem Regierungslager sowie vonseiten der Opposition, umfasst.
Deutschland – vom Senegal geschätzter Partner
Umgekehrt betrachte der Senegal Deutschland als wichtigen Partner, der dort hohes Ansehen genieße. Die größte Volkswirtschaft in der EU stehe im Senegal seit Langem für eine respektvolle, zuverlässige und nachhaltige Zusammenarbeit, so der Vorsitzende der Parlamentariergruppe Westafrika.
Die Mitglieder der senegalesischen Delegation hätten sich insbesondere nach dem demokratischen Machtwechsel in ihrem Land über die Einladung in den Deutschen Bundestag gefreut und gesagt: „Wir sind dabei, uns neu aufzustellen, und brauchen frische Ideen – auf nach Deutschland!“. Die neue Regierung in Dakar könne nun die Impulse, die von dem bilateralen parlamentarischen Treffen in Berlin ausgingen, aufgreifen. (ll/09.07.2024)