Staatsminister Roth zu Gast beim Ständigen Ausschuss der PVER
„Der Europarat wird jetzt gebraucht – möglicherweise dringender denn je.“ Das machte der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth (SPD), der zugleich Sonderbeauftragter der Bundesregierung für die deutsche Präsidentschaft des Ministerkomitees des Europarates ist, am Freitag, 20. November 2020, bei der Sitzung des Ständigen Ausschusses der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PVER) deutlich. Unter der deutschen Präsidentschaft des Ministerkomitees solle durch mehr öffentliche Veranstaltungen und eine Vielzahl an Konferenzen ein Beitrag dazu geleistet werden, um den Europarat sichtbarer zu machen und als Forum für Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit zu stärken, sagte Roth.
LBGTI-Rechte „keine Sonderrechte sondern Menschenrechte“
Ein Thema der deutschen Präsidentschaft werde auch der Minderheitenschutz sein. „Menschenrechtspolitik ist immer Minderheitenpolitik“, sagte der Staatsminister. Der Fokus sei dabei auf jene Minderheiten gelegt, „die fast immer zu den Verlieren gehören, die Opfer von Diskriminierung und Ausgrenzung sind“. Das seien zum einen LBGTI-Personen (Lesbian, Gay, Bisexual, Transsexual/Transgender und Intersexual). „Wir müssen deutlich machen, dass LBGTI-Rechte keine Sonderrechte sondern Menschenrechte sind“, forderte er. Ein weiterer Schwerpunkt werde auf die größte ethnische Minderheit Europas gelegt – die Roma. Sie seien fast überall in Europa Ausgrenzung und Unterdrückung ausgesetzt. Hier werde ein neuer Anlauf benötigt, bei dem laut Roth auch insbesondere die jungen Roma einbezogen werden müssten.
Ohnehin sei es wichtig, junge Menschen in die Arbeit des Europarates mit einzubeziehen, befand der deutsche Regierungsvertreter. Man sei dazu mit dem Jugendbeirat in einem engen Austausch. „Wir müssen die jungen Leute ernst nehmen und ihnen zuhören“, verlangte er. Gerade mit Blick auf die Digitalisierung und die Künstliche Intelligenz wäre es unklug, die junge Generation, die damit viel selbstverständlicher umgehe als die ältere, zu umgehen, sagte der Staatsminister auf Nachfrage der türkischen Abgeordneten Selin Sayek Böke.
Umgang mit Verstößen gegen Rechtsstaatlichkeit
Die schwierigste Frage, das zeigte sich auch in der weiteren Diskussion Roths mit den Mitgliedern der PVER, sei aber jene zum Umgang mit internationalen Konflikten sowie mit Verstößen gegen Rechtsstaatlichkeit und der Nichtumsetzung von Urteilen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte. Bei letzterem kündigte Roth an, derartige Fälle immer wieder prominent in die Öffentlichkeit zu bringen, aber auch hinter den Kulissen Gespräche zu führen.
Eine vollbefriedigende Antwort auf die Frage, wie mit Mitgliedern des Europarates umzugehen sei, die sich nicht an die Regeln hielten, könne er nicht geben, räumte der Staatsminister ein. Er hoffe auf den neu entwickelten Sanktionsmechanismus, der im nächsten Jahr verabschiedet werden solle.
„Uns bleibt am Ende nur das Wort“
Roth machte aber auch deutlich, dass es der Europarat allein nicht schaffen könne, massive Menschenrechtsverletzungen und anhaltende Brüche des Völkerrechts zu stoppen. „Es wäre ja schon mal schön, wenn sich alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Union an das halten, wozu sie sich verpflichtet haben“, sagte er. Der Europarat habe keine militärischen Möglichkeiten. „Uns bleibt am Ende nur das eine – und das ist das Wort, ist das Gespräch, ist der Austausch“. Auch der neue Sanktionsmechanismus werde nicht alle Probleme lösen. Die Haltung, so Roth, müsse eine andere werden. Mit der Aussage: „Wir sind zersetzt vom Autoritarismus, vom Nationalismus und vom Populismus“, fand er deutliche Worte.
Vom zypriotischen Parlamentarier Nicos Tornaritis auf die Streitigkeiten im östlichen Mittelmeer – zwischen der Türkei auf der einen und Griechenland sowie Zypern auf der anderen Seite - angesprochen, betonte der Sonderbeauftragte der Bundesregierung für die deutsche Präsidentschaft des Ministerkomitees des Europarates, es brauche eine politische Lösung des Konfliktes, keine militärische. Die EU habe in der Vergangenheit ihre Solidarität mit Griechenland und Zypern erklärt. Im Europarat sei die Türkei ebenfalls Mitglied, was Gespräche auf Augenhöhe ermögliche.
Situation in Belarus liegt Roth „besonders am Herzen“
Besonders am Herzen, so sagte Roth, liege ihm die Situation in Belarus. Er sehe mit Sorge, dass das öffentliche Interesse an dem Thema in Europa erlahme. Umso wichtiger sei es, „dass der Europarat deutlich macht: Wir stehen an der Seite der Menschen, die für Freiheit, für Verständigung, Frieden und Menschenrechte eintreten“. Die Proteste auf der Straße, so seine Hoffnung, müssten schlussendlich zu einem politischen Dialog mit dem Ergebnis der Anerkennung von Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit führen. Er könne sich durchaus vorstellen, Belarus als 48. Mitglied im Europarat zu begrüßen, wie vom deutschen Bundestagsabgeordneten Frank Schwabe (SPD) angesprochen. Klar sei aber auch, dass ein Land, in dem es die Todesstrafe gibt, nicht Mitglied im Europarat sein könne.
Staatsminister Roth ging auch auf den bereits im Lissabon-Vertrag beschlossenen Beitritt der Europäischen Union zur Europäischen Menschenrechtskonvention des Europarats ein. Dem stünden derzeit wohl zwei Probleme im Wege, sagte er. Zum einen habe der Europäische Gerichtshof im Hinblick auf die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik eine Hürde aufgebaut. Zum anderen gebe es die Sorge bei den Nicht-EU-Mitgliedern des Europarates bezüglich eventueller Sonderregeln. „Wir wollen das so auf den Weg bringen, dass diese Sorgen weitestgehend nicht erfüllt werden“, sagte Roth. (hau/23.11.2020)