Parlament

Spitzenkandidaten liefern sich letzten hitzigen Schlagabtausch im Plenum

Knapp zwei Wochen vor der Bundestagswahl haben sich die Spitzenkandidatinnen und -kandidaten der im Bundestag vertretenen Parteien einen harten Schlagabtausch geliefert. In einer Vereinbarten Debatte „zur Situation in Deutschland“ am Dienstag, 11. Februar 2025, warf Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dem CDU/CSU-Fraktionschef Friedrich Merz vor, mit seinen Migrationsplänen die europäische Integration zu gefährden. „Friedrich Merz tritt an, Europa zu Grabe zu tragen“, sagte er. Damit stelle er auch das „stolze Erbe“ früherer CDU-Kanzler wie Konrad Adenauer, Helmut Kohl und Angela Merkel infrage. 

Im Umgang mit der AfD warf Scholz dem CDU-Vorsitzenden „unverantwortliche Zockerei“ vor. Damit zielte er auf eine Abstimmung Ende Januar, bei der die Union auch mit den Stimmen der AfD einen Fünf-Punkte-Plan zur Verschärfung der Regeln bei der Migration durch den Bundestag gebracht hatte. „Die Bürgerinnen und Bürger wissen jetzt: Wenn Friedrich Merz den Kompromiss unter Demokraten zu schwierig findet, dann macht er gemeinsame Sache mit denen da“, sagte Scholz. 

Scholz: Der Wind weht von vorn

Merz wies die Spekulationen von Scholz über eine Zusammenarbeit der Union mit der AfD zurück. „Es kommt nicht infrage, und dabei wird es natürlich auch bleiben“, sagte er. An Scholz gerichtet sagte er: „Es ist ein Popanz, den Sie hier aufbauen, und Sie wissen es natürlich.“

Scholz verwies in seiner Bilanz zu drei Jahren Ampelkoalition auf die Belastungen durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, die Probleme der Wirtschaft, die Inflation und die von US-Präsident Donald Trump angekündigten Strafzölle. „Der Wind weht derzeit von vorn. Und die Wahrheit ist: Das wird sich in den kommenden Jahren auch nicht grundlegend ändern“, sagte der SPD-Kanzlerkandidat. Er wolle nicht das Blaue vom Himmel versprechen, sagte Scholz. „Aber was ich den Bürgerinnen und Bürgern verspreche, ist: Wir kommen da gemeinsam durch! Wir kommen da durch, wenn wir jetzt nicht falsch abbiegen.“

Merz: Bundesregierung hinterlässt schieres Desaster

Merz warf der Bundesregierung unter Scholz und Vizekanzler Dr. Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) vor, ein „schieres Desaster“ auf dem Arbeitsmarkt zu hinterlassen. Scholz verlasse das Bundeskanzleramt mit fast drei Millionen Arbeitslosen, fast 400.000 mehr als zu Beginn der Amtszeit. Zudem habe es in dieser Zeit 50.000 Unternehmensinsolvenzen gegeben und einen Kapitalabfluss in einer Größenordnung von rund 100 Milliarden Euro im Jahr. „Sie nehmen offensichtlich die Wirklichkeit überhaupt nicht mehr wahr“, lautete der Vorwurf von Merz an den Kanzler. 

Auch die Kehrtwende von Scholz in der Sicherheitspolitik, die sogenannte „Zeitenwende“ nach dem russischen Angriff auf die Ukraine, sei nicht ausreichend umgesetzt worden. „Es sind Zeiten ohne Wende geblieben“, so das Resümee des Kanzlerkandidaten der Union. 

Habeck: Wenn Europa umfällt, ist es vorbei mit dem Klimaschutz

Vizekanzler Habeck warf der politischen Konkurrenz mangelnden Einsatz für den Klimaschutz vor. Union, FDP und AfD stellten die Klimaziele infrage. Die Bundestagswahl am 23. Februar sei in dieser Frage eine Richtungsentscheidung. „Wir können kein Land haben, das regiert wird von Leuten, die Sorge haben, Probleme anzufassen.“ Die Welt werde es verkraften, wenn die USA zeitweise aus dem globalen Klimaschutz ausstiegen. 

Wenn dies aber Deutschland tue, werde Europa seine Ziele nicht einhalten können. „Wenn Europa umfällt, dann ist es vorbei mit dem globalen Klimaschutz“, sagte der Kanzlerkandidat der Grünen. 

Lindner: Sonderweg beim Klimaschutz beenden

Christian Lindner (FDP) forderte die Einhaltung der im Grundgesetz festgeschriebenen Schuldenbremse auch in der kommenden Legislaturperiode. Das Problem Deutschlands sei „die Zügellosigkeit von Staatsausgaben“, sagte der FDP-Vorsitzende und frühere Finanzminister. „Wir haben keinen Mangel an öffentlichen Mitteln. Wir haben nur einen Mangel an Mut zur Prioritätensetzung im Umgang mit den vielen Mitteln.“ 

Lindner forderte zudem, den „weltweit einmaligen Sonderweg“ beim Klimaschutz zu beenden, also Deutschland nicht schon 2045 klimaneutral zu machen, sondern erst 2050 wie in Europa vorgesehen. „Der schwarz-rot-grüne Weg, den unser Land gegenwärtig beschreitet, der wird nur dazu führen, dass unser Land 2045 ein Industriemuseum sein wird.“ 

Weidel wirft Union Wählertäuschung vor

Die AfD-Fraktionsvorsitzende Dr. Alice Weidel griff den Unionskanzlerkandidaten Friedrich Merz an: „Sie, Herr Merz, Sie sind bereits gescheitert, denn das, was Sie betreiben, ist Wählertäuschung. Sie werden nichts von Ihren Versprechungen umsetzen können mit Grün-Rot.“ Nur mit der AfD werde eine „Migrationswende, die Wirtschafts-, Energie- und Steuerwende und das Umsteuern in der Gesellschaftspolitik“ möglich sein. 

Weidel bekräftigte AfD-Positionen nach einem Ausstieg aus dem Euro, der Wiedereinführung einer eigenen Währung und einem Ende der Energiewende. „Das ist unsere Vision für Deutschland. Unsere Hand ist ausgestreckt für alle, die sie mit uns realisieren wollen. Und es liegt an Ihnen, ob Sie diese Hand ergreifen“, sagte die Kanzlerkandidatin der AfD.

Reichinnek: Es sollte keine Milliardäre geben

Heidi Reichinnek (Gruppe Die Linke) beklagte unter anderem eine „katastrophale“ und „desaströse“ Bilanz der Ampel bei den Themen Mieten und Lebensmittelpreise. 

Sie forderte zudem steuerliche Entlastungen für niedrige und mittlere Einkommen und eine stärkere Belastung höherer Einkommen. „Wir sind Die Linke, und wir finden, es sollte keine Milliardäre geben.“

Wagenknecht: Olaf Scholz ist Kanzler des Abstiegs

Dr. Sahra Wagenknecht (Gruppe BSW) bezeichnete Olaf Scholz als „Kanzler des Abstiegs für die große Mehrheit der Menschen in unserem Land“. Auch eine Regierung Merz „werde Weniges anders, kaum etwas besser und Wesentliches noch schlechter machen“. 

Wagenknecht warnte außerdem vor der Kriegsgefahr, falls deutsche Soldaten Taurus-Marschflugkörper programmierten, die die Ukraine tief auf russisches Territorium schießen könnte.

Bas: Vertrauen in die freiheitliche Demokratie stärken

Zum Abschluss der letzten Plenarsitzung der 20. Wahlperiode rief Bundestagspräsidentin Bärbel Bas die Bürgerinnen und Bürger dazu auf, bei der Bundestagswahl am 23. Februar von ihrem demokratischen Grundrecht Gebrauch zu machen und ihre Stimme abzugeben. „Ich bin der festen Überzeugung: Unsere freiheitliche Demokratie kann für die meisten Probleme der Menschen Lösungen finden. Dieses Land hat schon viele Herausforderungen erfolgreich gemeistert. Das sollte uns alle zuversichtlich stimmen“, sagte Bas.  Es liege nicht zuletzt an den Abgeordneten des Bundestages, das Vertrauen in die freiheitliche Demokratie, in eine lösungsorientierte Politik zu stärken.

Sorge bereite ihr, so die Bundestagspräsidentin, dass die Verrohung immer weiter zunehme. Im bisherigen Wahlkampf seien Verunglimpfung, Bedrohung und Angriffe auf Wahlhelferinnen und Wahlhelfer nahezu alltäglich gewesen, genauso wie Attacken auf Politikerinnen und Politiker: „Das ist eine Gefahr für unser gesellschaftliches Miteinander und unsere Demokratie.“ 

Alle Straftaten müssen zügig aufgeklärt und konsequent bestraft werden. Politische Auseinandersetzungen müssten mit Respekt und Achtung vor der Meinung der Anderen geführt werden, auch in der Diskussion am Arbeitsplatz und in der Familie. „Wir müssen miteinander im Gespräch bleiben, sonst wird es schwierig mit dem Kompromiss“, auf den es am Ende ankomme, betonte Bas.

Der kommende Bundestag wird sich verkleinern

Die erste Sitzung des neuen Bundestags findet spätestens 30 Tage nach der Wahl am 23. Februar statt. Unabhängig vom Ausgang der Wahl steht bereits fest, dass der neue Bundestag kleiner sein wird als der bisherige. 

Das neue, von der Ampel-Koalition beschlossene Wahlrecht begrenzt die Größe auf 630 Abgeordnete. Bei der letzten Wahl 2021 waren noch 736 Abgeordnete in den Bundestag eingezogen. (ahe/vom/11.02.2025)