Parlament

Besuch in Kamerun: Wirt­schaftliche Entwicklung für Sicherheit und Stabilität

Gruppenfoto mit vielen Personen, davon in der Mitte die Delegationsteilnehmer der Parlamentariergruppe Zentralafrika.

Besuch bei der Nichtregierungsorganisation Plan International in Kamerun: die Abgeordneten (von links) Dr. Christoph Hoffmann (FDP), Dietmar Friedhoff (AfD), Delegationsleiter Jürgen Coße, die deutsche Botschafterin Dr. Corinna Fricke, (vorne), Plan-International-Direktor Mohammed Ba und Dr. André Hahn (Die Linke), flankiert von weiteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Organisation. (© DBT/Franca Wolff)

Einen Beitrag zur Stabilität der Sahel-Region will die Parlamentariergruppe Zentralafrika im Deutschen Bundestag mit ihrer Arbeit leisten. Mit dem jüngsten Delegationsbesuch vom 24. bis 29. März in Kamerun habe der Vorstand der Gruppe ein klares Signal gesendet, dass Deutschland an seinem entwicklungspolitischen Engagement in dem Land festhalte, sagte Jürgen Coße (SPD), Vorsitzender der Parlamentariergruppe Zentralafrika.

Breites Arbeitsprogramm

Der Bundestagsabgeordnete Jürgen Coße umringt von Personen mit Mikrofonen und Kameras.

Delegationsleiter Jürgen Coße (SPD) musste in Kamerun viele Fragen beantworten. (© DBT/Franca Wolff)

Das Gremium setze sich zusammen „aus Bundestagsabgeordneten, die das Interesse teilen, sich um Zentralafrika zu kümmern“, stellt Coße die Parlamentariergruppe vor. Zum Länder-Portfolio der Gruppe gehören: Äquatorialguinea, die Demokratische Republik Kongo, Gabun, Kamerun, die Republik Kongo, São Tomé und Príncipe sowie die Zentralafrikanische Republik.

Das Arbeitsprogramm einer Parlamentariergruppe ist breit und bedeutet für die Mitglieder vor allem Termine im Inland. Da stellt eine Delegationsreise, wie sie nur ein- bis zweimal pro Wahlperiode möglich ist, schon etwas Besonderes dar, erklärt der Vorsitzende. Es gehe darum, einmal tiefer einzusteigen in die Pflege der bilateralen Beziehungen und sich vor Ort ein eigenes Bild vom anderen Land zu machen, „Gespräche zu führen mit den Menschen vor Ort, mit Bürgermeistern, Menschenrechtlern, Wirtschaftsvertretern, bis hinauf zum Premierminister, aber vor allem auch mit den Parlamentariern des Gastlandes“.

Besuch mit Signalwirkung 

Seine stabilisierende Signalwirkung habe der Besuch in dem zentralafrikanischen Land – in einer Zeit sich zuspitzender Krisen in der angrenzenden Sahel-Zone, einem schwelenden Konflikt im Inneren des Landes zwischen französisch- und englischsprachigen Einwohnern, bei gleichzeitig hoher Jugendarbeitslosigkeit und sozialer Unsicherheit – „voll und ganz erreicht“, betont Coße. Man blicke auf „fruchtbare Gespräche“ zurück, die „in einem außerordentlich freundlichen Rahmen“ und unter hoher medialer Aufmerksamkeit stattgefunden hätten. 

Es gehe darum, Kamerun als demokratisch verfasstem Land und seinen Bewohnern Perspektiven zu eröffnen und sie krisenfest zu machen. Dazu haben die deutschen Abgeordneten sowohl in der größten und Hafenstadt des Landes, Duala (französisch: Douala), als auch in der Hauptstadt Jaunde (Yaoundé) lokale Amtsträger wie Bürgermeister und Gouverneure, Mitglieder der Zentralregierung sowie Kolleginnen und Kollegen der Assemblée nationale, dem Parlament Kameruns, getroffen. Außerdem auf dem Programm stand der Austausch mit Unternehmern, Entwicklungshelfern, Menschenrechtlern, Religionsführern und dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen. 

Schatten der Vergangenheit 

Coße erinnert daran, dass Kamerun von 1884 bis 1916 zum deutschen Kolonialreich gehört hat; ein Kapitel, das weiter aufgearbeitet werden müsse, wie er betont. Allerdings sei die koloniale Vergangenheit im Gedächtnis der meisten Kameruner nicht in allzu finsterer Erinnerung. Im heutigen Kamerun überwiege die Bewunderung und Wertschätzung gegenüber Deutschland. „Bei allen Gesprächen haben wir eine ausgesprochene Aufgeschlossenheit und Freundlichkeit gegenüber unserem Land gespürt“, berichtet Coße. „Über die Jahrzehnte der Entwicklungszusammenarbeit ist Vertrauen gewachsen. Das ist schon etwas Besonderes und eine gute Basis für weitere Kooperationen.“

Aufgehellt werde das Deutschlandbild durch die Verklärung immer noch funktionierender Bauwerke aus der Kaiserzeit wie der ehemaligen Eisenbahn-Brücke über den Fluß Sanaga in Edea. Insgesamt rechne man Deutschland in Afrika hoch an, dass es sich, trotz seiner schweren historischen Last, gut entwickelt und Verantwortung übernommen habe: „Das nehmen die Kameruner wahr und wollen vieles von uns nachmachen, etwa unser Ausbildungs- und Gesundheitssystem.“

Interesse an guter Entwicklung in Afrika

Zum positiven Deutschlandbild trage zudem der deutsche Entwicklungshilfeansatz bei, der, statt Abhängigkeiten zu schaffen, darauf ziele, einem Land wie Kamerun dabei zu helfen, sich selbst nachhaltig zu entwickeln. Beim Abbau von Rohstoffen etwa, die man für eine klimafreundliche Industrie benötige, müsse das Ursprungsland „an der Wertschöpfung beteiligt“ werden, mahnt Coße. Deutschland helfe Kamerun zudem beim Ausbau von Infrastrukturen wie dem Strom- und Straßennetz – „damit Unternehmen sich ansiedeln und die dort hergestellten Produkte auch abtransportieren können“. Man setze dabei auf die Menschen vor Ort, entwickele und unterhalte Vorhaben gemeinsam mit ihnen.

Wie Kameruner Kaffee, von dem eine Menge in deutschen Kaffeetassen lande, nach der Ernte bereits vor Ort kontrolliert wird, das schauten sich die Abgeordneten bei einer Firma zur Qualitätskontrolle von Kakao und Kaffee an. Das im Rahmen der europäischen und deutschen Entwicklungszusammenarbeit geförderte Projekt ziele darauf, dass Wertschöpfung gleich im Anbaugebiet stattfinde. Globale Verantwortung einerseits, für die Menschen in Afrika wie für den Klimaschutz, und Verantwortung für Deutschland andererseits, der die Bundestagsabgeordneten verpflichtet seien, deckten sich bei diesem Engagement

Parlamentarischer Fußabdruck in der Afrikapolitik

Zu dem humanitären Reflex komme, dass die Bundesrepublik als exportorientierte und drittstärkste Volkswirtschaft der Welt davon lebe, dass Menschen überall ein möglichst hohes Wohlstandsniveau erreichen, auch um Waren aus deutscher Produktion nachfragen zu können, erklärt der SPD-Politiker. „Unsere Politik muss darauf zielen, dass weltweit Wohlstand und Kaufkraft steigen und sich auch die Volkswirtschaften in Afrika gut entwickeln.“ Viele, miteinander verschränkte Gründe sprächen dafür, sich heute stärker auf dem Nachbarkontinent zu engagieren – ohne koloniale Attitüde, ohne belehrenden Ton.

Welchen Beitrag die Parlamentariergruppen im Bundestag für die deutsche Außenpolitik leisten, wurde deutlich, als die für Afrika zuständigen Parlamentariergruppen kürzlich Vertreter der Bundesregierung wie den Beauftragten für Subsahara-Afrika und den Sahel zu einem Gedankenaustausch eingeladen hatten, um über die Fortentwicklung der „Afrikapolitischen Leitlinien“ zu sprechen. „Die Regierung will die Einschätzungen der Parlamentarier frühzeitig in ihre Konzeption einbeziehen“, sagt Außenpolitiker Coße.

Für eine „durchdachte Afrikapolitik“

Dabei mahnten die Abgeordneten, Afrika müsse eine wichtigere Rolle in der deutschen Außenpolitik spielen, berichtet der Vorsitzende der Parlamentariergruppe Zentralafrika. Ziehe man sich zurück, stünden andere Länder, darunter autokratische Staaten, bereit, diese Lücke zu füllen, um dort ihre Eigeninteressen zu verfolgen. 

Engagiere man sich hingegen stärker, ließen sich viele Probleme der Gegenwart und Zukunft gemeinsam lösen – von einer wirtschaftlichen Zusammenarbeit, die Entwicklung, Wohlstand, eine geregelte Migration, berufliche Qualifizierung und den Fachkräftemangel ebenso im Blick habe wie die Förderung von Rohstoffen oder die Erzeugung sauberer Energie für den Umbau der Wirtschaft im Sinne des Schutzes von Klima, Umwelt und Artenvielfalt. 

„Eine durchdachte Afrikapolitik“ liege gleichermaßen im Interesse der Menschen dort „wie in unserem“, sagt Coße. Deutschland habe sich in Afrika „mit seinem partnerschaftlichen und nachhaltigen Ansatz“ über Jahrzehnte ein „Standing als verlässlicher Entwicklungshilfe-Geber erarbeitet“. 

Stabilität und Sicherheit in Gefahr

Wirtschaftliche Entwicklung und Wohlstand verbessere nicht zuletzt die Sicherheitslage in Kamerun, der Sahel-Region und darüber hinaus und sei geeignet, bewaffneten Konflikten den Boden zu entziehen. Weniger junge Männer gerieten dann in die Fänge der Terrorbanden, weniger Familien müssten sich auf eine gefährliche Flucht mit ungewissem Ausgang begeben, wenn die Menschen in ihrer Heimat finanziell ihr Auskommen hätten, gibt Afrika-Kenner Coße zu bedenken.

Thema der Gespräche in Kamerun sei denn auch die angespannte Sicherheitslage gewesen: die bewaffneten Konflikte in Nachbarländern wie Niger und Tschad, wo Terrorgruppen agieren, sowie interne Konflikte Kameruns, zwischen den französisch sprechenden Einwohnern und den englischsprachigen Teilen des Landes. Es gebe eine große Zahl an Binnenvertriebenen. 

„Insgesamt keine friedliche Region“

„Zentralafrika ist insgesamt keine friedliche Region.“ Hinzu komme ein Generationenkonflikt zwischen der sehr jungen Bevölkerung und einer gealterten politischen Führungsschicht, was zu Recht viele junge Menschen in dem Land aufbegehren lasse, die sich nicht mehr repräsentiert sähen. Die nächste Wahl werde wohl eine harte Prüfung für die jetzige Regierung. 

Kamerun, das lange als stabiles, demokratisches „Anker-Land“ in der Entwicklungs- und Sicherheitspolitik in Zentralafrika galt, drohe mittlerweile eine Destabilisierung. Dem wolle man entschlossen entgegenhalten und mit einem ausgewogenen Ansatz wirtschaftliche Stabilität, Wohlstand und Perspektiven für die Menschen schaffen: „Das hilft uns allen. Es war gut, jetzt da gewesen zu sein, um die Fortsetzung unseres Engagements zu unterstreichen“, betont der Abgeordnete aus dem nordrhein-westfälischen Wahlkreis Steinfurt III.

Besuch als Zeichen der Wertschätzung

Als Bundestagsabgeordnete verstehe man sich als Botschafter Deutschlands. Aber im Unterschied zu Regierungsvertretern seien Abgeordnete „nicht so stark ins Protokollarische eingequetscht“, erklärt Coße. „Wir legen Wert darauf, auch Dinge zu sehen zu bekommen, die man in einem protokollarischen Programm nicht zu sehen bekommt.“ Gegenüber dem bereisten Land sei es ein Zeichen der Wertschätzung, dass Abgeordnete aus Deutschland die Zeit für einen Besuch aufwenden, findet der Münsterländer.

Seine starke verfassungsrechtliche Stellung erlaube es dem Deutschen Bundestag, mit seinen Fachausschüssen, aber auch mit dem Instrument der Parlamentariergruppen, die deutsche Außenpolitik mitzugestalten und auch zu verantworten, erklärt Coße. Einerseits genau wie die anderen Politikfelder auch, für die man schließlich der Gesetzgeber sei. Andererseits stelle das Außenpolitische einen wichtigen Querschnittsbereich dar, gebe es doch kein Thema, auch im Inland, das nicht einen internationalen Bezug habe.

Deutschland sei zudem als drittgrößte Volkswirtschaft der Welt und führende Exportnation auf eine besonders gute Pflege der Beziehungen zu allen Teilen der Welt angewiesen: „Da macht der Bundestag mit.“ Es handelt sich um gut investierte Zeit, ist Coße überzeugt.

„Wir suchen demokratische Nähe“

Schwerpunkt der Arbeit der Abgeordneten sei, die Beziehungen auf parlamentarischer Ebene zu pflegen. „Es ist wichtig, dass Parlamentarier Parlamentariern begegnen.“ Parlamentsstruktur und Parlamentskultur in Kamerun seien „nicht völlig zu vergleichen mit der in Deutschland“, gibt Coße zu bedenken. In vielen Fällen erlebe man in Afrika außerdem das Gegenteil von Demokratie: „Es gibt zu viele Diktaturen.“

„Damit eine Demokratie wie in Kamerun, mit frei gewählten Parlamentariern, stabil bleibt, tauschen sich Abgeordnete beider Länder aus, um sich gegenseitig zu unterstützen und voneinander zu lernen.“ Wie organisiert ihr bestimmte Abläufe? Wie funktioniert euer Wahlsystem? Das wechselseitige Interesse aneinander sei hoch, so der deutsche Parlamentarier. Die Länder, mit denen man Beziehungen unterhalte, lägen oft Tausende Kilometer entfernt, aber „wir suchen die demokratische Nähe“, so Coße. Damit nähmen die Parlamentarier eine wichtige Aufgabe wahr, „für unser Land, für die parlamentarische Demokratie“.

„Demokratische Strukturen fördern“

„Wir müssen alles tun, um demokratische Strukturen zu fördern“, sagt Coße. Am besten funktioniere das, wenn man selbst mit gutem Beispiel vorangehe, ohne etwas Lehrmeisterhaftes. Dazu gehöre schon das eigene, ganz selbstverständliche Auftreten als Parlamentariergruppe, die, obwohl aus Abgeordneten verschiedener Fraktionen, mit unterschiedlichen politischen Überzeugungen, dennoch abgestimmt das eigene Land vertrete. „Wir sind auch Botschafter der Demokratie und des Parlaments.“

Neben dem Vorsitzenden der Parlamentariergruppe, Jürgen Coße (SPD), gehörten der Delegation die Abgeordneten Dr. Christoph Hoffmann (FDP), Dietmar Friedhoff (AfD) und Dr. André Hahn (Gruppe Die Linke) an. (ll/12.08.2024)

Marginalspalte