Auseinandersetzung um sofortige Wirtschaftswende für Deutschland
Die AfD-Fraktion will eine „sofortige Wirtschaftswende für Deutschland einleiten“. Der so betitelte Antrag (20/13763) wurde am Donnerstag, 19. Dezember 2024, durch den Bundestag beraten. Darüber hinaus hat die Fraktion einen Antrag mit dem Titel „Deutsche Unternehmen entlasten – Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz sofort abschaffen“ (20/13765) vorgelegt.
Beide Anträge sind im Anschluss an die Aussprache an den Wirtschaftsausschuss zur weiteren Beratung überwiesen worden. Die AfD wollte über ihre Anträge direkt abstimmen lassen, konnte sich damit aber nicht durchsetzen, da die übrigen Fraktionen und beide Gruppen für die Ausschussüberweisung stimmten.
AfD: „Transformationsschwachsinn“ der Ampel beenden
Knappe drei Jahre habe die Ampel gebraucht, um aus Deutschland, der viertgrößten Wirtschaftsnation der Welt, einen Bittsteller in Europa zu machen, sagte Enrico Komning (AfD) in der Debatte. Das Land stecke in einer tiefen Rezession, die Ampel vernichte die Unternehmen und betreibe die Deindustrialisierung des Landes.
Seine Forderung: der ideologisch getriebene „Transformationsschwachsinn“ der Ampel müsse beendet werden, die klimaschutzbezogene Regelungswut auch, und das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz als Inbegriff des bürokratisch Übergriffigen gehöre abgeschafft.
SPD: Wir haben den Osten vorangebracht
Daraufhin warf SPD-Vertreter Hannes Walter der AfD vor, sie habe die kleinen Leute nicht im Blick – und schaltete um in den Wahlkampfmodus, was ihm die nachfolgenden Redner gleichtun sollten.
Walter nannte den Osten Deutschlands als ein Beispiel dafür, was die SPD in den vergangenen Jahren geschafft habe: die Entwicklung vorangetrieben, das Bruttosozialprodukt gesteigert („mehr als im Westen“), die Löhne angeglichen („aber da sind wir noch nicht am Ziel“), mit Investitionen die Lausitz zu einem Vorreiter in Sachen grüne Energien gemacht. So müsse es weitergehen.
CDU/CSU: Die Lage heute ist das Ergebnis Ihrer Politik
Ein ganz anderes Bild des Landes zeichnete der Unionsabgeordnete Mario Czaja: Die Menschen spürten, dass die Wirtschaft nicht läuft, dass die Entwicklung in die falsche Richtung gehe. „Zum Glück“ werde im Februar gewählt. Das Land brauche den 23. Februar, damit sich etwas ändere im Land.
Er habe den Eindruck, sagte Czaja, dass die Regierenden noch nicht begriffen hätten, dass die heutige Lage das Ergebnis ihrer Politik sei; sie nicht die Lösung, sondern das Problem seien.
Grüne: Strukturprobleme schon seit 2017
Maik Außendorf (Bündnis90/Die Grünen) hielt dagegen: Die aktuellen Probleme seien Strukturprobleme und die Wirtschaft befinde sich, wie die Wirtschaftsweisen in ihrem Bericht festgehalten hätten, schon seit 2017 im Sinkflug.
Mithin habe die unionsgeführte Vorgängerregierung es versäumt, die Probleme zu lösen. Im Übrigen werde die Rolle des russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin als Auslöser der heutigen Krisen immer noch unterschätzt.
FDP: EU-Ausstieg würde Wohlstand des Landes zerstören
Dann wurde es emotional im Plenum: Zum einen weil Manfred Todtenhausen (FDP) seine letzte Rede im Bundestag hielt, zum anderen, weil er die AfD hart anging. Ja, eine Wirtschaftswende sei nötig, aber da sei es wie im Antrag der AfD nicht mit drei Punkten getan, sagte Todtenhausen.
Er vermisse Ideen zur Bekämpfung des Fachkräftemangels, zur Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und vieles mehr. Was aber noch schwerer wiege, seien die AfD-Vorhaben, aus der EU auszutreten und die die D-Mark wieder einzuführen. Das wäre unverantwortlich, würde Deutschland international isolieren, gefährdete hiesige Unternehmen und würde den Wohlstand des Landes zerstören.
Linke und BSW: VW-Belegschaft und Politik für Reiche
Jörg Cézanne von der Gruppe Die Linke nahm die Situation der Autoindustrie in den Blick und nannte es eine Kampfansage, dass etwa bei VW die Belegschaft mit finanziellen Einschnitten für die Fehler des Managements zahlen sollten.
Christian Leye, Abgeordneter der Gruppe BSW, warf der AfD vor, sie mache Politik für Reiche und Mächtige. Wer als Abgeordneter im Bundestag für die Abschaffung des Solis werbe, wolle wohl vor allem sich selbst entlasten.
Erster Antrag der AfD-Fraktion
Die AfD-Fraktion verlangt in ihrem Antrag, die Steuer- und Abgabenlast auf ein international wettbewerbsfähiges Niveau zu senken und hierfür im Rahmen einer Steuerreform auch den Solidaritätszuschlag abzuschaffen. Zudem sollen gegen versteckte Steuererhöhungen durch die sogenannte kalte Progression im Einkommensteuergesetz Maßnahmen ergriffen werden. Der Bürokratieaufwand soll reduziert und Subventionen sollen gesenkt oder gestrichen werden. Eine Senkung der Energiekosten will die AfD-Fraktion erreichen, indem hierfür in einem ersten Schritt das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und das Klima- und Transformationsfondsgesetz (KTFG) abgeschafft werden.
Der Bundesregierung wird vorgeworfen, für die Herbeiführung der sogenannten sozial-ökologischen Transformation eine dramatische Verschlechterung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Kauf genommen und die Triebkräfte der Marktwirtschaft erstickt zu haben. Notwendig sei jetzt eine Ordnungspolitik, die wieder Vertrauen in die wirtschaftlichen Entfaltungsmöglichkeiten schaffe, argumentieren die Abgeordneten.
Zweiter Antrag der AfD-Fraktion
Die Bundesregierung soll dem Bundestag so schnell wie möglich einen Gesetzentwurf vorlegen, mit dem das seit dem 1. Januar 2023 gültige Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz aufgehoben wird. Das fordert die AfD-Fraktion in einem Antrag (20/13765). Außerdem soll sich die Bundesregierung auf EU-Ebene innerhalb der zweijährigen Umsetzungsfrist für die Abschaffung der EU-Lieferkettenrichtlinie (Corporate Sustainability Due Diligence Directive - CSDDD) einsetzen.
Nach Ansicht der AfD-Fraktion behindert das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz den freien Handel. Es instrumentalisiere Unternehmen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben in anderen Staaten. Dadurch werde die Souveränität anderer Staaten einschränkt, argumentiert die AfD-Fraktion. Weiterhin heißt es, das Gesetz schaffe Haftungsrisiken für Unternehmen, da sie für das Verhalten ihrer Zulieferer verantwortlich gemacht würden. Eine Folge werde sein, dass sich deutsche Unternehmen aus dem internationalen Handel zurückzögen, um Risiken zu minimieren. (mis/hau/hle/19.12.2024)