Parlament

Gemeinschaftsverpflegung in Krankenhäusern, Reha-, Senioren- und sonstigen Pflegeeinrichtungen

(© DBT/Thinking Visual/Katrina Günther)

Wortlaut der Empfehlung

„Wir empfehlen die Sicherstellung des Zugangs zu gesunder und ausgewogener Ernährung in Krankenhäusern, Reha-, Senioren- und sonstigen Pflegeeinrichtungen (nachfolgend Pflegeeinrichtungen) für alle. Dabei sollte die Ernährung an die individuellen Bedürfnisse unterschiedlicher Zielgruppen in den Pflegeeinrichtungen angepasst werden.

Dies beinhaltet:

  • Standardisierung der Ernährungsqualität: Alle Pflegeeinrichtungen werden verpflichtet, sich mindestens an die Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) zu halten. Wo dies möglich ist, wird die Einhaltung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen kontrolliert.
  • Verpflichtende Einführung der DGE-Standards in Qualitätsmanagementsystemen: Die Einführung der DGE-Qualitätsstandards in ein Qualitätsmanagementsystem soll in jeder Pflegeeinrichtung verpflichtend sein, damit deren Einhaltung durchgehend durch die Pflegeeinrichtung selbst kontrolliert und bei Bedarf nachgesteuert wird. Dabei werden die besonderen Bedürfnisse unterschiedlicher Pflegeeinrichtungen berücksichtigt. Mit der Aufnahme der Ernährung ins Qualitätsmanagement wird ein stärkeres Augenmerk auf das Thema Ernährung gelegt und die Transparenz der Kosten und Qualität von Ernährung in Pflegeeinrichtungen erhöht.
  • Finanzierungssicherheit: Der Bund soll die notwendigen gesetzlichen und finanziellen Rahmenbedingungen sicherstellen und bei Bedarf schaffen, um eine gesunde Ernährung nach den DGE-Qualitätsstandards in Pflegeeinrichtungen zu garantieren.
    • Erstens soll zu diesem Zweck eine einheitliche Untergrenze für Tagesausgaben für die Ernährung pro Klientin oder Klient in allen Pflegeeinrichtungen festgelegt und umgesetzt werden, damit die DGE-Qualitätsstandards eingehalten werden.
    • Zweitens soll die Sozialversicherung sicherstellen, dass die Kostendeckung durch die Leistungsträger erfolgt und die Ernährung ausreichend finanziert ist.
    • Drittens soll in allen Pflegeeinrichtungen der Anteil der Pflegesätze transparent gemacht werden, mit denen Verpflegung finanziert wird.
    • Viertens soll bei der Budgetierung in Krankenhäusern die Ernährung unter Gesundheitskosten und nicht unter sonstigen Kosten (wie z.B. Informationstechnologie) mitberücksichtigt werden. Durch die Entkopplung der Ernährungskosten von sonstigen Verwaltungskosten wird die zentrale Rolle der Ernährung für die Gesundheit betont.

Sofern dies möglich ist, soll die Einhaltung der DGE-Qualitätsstandards ohne die Bereitstellung von zusätzlichen Steuergeldern und höheren Kranken- und Pflegekassenbeiträgen umgesetzt werden. Andernfalls soll der Bundestag über die Bereitstellung von zusätzlichen Mitteln entscheiden.

  • Ausreichend Fachpersonal: Damit die DGE-Qualitätsstandards umgesetzt werden können, sorgt der Bund dafür, dass Pflegeeinrichtungen ausreichend qualifiziertes Personal anstellen, aus- und weiterbilden. Dies beinhaltet Ernährungsberaterinnen und -berater sowie das Pflege- und Küchenpersonal.“

Die Begründung zur Empfehlung können Sie im Bürgergutachten (20/10300) nachlesen.

Stand der Beratungen und Umsetzung

Das Bürgergutachten wurde nach einer Plenardebatte am 14. März 2024 federführend an den Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft sowie mitberatend an den Finanzausschuss, den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, den Ausschuss für Gesundheit und den Ausschuss für Klimaschutz und Energie überwiesen.

Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung hat sich in seiner Sitzung am 9. Oktober 2024 im Rahmen eines öffentlichen Fachgesprächs mit „Mehr Nachhaltigkeit in der Krankenhausverpflegung“ befasst. Der Vorsitzende Helmut Kleebank (SPD) hat eingangs unter anderem das Engagement des Bürgerrats zum Thema Gemeinschaftsverpflegung gewürdigt. Weitere Informationen und die Aufzeichnung des Fachgesprächs sind hier zu finden.

Im Ausschuss für Gesundheit stand am 13. November 2024 ein Fachgespräch zu Empfehlung 6 des Bürgerrats Ernährung auf der Tagesordnung. Die eingeladenen Sachverständigen stimmten überein, dass Ernährung für die körperliche und geistige Gesundheit wichtig sei, bewerteten die Umsetzungsmöglichkeiten der Bürgerratsempfehlung aber unterschiedlich.

Prof. Dr. Ulrike Arens-Azevêdo (Deutsche Gesellschaft für Ernährung, DGE) unterstrich, eine ausgewogene und qualitätsvolle Ernährung könne präventiv gegen Mangelernährung und ernährungsabhängige Erkrankungen, wie Adipositas und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wirken. Sie trage entscheidend zu körperlicher Fitness und Wohlbefinden bei. Ernährung müsse daher einen anderen Stellenwert erhalten. 15 Euro pro Tag und Patient für Lebensmittel und Personalkosten sollten nicht unterschritten werden. Die langfristigen Folgen einer mangelhaften Ernährung seien im Vergleich dazu kostspieliger.

Pascal Tschörtner (Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste) verwies darauf, dass Pflegeeinrichtungen nicht untätig seien. Es gebe vielfach Qualitätsstandards und Eingangsuntersuchungen bei Neuaufnahmen. Weitere Auflagen seien in Zeiten des Fachkräftemangels und einer schlechten wirtschaftlichen Situation der Einrichtungen nicht zielführend. Den Pflegeeinrichtungen stünden am Tag 6,50 Euro für Lebensmittel zur Verpflegung einer Person zur Verfügung. Eine Umsetzung der DGE-Empfehlungen erfordere mindestens 1,50 Euro mehr pro Tag, die von den pflegebedürftigen Personen zu tragen wären. Die Umsetzung der Empfehlung des Bürgerrats verursachte Mehrkosten von mindestens einer Milliarde Euro.

Prof. Dr. Dorothee Volkert (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg) leitete aus der Bedeutung einer qualitätsvollen Ernährung und die besondere Abhängigkeit der Betroffenen eine staatliche Verpflichtung zur besseren Finanzierung der Verpflegung in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen ab. Mangelernährung sei ein nicht zu unterschätzendes Phänomen. Die Forderung des Bürgerrates sei daher mehr als berechtigt. Sie forderte für Gemeinschaftseinrichtungen verbindliche Vorgaben, ausreichende Ressourcen und Expertise sowie ein routinemäßiges Monitoring der Versorgungssituation. Letzteres diene auch der Verbesserung der Datenlage. Gute Beispiele, die mit dem vorhandenen Budget in die Praxis umgesetzt würden, müssten bekannter gemacht werden.

Andreas Petzold (Mitglied des Bürgerrats Ernährung) betonte, dass 93 Prozent der Befragten in einer repräsentativen Umfrage der Empfehlung 6 des Bürgerrats zustimmten, was den Stellenwert der Empfehlung unterstreiche. Der Bürgerrat habe sich intensiv mit Fragen der Finanzierung befasst. Wenig nachvollziehbar sei, dass die Ausgaben für die Verpflegung in Krankenhäusern zu den allgemeinen Verwaltungskosten zählten, obwohl eine gesunde Ernährung die Genesung fördere. Der Bürgerrat fordere eine ausreichende Budgetierung der Einrichtungen. An die Abgeordneten gewandt bat er darum, den Staffelstab in dieser Sache an den Gesundheitsausschuss der 21. Wahlperiode weiterzugeben. 

Resonanz in der Wissenschaft

Vom 23. Oktober 2024 bis 5. Februar 2025 findet eine Ringvorlesung mit dem Titel „Nachhaltige Ernährungssysteme in Deutschland – Fokus Gemeinschaftsgastronomie und -verpflegung“ statt. Jeweils mittwochs von 18.30 Uhr bis 20.00 Uhr können sich Interessierte online per Zoom den Vorlesungen zuschalten. Einzelheiten zur Anmeldung und das Programm können der Veranstaltungsseite entnommen werden. Die Reihe wird von Prof. Dr. Britta Renner, Prof. Dr. Melanie Speck und Prof. em. Ulrike Arens-Azevedo veranstaltet, die als Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirates bzw. als Expertin am Bürgerrat Ernährung mitgewirkt haben. (Luisa Welke/25.11.2024)