Internationales

Fünf Monate im Deutschen Bundestag

Christine Chiriac vor dem Reichstagsgebäude in Berlin, dem Sitz des Deutschen Bundestages

Christine Chiriac vor dem Reichstagsgebäude in Berlin, dem Sitz des Deutschen Bundestages (DBT/IPS)

Eine einzigartige Chance für eine ADZ-Redakteurin / Von Christine Chiriac

Vom Internationalen Parlaments-Stipendium (IPS) des Deutschen Bundestages habe ich in meiner Universität erfahren und ich war sofort von der Idee fasziniert, dort ein fünfmonatiges Praktikum zu erleben. Umso mehr habe ich mich gefreut, als mir am Ende des Auswahlverfahrens gesagt wurde, dass ich unter den fünf Stipendiatinnen aus Rumänien bin und vom 1. März bis zum 31. Juli in Berlin wohnen, arbeiten und lernen werde.

 Die Einführung in das Programm war das erste große „Event“ in der deutschen Hauptstadt, mit den 115 komplizierten Namen aller „IPS-ler“, unserer Aufregung und dem wunderschönen Anhörungssaal im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus am Spreebogen. Wir erhielten die Hausausweise vom Deutschen Bundestag und die Liste mit „unseren“Abgeordnetenbüros. Ich war sehr froh, dem Büro von Bundestagsvizepräsidentin Dr. h.c. Susanne Kastner zugeteilt worden zu sein. 

In den ersten beiden Wochen habe ich die Gebäude und Liegenschaften des Bundestages im Parlamentsviertel besichtigt, die Umgebung kennengelernt, lange Spaziergänge durch die Stadt gemacht. Schon dieser Anfang war sehr erlebnisreich und vor allem von der Kulturstadt Berlin war ich auf Anhieb sehr beeindruckt! Mit den anderen Stipendiatinnen und Stipendiaten habe ich mich schnell angefreundet und jedes Zusammentreffen der IPS-ler war eine Gelegenheit, mit Gleichaltrigen aus so vielen Ländern einen regen Meinungsaustausch und spannende Diskussionen zu führen.

Mit hochrangigen Politikern

Im Büro der Vizepräsidentin war die Arbeit abwechslungsreich und man konnte erfahren, wie vielschichtig die Zuständigkeitsbereiche im Bundestag sind. Eigentlich gibt es in einem Abgeordnetenbüro nichts, was es nicht gibt. Und da „meine“ Abgeordnete zugleich Vizepräsidentin war, hatte ich die Gelegenheit, sowohl die Sicht und die Arbeit der Fraktion, als auch die Perspektive der Überparteilichkeit, die eine Funktion im Bundestagspräsidium erfordert, „von innen“ zu erleben.

Die Plenarsitzungen sind besonders spannend, vor allem wenn sich auch die Kanzlerin daran beteiligt. Zu den Highlights in meinem IPS-Programm zählt die Fraktionssitzung, an der ich teilnehmen durfte, wo alle hochrangigen Politiker der SPD-Fraktion anwesend waren und Bundeskanzler a.D. Helmut Schmidt eine Rede gehalten hat. Ich habe aber auch verschiedene Ausschusssitzungen und öffentliche Anhörungen besucht und mir dabei die Stellungnahmen der Sachverständigen zu aktuellen Themen angehört.

Auf verschiedenen Informationsveranstaltungen habe ich das Büro vertreten und diese für die weitere Büroarbeit dokumentiert. Ich konnte zur Vorbereitung von Veranstaltungen, Konferenzen und Sitzungen beitragen, habe am „Mittelstandstag“ und an einem Fraktionskongress teilgenommen, sowie an der öffentlichen Vorstellung des Entwurfs des Regierungsprogramms durch Frank-Walter Steinmeier. Ich habe im Büro Schreibarbeiten erledigt, über aktuelle Themen recherchiert, Bürgerfälle mit bearbeitet, einige Pressemitteilungen, Artikel und Infomaterialien redigiert. Ich habe meine Abgeordnete und die Mitarbeiterinnen unseres Büros auch auf informellere Veranstaltungen begleitet.

In besonders guter Erinnerung behalte ich das Frühlingsfest der bayerischen Landesgruppe, das Mittagessen der fünf rumänischen Stipendiatinnen mit der Vizepräsidentin, das Mittagessen im Seeheimer Kreis und die Hannover Messe.

Eine Woche im Wahlkreis

Die Gespräche, an denen ich im Büro teilnehmen durfte, haben es mir ermöglicht, meine eigene, persönliche Sicht über die deutsche Politik und über Deutschland zu entwickeln, viele unterschiedliche Meinungen anzuhören und Informationen auszutauschen.

Im Wahlkreis von Susanne Kastner habe ich fast eine ganze Woche verbracht. Obwohl er zu den größten in Deutschland gehört (er besteht aus den Landkreisen Bad Kissingen, Rhön-Grabfeld und Haßberge in Unterfranken), hat das Programm meines Aufenthaltes es mir ermöglicht, meine Abgeordnete bei allen Terminen an verschiedenen Orten zu begleiten. Ich konnte die Arbeit im Wahlkreis (die sich von der Arbeit in Berlin sehr unterscheidet) dadurch auch besser verstehen. Ebenfalls fand ich die Kontaktaufnahme mit den Bürgerinnen und Bürgern sowie die unmittelbare Nähe zu ihren Problemen und Meinungen vor Ort besonders wichtig. 

Eine andere Sicht aufs Heimatland

Ich finde es äußerst positiv für mein gesamtes IPS-Programm, dass meine Abgeordnete mit Rumänien in so enger Verbindung steht. Schon von Anfang an habe ich durch die rumänienbezogene Arbeit des Büros einen tiefen Blick in die rumänische Innenpolitik bekommen, und vor allem in die außenpolitischen Beziehungen mit der Bundesrepublik und mit der Europäischen Union.

Außerdem habe ich in Berlin viele rumänischen Politiker, den Botschafter, Repräsentanten der rumänischen Presse, der verschiedenen Organisationen, der Wirtschaft, Mitarbeiter, Beamte, Angestellte der rumänischen Verwaltung und viele andere kennengelernt.

Eine der schönsten Erfahrungen war die zweiwöchige Reise nach Rumänien, auf der ich Susanne Kastner begleiten durfte. Wir besuchten in Temeswar und Umgebung vor allem deutsche und rumänische gemeinnützige Vereine und Kinderheime, aber auch andere Institutionen.

Rumänien vorgestellt

In Berlin war auch die offizielle Begrüßung der Stipendiatinnen und Stipendiaten im Lichthof der Technischen Universität, mit der Vorstellung jedes teilnehmenden Landes ein wunderschöner Abend. Aber noch mehr Spaß hat uns allen der „Stipendiatenabend“ gemacht. Mit der Gestaltung des Programms und der Zusammenstellung der Infomaterialien für unsere „Ländertische“ haben wir uns schon lange Zeit im Voraus beschäftigt. Es war eine Freude für uns, dass dieses Dankeschön an unsere Abgeordneten und an alle Veranstalter des IPS gelungen ist!

Auch der Empfang, den Bundestagspräsident Dr. Norbert Lammert für uns gegeben hat, bleibt unvergesslich! Stolz bin ich darauf, dass eines der Fotos, mit denen ich am Fotowettbewerb zum Thema „60 Jahre Grundgesetz“ teilgenommen habe, zu den 24 Besten gehörte. Auch das Schreiben von Beiträgen für die Jugendseite www.mitmischen.de stellte eine Bereicherung dar.

Die Reise nach Brüssel durch die Hanns-Seidel-Stiftung, der Aufenthalt in Gummersbach durch die Friedrich-Naumann-Stiftung sowie die Zeit in Würzburg bei der Friedrich-Ebert-Stiftung gehören zu den erlebnisreichsten  Ereignissen im gesamten Programm. Gegen Ende des Aufenthaltes in Deutschland durfte ich an einem sehr interessanten mehrtägigen Seminar über Minderheiten in Sankelmark teilnehmen, sowie an Veranstaltungen der Konrad-Adenauer-Stiftung in Wendgräben bei Magdeburg, der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Wietow bei Wismar und der Heinrich-Böll-Stiftung in Kiel.

Auch die Deutsche Welle in Bonn haben wir besucht. Die zwei Lehrveranstaltungen, die ich in Berlin an der Humboldt-Universität besucht habe, haben mir das deutsche Bildungssystem nähergebracht. Ich bin beeindruckt von der Qualität der Seminare und habe die Gelegenheit genutzt, sehr aktiv daran teilzunehmen.

In Berlin bin ich auch in meiner Freizeit auf Kulturveranstaltungen und vor allem auf Veranstaltungen der politischen Stiftungen und Gesellschaften gegangen. In Bad Kissingen war ich auf einer Wochenendtagung über die deutschen Minderheiten in Ostmitteleuropa und ihre politischen Interessenvertretungen, ein Thema, das mich selbstverständlich besonders intensiv beschäftigt.

Ich bin davon fest überzeugt, dass das IPS ein Grundstein für meine weitere Karriere ist. Diese Chance, das politische Leben „von innen“ zu erleben, die Arbeit des Parlaments zu analysieren und nicht zuletzt aus unmittelbarer Nähe aktiv mitwirken zu dürfen, ist einzigartig. Eine Bewerbung für das Programm kann ich allen Jugendlichen empfehlen, die sich für deutsche Politik, Gesellschaft und Kultur interessieren. 

Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien/11. September 2009/Nr. 4222

Das Internationale Parlaments-Stipendium des Bundestages

Jährlich vergibt der Deutsche Bundestag das Internationale Parlaments-Stipendium (IPS) an junge Menschen, die sich für Politik interessieren und sich in ihren Heimatländern für demokratische Grundwerte einsetzen wollen. Während der 15-wöchigen Tätigkeit in Abgeordnetenbüros in Berlin können die Hochschulabsolventinnen und -absolventen das deutsche parlamentarische System sowie politische Entscheidungsprozesse kennenlernen und praktische Erfahrungen im Bereich der parlamentarischen Arbeit sammeln. Außer der ganztägigen Arbeit im Abgeordnetenbüro, die den Kern des Programms bildet, nehmen die Jugendlichen auch an zahlreichen Informationsveranstaltungen und Seminaren teil, die in ganz Deutschland vom Bundestag und den politischen Stiftungen angeboten werden. Im Sommersemester dürfen sie Lehrveranstaltungen an der Humboldt-Universität, der Freien Universität und der Technischen Universität Berlin belegen. Im diesem Jahr waren 115 Stipendiatinnen und Stipendiaten aus 28 Ländern dabei. Seit Beginn des Programms im Jahre 1986 wurden bereits mehr als 1400 junge Menschen gefördert, ein Netzwerk, das auch über Alumni-Vereine gepflegt wird. Ausführliche Informationen zum Programm gibt es auf der Internetseite www.bundestag.de/ips.


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