Parlament

1930-1933: Die Zerstörung der demokratischen Republik

Aufmarsch des „Stahlhelm“ auf dem Pariser Platz, 30. Januar 1933

Aufmarsch des „Stahlhelm“ auf dem Pariser Platz, 30. Januar 1933 (Bundesarchiv, Bild 146-1979-025-14A)

Der Beginn der Weltwirtschaftskrise im Oktober 1929 beendete die Phase der relativen Stabilität der Weimarer Republik. Die während des Winters rasch ansteigende Arbeitslosigkeit überforderte bald die finanziellen Ressourcen der erst 1927 gegründeten Arbeitslosenversicherung. Über den Streit zur Lösung des Problems zerbrach am 27. März 1930 die seit 1928 amtierende Große Koalition unter Reichskanzler Hermann Müller (SPD). Nachdem einflussreiche Vertreter aus Politik und Wirtschaft um den Reichspräsidenten Paul Hindenburg bereits seit längerem auf eine Schwächung der demokratischen und arbeitnehmerfreundlichen Kräfte in der Politik und eine autoritäre Ausrichtung des Staates hingewirkt hatten, bedeutete die Ernennung des Zentrumspolitikers Heinrich Brüning zum Reichskanzler ohne vorherige Koalitionsgespräche der Parteien eine Zäsur: Es begann die Zeit der sogenannten Präsidialkabinette, also Regierungen ohne parlamentarische Mehrheit, deren Handlungsfähigkeit auf der Unterstützung des Reichspräsidenten und seiner verfassungsrechtlichen Befugnisse zum Erlass von Notverordnungen nach Artikel 48 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) und zur Auflösung des Reichstags nach Artikel 25 WRV beruhte. Das Instrument der Notverordnungen war zur Stabilisierung eines staatlichen Ausnahmezustandes gedacht, entwickelte sich aber angesichts der Selbstblockade des Reichstags mehr und mehr zum Ersatz für die Gesetzgebung.

Notverordnungsregime und Verschärfung der Krise

Die Regierung Brüning verfolgte eine deflationäre Finanzpolitik, die durch die Erhöhung von direkten und indirekten Steuern, den Abbau von Sozialausgaben und die Kürzung der Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst zu einem ausgeglichenen Staatshaushalt führen und die Kaufkraft der Währung erhalten sollte, aber letztlich die wirtschaftliche und gesellschaftliche Krise verschärfte. Als vorrangiges Ziel strebte Brüning die Aufhebung der Reparationen und in der Folge die Wiedergewinnung einer Großmachtstellung des Deutschen Reichs an. Innenpolitisch agierte der Reichskanzler mit Hilfe von Notverordnungen gegen den Widerstand der Parlamentsmehrheit und setzte schließlich eine Auflösung des Reichstags durch.

Bei den Reichstagswahlen im September 1930 erreichte die bis dahin politisch unbedeutende NSDAP einen Stimmenanteil von 18,3 Prozent und etablierte sich als zweitstärkste Fraktion hinter der SPD im Parlament. Die Wahl führte zu einer massiven Schwächung der moderaten Kräfte zugunsten einer Stärkung der links- und rechtsextremen Lager im Parteienspektrum. Aus Sorge vor der zunehmenden politischen Instabilität der Republik war die SPD bereit, die Regierung Brüning und das fortdauernde Regime der Notverordnungen als vermeintlich „kleineres Übel“ zu tolerieren. Im Oktober 1931 initiierte der Medienunternehmer und Vorsitzende der DNVP Alfred Hugenberg den Zusammenschluss von Deutschnationalen, Nationalsozialisten, Mitgliedern des Stahlhelms und weiterer rechter Organisationen zur „Harzburger Front“. Diese Sammlungsbewegung sollte die Stärke des national-reaktionären Lagers demonstrieren, kam jedoch über eine propagandistische Aktion nicht hinaus. Bei der Wahl des Reichspräsidenten im April 1932 wurde vielmehr die Aufsplitterung des rechten Lagers zwischen den Kandidaten Hitler und Hindenburg offensichtlich: Die Wiederwahl Hindenburgs gelang nur mit Hilfe der Stimmen der Anhänger von Zentrum und SPD, somit der ihm verhassten bismarckschen „Reichsfeinde“. Als Konsequenz aus dieser Demütigung und der von der Regierung geplanten Einstellung der Subventionen für die vielfach überschuldeten Landgüter in Ostdeutschland, die Hindenburg direkt betraf, wurde Brüning im Mai 1932 entlassen und stattdessen der parteilose Franz von Papen zum Reichskanzler ernannt.

„Preußenschlag“ und Aufstieg der republikfeindlichen Kräfte

Die kurzlebige Regierung Papen bestand überwiegend aus Ministern ohne Parteibindung („Kabinett der Barone“) und wurde im Parlament lediglich von einer kleinen Minderheit von Abgeordneten der DNVP und DVP unterstützt. Papen regierte daher weiterhin durch Notverordnungen des Reichspräsidenten und bereitete insgeheim eine tiefgreifende Verfassungsänderung vor, die die Umwandlung der parlamentarischen in eine autoritär-präsidial regierte Republik („Neuer Staat“) anstrebte. Zu diesem Zweck entmachtete er im Juli 1932 mit einer Notverordnung die von der SPD geführte Landesregierung von Preußen, die bis dahin als demokratisches „Bollwerk“ gegen die Feinde der Republik gegolten hatte, und trat selbst in der Funktion eines „Reichskommissars“ an deren Stelle („Preußenschlag“). Versuche zur Erweiterung seiner politischen Machtbasis durch die Einbindung der Nationalsozialisten in die Reichsregierung scheiterten jedoch wiederholt am überzogenen Machtanspruch Hitlers, der das Amt des Reichskanzlers für sich forderte.

Angesichts der verschärften wirtschaftlichen und sozialen Krise im Reich erhielten die radikalen politischen Parteien und deren Vorfeldorganisationen beträchtlichen Zulauf. Öffentliche Aufmärsche, Straßenschlachten zwischen den politischen Gegnern und Auseinandersetzungen mit der Polizei prägten das öffentliche Bild einer am Rande des Bürgerkriegs stehenden Republik. Bei vorgezogenen Reichstagswahlen am 31. Juli 1932 erzielte die NSDAP mit 37,3 Prozent der abgegebenen Stimmen einen Erdrutschsieg und wurde stärkste Fraktion im Parlament, auch die KPD verbesserte mit 14,3 Prozent der Stimmen ihr Ergebnis. Die SPD verlor hingegen Stimmen zugunsten der KPD, die bürgerlichen Parteien wurden marginalisiert. Damit besaßen die republikfeindlichen Kräfte eine „negative“ Mehrheit im Parlament, womit eine parlamentsgestützte Regierung weiterhin nicht möglich war. Erneute Wahlen zum Reichstag am 6. November 1932 brachten erhebliche Stimmenverluste für die NSDAP, bestätigten aber im Grundsatz die veränderte Gewichtung innerhalb der politischen Lager.

Nachdem Papen mit dem Vorhaben, eine Regierung mit diktatorischen Vollmachten zu bilden, gescheitert war, wurde er im Dezember 1932 durch den vormaligen Reichswehrminister, General Kurt von Schleicher, als Reichskanzler ersetzt. Auch Schleicher vertrat eine autoritäre Staatsauffassung, wollte aber durch eine Einbindung der Arbeiterschaft den politischen Rückhalt für die Reichsregierung stärken und einen befürchteten Bürgerkrieg vermeiden. In den folgenden Wochen sondierte Schleicher, ob ein Bündnis mit dem gemäßigten Teil der NSDAP unter Gregor Strasser, dem Arbeitnehmerflügel der SPD-Reichstagsfraktion sowie den SPD-nahen Gewerkschaften zustande kommen könne. Der Plan zur Mobilisierung einer politischen „Querfront“ schlug jedoch fehl, da sich Hitler im innerparteilichen Machtkampf gegen seinen Konkurrenten Strasser durchsetzte und Schleicher keine Unterstützung durch den Reichspräsidenten erhielt. Als ihm Hindenburg die Ausrufung des „Reichsnotstandes“ mit Auflösung des Reichstags und einer Verschiebung von Neuwahlen bis in den Herbst 1933 verweigerte, trat Schleicher am 28. Januar 1933 von seinem Amt zurück.

Machtübertragung und Ende der Demokratie

Im Januar 1933 hatten Papen, Hitler, Hugenberg und Vertreter aus dem Umfeld des Reichspräsidenten konspirative Verhandlungen über ein Bündnis geführt und sich schließlich auf eine Regierung unter Hitlers Führung verständigt. Die Aufteilung der Ministerposten sah die „Einrahmung“ der Nationalsozialisten durch eine Mehrheit von bürgerlich-konservativen Ministern im Kabinett vor. Lediglich drei Ressorts – allerdings in Schlüsselpositionen - waren mit Nationalsozialisten besetzt: Neben Hitler als Reichskanzler, dem die politische Richtlinienkompetenz zustand, waren dies Wilhelm Frick als Innenminister und Hermann Göring als Minister ohne Geschäftsbereich. Göring besaß gleichwohl als kommissarischer Leiter des preußischen Innenministeriums die Verfügungsgewalt über die preußische Polizei und damit den größten Polizeiapparat im Deutschen Reich. Zudem sollte die Reichswehr künftig von Werner von Blomberg, einem Sympathisanten der Nationalsozialisten, geleitet werden. Auf Papens Drängen und dem Ratschlag seiner Umgebung hin ernannte Hindenburg schließlich Adolf Hitler am 30. Januar 1933 offiziell zum Reichskanzler.

Die Übertragung der exekutiven Machtbefugnisse an die Nationalsozialisten war formal korrekt im Rahmen der Weimarer Reichsverfassung erfolgt. Die Vorstellung der reaktionären Elite um „Vizekanzler“ Papen, in der beschriebenen Regierungskonstellation die politische „Zähmung“ Hitlers erreichen zu können, sollte sich aber schnell als Makulatur erweisen: Mit der von Hitler bereits am 1. Februar 1933 durchgesetzten Reichstagsauflösung, der sofort einsetzenden terroristischen Verfolgung der politischen Gegner, der Außerkraftsetzung politischer und bürgerlicher Grundrechte durch die Notverordnung „zum Schutz von Volk und Staat“ vom 28. Februar 1933 (sogenannte Reichstagsbrandverordnung) und der Entmachtung des Parlaments durch das „Ermächtigungsgesetz“ vom 23. März 1933 wurden in wenigen Wochen die Voraussetzungen für die Errichtung der nationalsozialistischen Diktatur geschaffen. Auch wenn die Verfassung der Weimarer Republik in der Zeit des „Dritten Reichs“ formal nicht aufgehoben wurde, so war doch ihr demokratischer Grundgedanke außer Kraft gesetzt und damit der Weg zum totalitären „Führerstaat“ geebnet.

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