Geschichte
Die Parlamentarische Versammlung der NATO (NATO PV) im Überblick
Auf Initiative europäischer und nordamerikanischer Parlamentarier trat am 18. Juli 1955 erstmals die Konferenz der Parlamentarier der NATO-Mitgliedstaaten zusammen. Aus ihr ging im Jahre 1966 die Nordatlantische Versammlung (NAV) hervor, die bei der Frühjahrstagung in Warschau im Jahr 1999 in Parlamentarische Versammlung der NATO (NATO PV) umbenannt wurde. Die NATO PV hat sich im Laufe der Jahre zu einem euro-atlantischen Parlament entwickelt, in dem Parlamentarier aus Europa und Nordamerika über Fragen und Probleme diskutieren, die die Atlantische Allianz betreffen.
Die NATO PV, in der Parlamentarier aus allen 26 Mitgliedstaaten der Atlantischen Allianz vertreten sind, sieht ihre Hauptaufgabe darin,
- die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten in allen verteidigungs- und sicherheitspolitischen Fragen zu fördern,
- die Vorstellungen der Atlantischen Allianz bei der Formulierung nationaler Politiken einzubringen,
- zur Entwicklung einer atlantischen Solidarität in den Ländern der Allianz beizutragen und
- als Bindeglied zwischen den nationalen Parlamenten und der NATO zu dienen.
Regierungen begrüßen die Initiativen der Versammlung
Obwohl die NATO PV im Nordatlantikvertrag nicht verankert ist, hat die NATO nach anfänglicher Zurückhaltung ihre wichtige Rolle bei der Verwirklichung der Zielsetzungen der Atlantischen Allianz erkannt. Die Außenminister der NATO-Mitgliedstaaten haben in der Vergangenheit mehrfach die große Bedeutung der freien Aussprache über Bündnisthemen betont und in diesem Zusammenhang vor allem den Meinungsaustausch innerhalb der NATO PV begrüßt. Im Laufe der Jahre ist die NATO PV als transatlantisches Forum von Parlamentariern der Bündnisländer auch zu einem ernstzunehmenden Gesprächspartner der NATO-Gremien geworden. Die NATO PV erarbeitet zu allen das Bündnis betreffenden Fragen Berichte, Empfehlungen und Entschließungen. Die anlässlich der Plenarsitzungen verabschiedeten Empfehlungen und Entschließungen richten sich an die Regierungen der NATO-Mitgliedsländer und den Nordatlantikrat. Der Generalsekretär der NATO erstattet der Versammlung regelmäßig Bericht über die Arbeit und die aktuellen Aufgaben der Atlantischen Allianz.
Als transatlantisches Forum für die Erörterung von Bündnisproblemen dient die NATO PV in erster Linie dem politischen Dialog und dem Meinungsaustausch auf internationaler Ebene. Darüber hinaus liegt die Bedeutung der NATO PV darin, dass die Parlamentarier durch ihre Entschließungen und Initiativen der Arbeit des Nordatlantikrates neue Impulse geben können. Dass diese Initiativen der NATO PV für die Atlantische Allianz unverzichtbar sind, hat sich insbesondere nach den politischen Veränderungen in Mittel- und Osteuropa gezeigt, die sowohl für die NATO als auch die NATO PV eine große Herausforderung bedeuteten. Mit dem Ende des Ost-West-Gegensatzes und der überwindung der Teilung Europas war die auf dem Blockdenken beruhende Bündnisstrategie überholt. Innerhalb der NATO begann ein Prozess des Nachdenkens über die Anpassung der Strukturen und Strategien des Bündnisses an die veränderten politischen und militärischen Gegebenheiten in Europa, dessen Höhepunkt das Programm der „Partnerschaft für den Frieden“ darstellt. Seit 1999 intensiviert das Bündnis die Zusammenarbeit mit potentiellen neuen Mitgliedern auf der Basis von so genannten „Mitgliedschafts-Aktionsplänen“ (MAP). Derzeit bereiten sich Albanien, Kroatien und die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien anhand von MAPs auf eine mögliche Mitgliedschaft vor.
Parlamentarier übernehmen Vorreiterrolle
Noch bevor sich die NATO mit der Schaffung des Nordatlantischen Kooperationsrates 1991 nach Osten öffnete, hatten sich die Parlamentarier der NATO PV bereits mit den politischen Veränderungen in Osteuropa und ihren möglichen Auswirkungen auf das Bündnis auseinandergesetzt. Wesentlich war in diesem Zusammenhang das frühzeitige Bemühen der NATO PV, den politischen Dialog mit Vertretern des Warschauer Paktes und später mit Parlamentariern aus den neuen mittel- und osteuropäischen Demokratien einzuleiten. Inzwischen sind Parlamentarierdelegationen aus 13 europäischen Ländern als assoziierte Mitglieder in die Arbeit der NATO PV eingebunden. Den Status assoziierter Mitglieder haben derzeit Albanien, Armenien, Aserbaidschan, die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien, Finnland, Georgien, Kroatien, Moldawien, österreich, Russland, Schweden, die Schweiz und die Ukraine. Weitere neun Länder, darunter Australien, Israel und Japan owie die Versammlung des Kosovo und der Palästinensische Legislativrat haben Beobachterstatus. Auch das Europäische Parlament entsendet zehn Vertreter mit vollem Rederecht zu Ausschuss- und Plenarsitzungen der Parlamentarischen Versammlung. Aber auch nach Süden hat die Versammlung ihre Hand ausgestreckt und trägt auf diese Weise der gestiegenen Bedeutung der Zusammenarbeit im Mittelmeerraum Rechnung. So beteiligen sich Abgeordnete aus Algerien, Israel, Jordanien und Marokko ebenfalls an der Arbeit des Gremiums. Die Parlamente dieser Länder haben einen gesonderten assoziierten Status.
Die Plenarsitzungen der NATO PV finden zweimal jährlich in Form einer Frühjahrs- und einer Herbsttagung in unregelmäßigem Wechsel in den 26 Mitgliedsländern des Bündnisses statt. Mit der NATO PV-Frühjahrstagung 1995 fand in Budapest erstmals eine Plenarsitzung der Versammlung in einem Land statt, das der NATO damals noch nicht angehörte. In ihren Debatten greifen die NATO PV-Parlamentarier aktuelle Fragestellungen auf, die das Atlantische Bündnis im weitesten Sinne betreffen. Die Bandbreite der behandelten Fragen reicht von Themen wie z. B. „Das Nuklearprogramm des Iran“ über „Die Reform der NATO“ hin zur Fragestellung „Die Zusammenarbeit zwischen EU und NATO“. Ein Beispiel illustriert die konsultativen Möglichkeiten des parlamentarischen Arms des Bündnisses auf beeindruckende Weise: als im Jahr 2003 die unterschiedlichen Ansichten der Regierungen der Mitgliedsländer zum Irak-Krieg aufeinander prallten, haben sich die Parlamentarier intensiv mit den gravierenden Diskrepanzen auseinandergesetzt und den Dialog gesucht, während der NATO-Rat das Thema zur gleichen Zeit weitgehend ausklammerte.
Die NATO PV verfügt über fünf Ausschüsse: den Politischen Ausschuss, den Ausschuss für Verteidigung und Sicherheit, den Ausschuss für Wirtschaft und Sicherheit, den Ausschuss für Wissenschaft und Technologie sowie den Ausschuss für die Zivile Dimension der Sicherheit. Die Hauptaufgabe der Ausschüsse liegt darin, aktuelle Fragen, die das Bündnis betreffen, zu erörtern und dazu Berichte, Empfehlungen und Entschließungen zu erarbeiten. Darüber hinaus gibt es eine Anzahl von Unterausschüssen sowie die Sondergruppe Mittelmeer, deren Mitglieder ebenfalls mehrmals im Jahr zusammentreffen, um die Kontinuität der Arbeit der NATO PV zu gewährleisten.
Der Ständige Ausschuss hat die Arbeit der Versammlung und ihrer Ausschüsse zwischen den Sitzungen zu koordinieren sowie alle erforderlichen Schritte einzuleiten, um die Empfehlungen und Entschließungen der Versammlung umzusetzen. Die notwendige administrative Unterstützung für die Arbeit der Versammlung leistet das vom Generalsekretariat geleitete Internationale Sekretariat mit Sitz in Brüssel. Die NATO PV finanziert sich ausschließlich aus Beitragszahlungen der Mitgliedsländer. Die deutsche Delegation in der NATO PV setzt sich aus 18 ordentlichen Mitgliedern (12 Abgeordnete des Deutschen Bundestages und 6 Vertreter des Bundesrates) sowie einer Anzahl von Stellvertretern zusammen.