Parlament

Werbung für die Demokratie: Symbole und Staatsfeiern in der Weimarer Republik

Blick auf das flaggengeschmückte Reichstagsgebäude von der Siegessäule aus gesehen, mit der Menschenmenge und der davorstehenden Ehrenkompanie, während der Verfassungsfeier am 11. August 1926.

Blick auf das flaggengeschmückte Reichstagsgebäude von der Siegessäule aus gesehen, mit der Menschenmenge und der davorstehenden Ehrenkompanie, während der Verfassungsfeier am 11. August 1926. (© Bundesarchiv/Georg Pahl)


Nadine Rossol
Eine Frau steht vor einem Geländer in einem Gebäude.

Nadine Rossol (© Steven Brading)

Der Reichstag als Bühne: Nadine Rossol, Historikerin an der University of Essex und Mitherausgeberin des Standard-Handbuchs zur Weimarer Republik „Aufbruch und Abgründe“, spürt in diesem exklusiven Beitrag der Selbstbehauptung der Republik in ihrer Staatsrepräsentation nach – und hinterfragt dabei die These einer Republik ohne Republikaner.

Der Vorwurf, Weimars Demokraten hätten nichts von staatlicher Propaganda verstanden und sich von Kommunisten und Nationalsozialisten buchstäblich die Show stehlen lassen, ist falsch. Demokratie braucht Symbole – heute wie vor 100 Jahren. Die Unterstützer der Weimarer Republik nahmen die Inszenierung ihres demokratischen Staates ernst. Symbolpolitische Konflikte sorgten gerade deshalb für Spannungen, weil sie als klares Bekenntnis für die Republik gemeint waren – und auch so verstanden wurden. Ein Perspektivwechsel von den extremen Rändern zur politischen Mitte macht das republikanische Engagement in vielen Bereichen sichtbar.

Ein wichtiger Akteur republikanischer Staatsinszenierung war der Reichskunstwart Edwin Redslob. Dem Reichsinnenministerium unterstellt, hatte Redslobs 1920 gegründete Amt wenig Mitarbeiter und ein kleines Budget, aber seine Existenz war eine Sensation. Die junge Weimarer Demokratie leistete sich mit dem Reichskunstwart eine Staatsstelle für „künstlerische Formgebung“, um die Republik im Großen und im Kleinen durchzusetzen. Dazu zählten neue republikanische Stempel und das Ersetzen monarchistischer Hoheitszeichen ebenso wie die Organisation von Republikfeiern. Redslob vertraute auf einen Wachstumsprozess, der langsam alle Bürger und Bürgerinnen in die Republik einbeziehen würde. Der Journalist Kurt Tucholsky hielt dies für Tagträumerei und schrieb 1925: „Es gibt für die Propaganda der neuen Republik nur eine einzige Art: das ist die politische Aktion.“

Demokratische Symbole: Flaggen und Hoheitszeichen

Das demokratische Schlüsselsymbol der Weimarer Republik war die schwarz-rot-goldene Flagge. Diese republikanischen Farben verbanden symbolisch die Weimarer Demokratie mit der Revolution von 1848 und der Paulskirche, sie erinnerten an die Toten der Republik – darunter die ermordeten Politiker Matthias Erzberger und Walther Rathenau sowie der überraschend früh verstorbene Friedrich Ebert – und sie wurden der Gegenpol zum Schwarz-weiß-rot der Demokratiegegner. Es war kein Zufall, dass die 1924 gegründete republikanische Schutztruppe „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“ die Farben Weimars im Namen trug. In Wahlkämpfen, zum Beispiel um das Reichspräsidentenamt, versammelten sich Anhänger und Gegner der Republik hinter ihren jeweiligen Farben. Bei nationalen Staatsfeiern spielten die republikanischen Farben als Demokratiebekenntnis eine wichtige Rolle.

Nachdem die Nationalversammlung 1919 festgelegt hatte, dass der Reichsadler – seiner kaiserlichen Hoheitszeichen entkleidet – weiterhin als Wappentier des Staates dienen sollte, begannen Diskussionen um eine moderne Gestaltung. Reichskunstwart Redslob lud verschiedene Künstler ein, ein neues Design des traditionsreichen Adlers zu entwerfen. Während Redslob den expressionistischen Entwurf Karl Schmidt-Rottluff favorisierte, verriss die Presse diesen als „erschrockenen Papagei“. Letztendlich wurde der schlichte Adlerentwurf von Rudolf Koch benutzt und schmückte bei Republikfeiern im Reichstag, umrandet von einer Zeile der Nationalhymne, den Plenarsaal. Reichspräsident Friedrich Ebert hatte 1922 das „Deutschlandlied“ zur Nationalhymne erklärt.

08.08.1927
Verfassungsfeier im Reichstag in Gegenwart des Reichspräsidenten von Hindenburg. - Blick in den Plenarsaal: Am Rednerpult Abgeordneter von Kardorff, in der Ehrenloge von Hindenburg, Reichstagspräsident Löbe und General Haye

Verfassungsfeier im Reichstag am 8. August 1927 (© picture-alliance / akg-images)

Es galt nicht nur neue Symbole zu etablieren, der junge demokratische Staat musste auch einen adäquaten Umgang mit den alten Hoheitszeichen des Kaiserreichs finden. Zwischen Forderungen der Linken, jedes Kaiserbild sofort abzunehmen, und Vorwürfen der Rechten, die Republik plane einen „Bildersturm“, entwickelte die Reichsregierung eine besonnene Verordnung. Bis Oktober 1922 sollten alle ehemaligen Hoheitszeichen sowie Bilder und Büsten von Kaiser Wilhelm II. aus Amtstuben und Regierungsgebäude entfernt werden. Kunsthistorisch wertvolle Objekte gingen an Museen. Die Geschwindigkeit der Umsetzung variierte je nach politischer Überzeugung der entsprechenden Landesregierung und steht damit exemplarisch für das oft betonte Exekutivproblem der Republik.

Verfassungstag und Republikfeiern: Der Geburtstag der Demokratie

Verfassungsfeiern erinnerten an die Unterzeichnung der Weimarer Verfassung 1919 und wurden jährlich am 11. August gefeiert. Von 1921 bis 1932 ehrte jede Reichsregierung, egal welcher politischer Überzeugung, den Tag mit einem Festakt, der zuerst im Berliner Opernhaus und ab 1922 im Plenarsaal des Reichstags stattfand. Dieser Umzug war die direkte Folge eines tragischen Ereignisses – der Ermordung von Außenminister Walther Rathenau im Juni 1922.

Die Trauerfeier für Rathenau führte den Reichstag als Ort für Staatsfeiern der Republik ein. Der demokratische Ministerialdirektor Arnold Brecht erinnerte sich: „Die Feier fand [am Verfassungstag 1922] im Reichstag statt, geweiht durch die Totenfeier für Rathenau.“ Nach der Trauerzeremonie wurden die Türen des Parlaments geöffnet und der Sarg nach draußen getragen, damit die Bevölkerung Abschied nehmen konnte. Der Reichskunstwart war mitverantwortlich für die Choreografie der Zeremonie, die mit der republikanischen Fahne, die über Rathenaus Sarg gelegt worden war, die schwarz-rot-goldenen Farben in den Mittelpunkt rückte. So etablierte die Trauerfeier für Walther Rathenau wichtige Elemente einer republikanischen Gedenk- und Festkultur – dazu zählten, neben dem Plenarsaal als Ort, die Zentralität der schwarz-rot-goldenen Fahne, die Nationalhymne und das Öffnen der Parlamentstüren, um Bürger und Bürgerinnen einzubeziehen.

Menschen sitzen in einem Sitzungssaal, der mit Blumen dekoriert ist.

Gedenkfeier für den am Vortag ermordeten Reichsaußenminister Walter Rathenau im Reichstag: Am Rednerpult Reichskanzler Wirth (25.06.1922). (© picture alliance / akg-images)

Der staatliche Festakt für den jährlich stattfinden Verfassungstag nahm diese Elemente auf und kombinierte sie mit dem etwas nüchternen Charakter einer offiziellen Feierstunde: klassische Musik, Festrede, Singen des Deutschlandlieds, Hinaustreten aus dem Reichstag und Abschreiten einer Ehrengarde der Reichswehr durch den Reichspräsidenten. Versuche, Persönlichkeiten aus Kunst, Kultur oder Wissenschaft als Redner zu gewinnen, gestalteten sich schwierig, und so sprachen immer Politiker – nie Politikerinnen. Trotz jährlicher Festakte der Reichsregierung wurde der Verfassungstag kein nationaler Feiertag. Dafür fehlte eine parlamentarische Mehrheit. Während Teile der DDP und SPD den 11. August als Feiertag favorisierten, forderten manche in der SPD den 1. Mai. Die nationale Rechte war ebenso gegen den Verfassungstag wie die kommunistische Linke.

Republikanische Beamte, darunter Edwin Redslob, bauten die Verfassungsfeier Jahr für Jahr weiter aus. Durch Sportwettkämpfe, Umzüge, Paraden und Massenfestspiele sollte die Bevölkerung den Geburtstag der Republik mitfeiern. Der Festumzug im Herzen Berlins zur Ehrung des Verfassungstages stieg von 12.000 Teilnehmern (1927) auf 75.000 (1929). Der Reichskunstwart war auch für das 1929 neu eingeführte Massenfestspiel im Berliner Grunewald-Stadion verantwortlich, welches vor 50.000 Zuschauern stattfand. Unter Beteiligung von 500 Arbeitern und 11.000 Schulkindern endete das Festspiel mit der Formation einer schwarz-rot-goldenen Fahne durch Arbeiter und Schüler auf der Rasenfläche des Stadions. Damit hatte die Erweiterung der staatlichen Verfassungsfeier im Jahre 1929 ihren Höhepunkt erreicht.

Demokratie sichtbar machen: Identifikation und Konflikte

Die meisten Deutschen erlebten Verfassungsfeiern nicht in Berlin, sondern an ihren Wohnorten. Hier hing eine erfolgreiche Gestaltung vom Willen lokaler Entscheidungsträger wie Schulleiter, Amtsvorsteher, Landräten oder Bürgermeister ab. Es waren nicht nur Feiern in Behörden, Kreisstädten oder Schulen, mit denen die Bevölkerung in Berührung kam, sondern auch die Festivitäten demokratischer Parteien und Organisationen. Dabei machte die Stärke des „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“ einen deutlichen Unterschied für die Sichtbarkeit der Republik vor Ort. Lokale Reichsbannergruppen verankerten die junge Demokratie mit Gedenktagen, Fahnenweihen, Feiern und Umzügen in der örtlichen Festkultur. Das Reichsbanner hatte circa 1,5 Millionen männliche Mitglieder und war damit der größte Veteranen- und Schutzverband der Republik.

Weimars Demokraten agierten nicht im luftleeren Raum. Ihre Tätigkeiten boten Identifikations- sowie Konfliktpotential. Republikanische und anti-republikanische Zeitungen zählten schwarz-rot-goldene Fahnen bei Republikfeiern, um daraus das Maß an Zustimmung oder Ablehnung abzuleiten. An Verfassungstagen verschwanden mitunter schwarz-rot-goldene Wimpel aus Gärten, von Eingangstüren oder Schulgebäuden, da sich Demokratiegegner damit maximaler Aufmerksamkeit für ihre anti-republikanische Aktivität sicher konnten. Republikaner informierten im Gegenzug die Presse, die Polizei und manchmal sogar die Gerichte. Was heute trivial erscheinen mag, war es damals keineswegs. Republikaner und ihre Gegner wussten, dass es bei Beschädigungen von schwarz-rot-goldenen Fahnen um einiges ging: Diese Farben standen für die junge Republik.

Die nationale Presse spottete, dass die Republikaner auf große Paraden zum Verfassungstag setzten, obwohl ihnen diese im Kaiserreich noch zu militaristisch gewesen waren. Linke und rechte Zeitungen protestierten gleichermaßen, als das Land Preußen 1929 verfügte, Schüler und Schülerinnen dürften schulischen Feiern nicht fernbleiben. Kritik kam aber auch aus dem republikanischen Lager. Dabei herrschte zwar Einigkeit darüber, dass die Republik stärker durchgesetzt werden müsse, nicht aber, wie dies am besten zu bewerkstelligen sei. So fürchteten einige die Verwässerung des politischen Charakters von Republikfeiern, wenn großer Wert auf Sport, Tanz und Geselligkeit gelegt werde. Die linkspazifistische Zeitschrift „Die Weltbühne“ warnte, pompöse Inszenierungen und Massenfeiern mit republikanischen Überzeugungen zu verwechseln. Sie fanden, die Verfassung müsse zuerst in der Verwaltung, der Justiz, dem Militär durchgesetzt werden, bevor der Fokus auf Festivitäten liegen solle. So berechtig diese Kritik war, verkannte sie, dass der performative Aspekt staatlicher Inszenierungen für viele attraktiv war und die Republikaner damit einen wichtigen Platz in der politischen Landschaft der Weimarer Republik besetzten.

Weimar litt so weder an einem Repräsentationsdefizit noch war sie eine „Republik ohne Republikaner.“ Bei allen Ambivalenzen im republikanischen Lager lag die Verantwortung für den Zusammenbruch der Demokratie nicht primär bei ihren Unterstützern. Die Emotionalität, mit der über die Inszenierung der Republik diskutiert wurde, zeigt das aktive Eintreten von Republikanern und Republikanerinnen für ihren Staat. Politische Symbole und performative Politik waren in den 1920er und 1930er Jahren keine überflüssige Dekoration oder oberflächliche Folklore, sie standen für die Möglichkeit politischer Teilhabe und für die Verteidigung des neuen demokratischen Staates.

Zum Weiterlesen

Bernd Buchner, Um nationale und republikanische Identität. Die deutsche Sozialdemokratie und der Kampf um die politischen Symbole in der Weimarer Republik (Bonn, 2001)

Sebastian Elsbach, Das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold. Republikschutz und politische Gewalt in der Weimarer Republik 1918-1933 (Stuttgart, 2019)

Thomas Mergel, Parlamentarische Kultur in der Weimarer Republik (Düsseldorf, 2002)

Nadine Rossol/ Benjamin Ziemann (Hg.), Aufbruch und Abgründe. Das Handbuch der Weimarer Republik (Bonn, 2023)

Nadine Rossol, Performing the Nation in Interwar Germany. Sport, Spectacle and Political Symbolism 1926-36 (Basingstoke, 2010)

Nadine Rossol, Ein Hoch auf die Republik! Die Feiern des Verfassungstages in der Weimarer Republik, in Dirk Schumann/ Christoph Gusy/ Walter Mühlhausen (Hg.), Demokratie versuchen. Die Verfassung in der politischen Kultur der Weimarer Republik (Göttingen 2021)

Christian Welzbacher (Hg.), Der Reichskunstwart. Kulturpolitik und Staatsinszenierung in der Weimarer Republik (Weimar, 2010)

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